Die Lokführergewerkschaft GDL legt mit ihrem aktuellen Rekord-Streik weite Teile des Zugverkehrs lahm. Es hagelt Kritik von allen Seiten. Es gehe der GDL und ihrem Chef Claus Weselsky vor allem um mehr Macht. Was an dem Vorwurf dran ist.
Die Reisenden, die diese Tage an Bahnhöfen oder in Staus standen, wird es wenig trösten, aber die GDL hat Recht – zumindest juristisch gesehen. Sie will für alle Berufsgruppen, die in ihr organisiert sind, verhandeln können, nicht nur für die Lokführer. Und das darf sie auch – seit 2010 können in Unternehmen mehrere Tarifverträge gelten.
Bloßer Machtkampf?
Die Deutsche Bahn dagegen sagt, sie wolle keine zwei Verträge für dieselbe Berufsgruppe. Ihr Vorschlag: Sie will künftig parallel mit GDL und der zweiten Bahn-Gewerkschaft EVG verhandeln. Wenn eine davon einem Kompromiss zustimmt, soll die zweite nicht mehr streiken dürfen. Genau hier stellt sich die GDL stur: Eine solche Beschneidung des Grundrechts auf Streik werde er auf keinen Fall zulassen, betont GDL-Chef Claus Weselsky immer wieder.
An diesem Grundsatz hält er eisern fest. Schnell kam der Vorwurf auf, es gehe ihm bloß darum, seine Macht auszubauen. EVG, Beamtenbund, Deutscher Gewerkschaftsbund – auch Organisationen, die zunächst hinter der GDL standen, haben sich inzwischen kritisch geäußert. Die GDL verliere jedes Augenmaß, war der Tenor in vielen Medien. Ist aus dem Arbeitskampf ein bloßer Machtkampf geworden.
"Die Forderungen sind nicht maßlos"
Für Peter Birke, Gewerkschafts-Forscher an der Universität Göttingen, sind die beiden kaum zu trennen. "Die GDL verhält sich, wie sich Gewerkschaften verhalten müssen, wenn sie die Situation verbessern wollen", sagt er. "Es ist nur konsequent, wenn die Verbesserungen, die die GDL aushandeln will, auch für andere Berufsgruppen gelten soll. Die Forderungen sind nicht maßlos, es geht um den Aspekt der Gleichbehandlung."
Ja, es geht der Gewerkschaft um mehr Einfluss. Aber es lohnt ein zweiter Blick auf die Hintergründe: Die Arbeitsbedingungen bei der Bahn sind tatsächlich verbesserungsbedürftig. 1.300 Euro netto soll ein Zugbegleiter verdienen, ein Lokführer nach 25 Dienstjahren laut Experte Birke nur wenig mehr. Dazu kommen unzählige Überstunden. Dass die GDL darauf beharrt, nicht nur für die Lokführer, sondern auch für das andere Bahn-Personal bessere Bedingungen zu verhandeln, ist nicht verwerflich.
Wie geht es weiter?
Die Frage ist, wie es nun weiter geht. Der Konflikt scheint festgefahren. Auch wenn es ihr gutes Recht ist, war es taktisch nicht klug von der GDL, sich bei ihren Äußerungen immer nur auf die Vertretungsansprüche zu konzentrieren. Sie hat sich festgerannt. Nun droht eine Lösung von außen. Die Bahn will den Streik gerichtlich stoppen. Ob das klappt, bleibt fraglich.
Entscheidender: Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) hat gerade einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der künftig unterschiedliche Tarifverträge in Unternehmen verhindern soll. Die Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern soll künftig das Sagen haben. Das würde einen Arbeitskampf wie jetzt schlichten – indem es ihn verbietet. Für streikgenervte Reisende mag es verlockend klingen. Doch es wäre ein grundlegender Eingriff in das Streikrecht – und damit in die Möglichkeit, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen.
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