Der Bahnstreik beschäftigt Deutschland. Neben Lohnerhöhungen und einer Verbesserung der Arbeitszeiten geht es für die Mitglieder der Gewerkschaften vor allem um eines: um Macht. Die kleine GDL und die große EVG streiten, wer für welche Berufsgruppen bei der Bahn zuständig ist. Wird hier ein interner Machtkampf auf Kosten der Bahngäste ausgetragen?
Wieder Streiks, wieder Bahnausfälle: Im Tarifstreit mit der Bahn hat die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) auch für das kommende Wochenende zahlreiche Ausfälle angekündigt. Der Ausstand begann heute Nachmittag im Güterverkehr, der Personennahverkehr könnte in der Nacht zum Samstag ab zwei Uhr folgen, wenn sich die Streitparteien nicht vorher einig werden.
"Die GDL läuft Amok", so äußerte sich die Deutsche Bahn zur Streikankündigung und übte harte Kritik an den Streikplänen. Aus "Machtgelüsten" und ohne Not würden Millionen von Menschen die Ferien verdorben, so die Bahn. In rund der Hälfte der Bundesländer beginnen oder enden an diesem Wochenende die Schulferien.
In Bezug auf den GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky sagte die Bahn: Es werde immer deutlicher, dass es nicht um die Interessen der Lokführer gehe, "sondern um Allmachtsfantasien eines Funktionärs."
Im Tarifstreit fordert die Gewerkschaft von der Bahn fünf Prozent mehr Lohn und eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit um zwei Stunden.
Hintergründig aber geht es noch um weit mehr: Um einen Machtkampf zwischen GDL und der Eisenbahn- und Verkehrsgesellschaft (EVG) und die Frage, wer in den anstehenden Tarifverhandlungen die Interessen der rund 160.000 Bahn-Mitarbeiter vertreten soll. Eine entsprechende Vereinbarung von 2007 war im Juni dieses Jahres ausgelaufen.
Seither möchte die GDL nicht nur für ihre 20.000 Lokführer verhandeln, sondern auch für das gesamte Zugpersonal, also rund 17.000 Lokrangierführer, Zugbegleiter, Bordgastronomen, Disponenten, Trainer und Instruktoren.
Ganz zum Unmut der EVG, die bislang 140.000 Mitarbeiter vertritt, und ab sofort auch für die Lokführer sprechen möchte.
Die Bahn ihrerseits fordert klare Zuständigkeiten, will konkurrierende Tarifbeträge für eine Berufsgruppe vermeiden und verlangt, dass sich die beiden Gewerkschaften einigen, bevor Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber die Verhandlungen mit lediglich einem Tarifpartner aufnimmt.
Bereits am 18. Juli dieses Jahres hatte die Deutsche Bahn nach monatelangen Gesprächen einen Vorschlag für eine Kooperationsvereinbarung zwischen EVG, GDL und DB vorgelegt. Diese hätte der GDL mehr Mitspracherechte als jemals zuvor garantiert: das Verhandlungsmandat für Lokführer plus die Möglichkeit, bei allen Verhandlungen, auch für Zugbegleiter, am Tisch zu sitzen. Die Kooperationsgespräche scheiterten, eine Einigung scheint vorerst nicht wahrscheinlich.
"Schlussendlich weiß jeder, dass es hier nicht um Macht geht, sondern um eine einzige Frage: Ist dieser Konzern bereit, die Realität anzuerkennen, dass die GDL mehr als 51 Prozent Mitglieder in den Eisenbahnverkehrsunternehmen hat? Ist die Bahn bereit anzuerkennen, dass Tarifpluralität herrscht und nicht Tarifeinheit?"
Mit diesen Worten wies GDL-Chef Claus Weselsky im ZDF den Vorwurf eines Gerangels mit der EVG zurück.
Dass eine jeweils kleine Gruppe von Arbeitnehmern wegen ihrer spezifischen Berufsfelder die Macht hat, große Teile des öffentlichen Lebens lahm zu legen, ist auch Arbeitsministerin Andrea Nahles ein Dorn im Auge. Sie bemüht sich aktuell, das Tarifvertragsgesetz zu ändern. Demnach soll künftig nur noch die jeweils größte Gewerkschaft in einer Branche oder in einem Betrieb den Tarifvertrag aushandeln und zum Streik aufrufen dürfen. Dies würde den kleinen Gewerkschaften und damit auch der GDL endgültig den Garaus machen.
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