Der Bund verzichtet vorerst auf eine Enteignung der Anteile des russischen Staatskonzerns Rosneft an drei deutschen Raffinerien und verlängert stattdessen die Treuhand-Verwaltung um weitere sechs Monate. Dies teilte das Wirtschaftsministerium am Donnerstag in Berlin mit. Ziel ist, dass Rosneft seine Anteile freiwillig verkauft - insbesondere die Mehrheit an der Großraffinerie PCK in Schwedt, die Millionen Menschen im Nordosten mit Benzin, Diesel und Kerosin versorgt.
Zwei deutsche Töchter des russischen Staatskonzerns Rosneft besitzen eine Mehrheit von 54 Prozent an der riesigen Industrieanlage in Schwedt. Minderheitsanteile hat Rosneft zudem an zwei weiteren Raffinerien in Baden-Württemberg und Bayern. Insgesamt kontrolliert der russische Konzern damit etwa zwölf Prozent der deutschen Kapazität zur Erdölverarbeitung.
"Die Bundesregierung hat sich zu einer nochmaligen Verlängerung der Treuhandverwaltung entschieden, nachdem die russischen Eigentümer ihre Absicht erklärt hatten, in der verlängerten Laufzeit ihre Anteile" an den beiden Tochterfirmen zu veräußern", teilte das Ministerium mit. "Ein Verkauf wäre der rechtssicherste und damit auch schnellste Weg, um Investitionen in die Raffinerien zu ermöglichen und so die Standorte zu sichern."
Seit 2022 unter Kontrolle des Bundes
Im September 2022 stellte der Bund die Rosneft-Töchter unter Treuhandverwaltung, die seither alle sechs Monate verlängert wurde. Hintergrund: Die Ampel-Koalition wollte wegen des Ukraine-Kriegs den Import von russischem Pipeline-Öl stoppen, was Rosneft als Mehrheitseigner in Schwedt wohl nicht mitgemacht hätte. Inzwischen wird dort tatsächlich kein russisches Öl mehr verarbeitet - die Bezugsquellen wurden umgestellt. Ein Teil des Rohöls kommt per Tanker über den Hafen Rostock, ein Teil über den polnischen Hafen Danzig, ein Teil per Pipeline aus Kasachstan.
Da die Treuhand-Lösung nur befristet gelten sollte, drohte das Bundeswirtschaftsministerium mit einer Enteignung der Rosneft-Anteile. Rechtlich wäre dies möglich. Befürchtet wurden jedoch neue Spannungen mit Russland und ein Rechtsstreit in Deutschland. Bundeskanzleramt und Bundesfinanzministerium waren Medienberichten zufolge skeptisch. Stattdessen will Rosneft dem Vernehmen nach die Beteiligungen nun selbst verkaufen. Die Verlängerung der Treuhand soll Zeit zur Käufersuche lassen.
Der Bund könnte damit wahrscheinlich auch eine Entschädigung für Rosneft aus der Staatskasse vermeiden. Die Produktion von Benzin, Diesel und Co dürfte in jedem Fall zunächst wie bisher weiter laufen und die Versorgung gesichert sein. Für die rund 1200 Beschäftigten des PCK und Hunderte weitere bei Partnerfirmen bleibt allerdings vorerst unklar, wie es mit dem Betrieb genau weitergeht.
Rosneft hält neben den 54 Prozent an PCK in Schwedt auch 24 Prozent an der Raffinerie Miro in Karlsruhe und 28,6 Prozent an Bayernoil mit Sitz in Neustadt an der Donau.
"Energiepolitische Schleife"
Kurzfristig soll eigentlich eine kleine Pipeline vom Hafen Rostock für die Ölzufuhr nach Schwedt erweitert werden. Die EU-Kommission hat die vom Bund beantragte Beihilfe von rund 400 Millionen Euro aber bislang nicht freigegeben. Absehbar braucht die Raffinerie Milliardeninvestitionen, um sich für eine Zukunft mit Wasserstoffproduktion zu rüsten.
Der Linken-Bundestagsabgeordnete Christian Görke übt Kritik. "Das ist die nächste energiepolitische Schleife der Ampel, ohne dass sie mit der Eigentümerstruktur beim PCK nach zwei Jahren Krieg weiter ist", sagte Görke. "Geblieben ist weitere Verunsicherung in der Region über die Zukunft der Raffinerie und den langfristigen Erhalt der Arbeitsplätze."
Falls der Bund den Verkauf der Rosneft-Anteile an einen strategischen Partner anstrebe, müsse es ein starker Investor sein, der den Wandel zu einer grünen Raffinerie finanziell stemmen könne, meinte Görke. Er plädierte erneut für den Verkauf an einen kasachischen Staatskonzern, der aus seiner Sicht mehr Öl nach Schwedt liefern und die Umstellung auf Wasserstoff tragen könnte. (dpa/phs)
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