Die Lokführer-Gewerkschaft GDL legt schon zum achten Mal den Zugverkehr in Deutschland lahm. Ist das noch angemessen? Das bezweifeln mittlerweile selbst Vertreter anderer Gewerkschaften.

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Verärgerte Fahrgäste, Wirtschaftsschäden in Millionenhöhe, ein kampfeslustiger Gewerkschaftsboss: Der siebentägige Monsterstreik der Lokführer-Gewerkschaft GDL führt in vielen Teilen des Landes seit Montag zu erheblichen Einschränkungen im Zugverkehr. Laut Deutscher Bahn gehen nur ein Drittel der Fernzüge sowie rund zwei von drei Regionalzügen auf die Schiene. Schon zum achten Mal in den vergangenen zehn Monaten ruft Claus Weselsky die rund 34.000 Mitglieder der "Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer" zum Arbeitskampf auf, nachdem er das jüngste Angebot der Bahn abgelehnt hatte.

Weselsky fordert mehr Geld, die Reduzierung der Wochenarbeitszeit und einen einheitlichen Flächentarifvertrag für alle Lokführer. Nicht nur viele Fahrgäste ärgert der erneute Arbeitskampf, auch aus Politik und anderen Gewerkschaften nehmen die kritischen Töne zu. "Der Tarifstreit bei der Bahn ist für Außenstehende kaum noch nachzuvollziehen", sagte der SPD-Vorsitzende und Vizekanzler Sigmar Gabriel der "Bild"-Zeitung. "Die GDL verfolgt rücksichtslos ihre eigenen Ziele für ihre kleine Klientel", beklagte der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), Michael Vassiliadis, in der "Neuen Presse" aus Hannover. Die GDL gehe nicht verantwortlich mit dem Arbeitskampfinstrument um, so Vassiliadis.

Gewerkschaftssekretärin: "Der Streik nervt"

Astrid Striehn von der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di teilt diese Kritik. "Der Streik nervt so langsam", sagt die Gewerkschaftssekretärin aus Thüringen. "Ob das Maß der Mittel durch die GDL tatsächlich gerechtfertigt ist, das stellen wir in Frage." Eine Arbeitsniederlegung solle schließlich immer der letzte Ausweg sein. Es entstehe der Eindruck, man streike nur um des Streikens willen. "Aber", betont Striehn, "das Streikrecht zur Verbesserung der Arbeitnehmerrechte unterstützt Ver.di natürlich – wenn es maßvoll eingesetzt wird."

Manche Beobachter bezweifeln genau das. Sie fragen sich besorgt: Schadet die kleine GDL mit den nicht enden wollenden Streiks der gesamten Gewerkschaftsbewegung? Ist gar die Idee der Gewerkschaft in Gefahr? "Das hoffe ich nicht", sagt Astrid Striehn. "Ich möchte nicht, dass dieser Streik verwischt, was andere Gewerkschaften für ihre Mitglieder erreicht haben." Sie hält einen dauerhaften Ansehensverlust der Gewerkschaften trotzdem für unwahrscheinlich. Es sei aber möglich, dass das Ansehen durch den bisher längsten Ausstand in der Geschichte der Bahn zumindest zeitweise abnehme.

Die jüngste Entwicklung bei Ver.di, mit rund zwei Millionen Mitgliedern die zweitgrößte Gewerkschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), spricht eher gegen die These des Ansehensverlustes. Dort nahm das Engagement in den letzten Monaten wieder zu, und auch die Mitgliederzahlen stiegen leicht an. Die ebenfalls lange andauernden und bundesweit wahrgenommenen Arbeitsniederlegungen beim Online-Versandhaus Amazon hätten dazu beigetragen, meint Striehn.

Bessere Informationspolitik gefordert

Dafür hat das Ansehen in Teilen der Politik gelitten. Nachdem GDL-Chef Weselsky einen Schlichtungsversuch erneut abgelehnt hatte, wurden erste Stimmen laut, die die Einführung eines gesetzlichen Schlichtungsverfahrens im Bahn- und Luftverkehr fordern. "Bevor gestreikt wird, sollen die Parteien miteinander reden – wie erwachsene Menschen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Michael Fuchs. Mehr reden, besser informieren: Das hält auch Astrid Striehn von Ver.di für geboten. "Die GDL informiert intransparent. Viele Menschen wissen gar nicht genau, worum es in diesem Tarifkonflikt eigentlich geht." Am Ende bleibe nur der Ärger über die GDL. Und das könne für keine Gewerkschaft in Deutschland gut sein.

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