China hat die Verantwortlichen für seinen Börsencrash ausgemacht und sie festgenommen: einen Journalisten, einen Beamten der Börsenaufsicht und vier Wertpapierhändler. Doch inwieweit können tatsächlich einzelne Personen für Chaos an den Börsen sorgen?

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Um bis zu 40 Prozent sind die Kurse an der chinesischen Börse in den vergangenen Wochen gefallen. Ein einzelner Mann soll das durch die Verbreitung von falschen Informationen mit ausgelöst haben: der Journalist Wang Xiaolu. Er habe mit einem Bericht, dass die Regierung ihr Geld aus dem Aktienmarkt abziehen wolle, Panik unter den Anlegern ausgelöst und so zu den Kursverlusten beigetragen, wird er selbst in seinem "Geständnis" von Staatsmedien zitiert.

Viele Fachleute halten das für absurd. Die Vorstellung, dass Journalisten mit Veröffentlichungen den Aktienmarkt beeinflussen, sei völliger Unsinn, sagt der Finanzmarktexperte Andreas Löffler von der Freien Universität Berlin. Der Markt werde beherrscht von Portfolio-Managern, die angelegtes Geld verwalten und ihre wesentlichen Informationen zum An- und Verkauf von Wertpapieren nicht aus Journalistenberichten bekommen, erklärt der Professor für Bank- und Finanzwirtschaft.

Zockerei und Insiderhandel

Das bedeutet aber nicht, dass Einzelpersonen grundsätzlich nicht die Macht besäßen, für Turbulenzen an den Finanzmärkten zu sorgen. Der 2008 als "Milliardenzocker" bekannt gewordene Jérôme Kerviel bescherte seiner Bank, der Société Générale, Verluste in Höhe von 4,9 Milliarden Euro. Damit brachte er das französische Geldinstitut in ernste Schwierigkeiten und das internationale Finanzsystem beinahe ins Wanken. Ähnlich prominent ist der Fall von Nick Leeson, der Mitte der 90er Jahre die renommierte Barings Bank durch Spekulationen in die Pleite trieb und eine Währungskrise auslöste. Die großen Geldhäuser versicherten in der Folge, ihre Kontrollen verschärfen zu wollen - dennoch gab es auch nach Kerviel ähnliche Skandale.

Neben der Zockerei sind auch immer wieder gezielte Kursmanipulationen ein Thema an der Börse. So soll auch der Beamte der chinesischen Börsenaufsicht CSRC, der jetzt festgenommen wurde, Insiderhandel betrieben haben. Beim Insiderhandel nutzen Anleger eigentlich geheime Informationen für ihre Börsengeschäfte. So können sie etwa bei einer negativen Unternehmensentwicklung ihr Geld schnell retten - bevor die anderen Anleger überhaupt erfahren, wie es um die Firma steht.

Insiderhandel wird aber in der Regel nicht von einer Person alleine betrieben. Außerdem ist kein Fall bekannt, bei dem solche Geschäfte ganze Aktienmärkte ins Chaos gestürzt hätten. Insiderhandel ist illegal und wird konsequent verfolgt. Ihn zu entdecken, ist Aufgabe der Börsenaufsicht eines Landes. In Deutschland ist das die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Sie überwacht die Kursverläufe und forscht bei auffälligen Entwicklungen nach.

Die Aktivitäten der Superreichen

Bleibt die Frage nach der Börsen-Macht von Superreichen, etwa Großunternehmern oder -investoren. Erst jüngst ergab der "Global Wealth Report 2015" der Beratungsfirma Boston Consulting Group, dass sich das Vermögen weltweit immer stärker bei den Superreichen konzentriert - und dass sie immer mehr in Aktien investieren.

Als Beispiel für ihren Einfluss wird bisweilen die asiatische Börsenkrise Ende 90er Jahre genannt, als in einer Art Dominoeffekt Thailand, Malaysia und Südkorea kurz vor dem Kollaps standen. Die malaysische Regierung machte für den Crash vor allem internationale Spekulanten, unter ihnen George Soros, verantwortlich - wogegen sich der US-Investor heftig wehrte. Experte Andreas Löffler sagt, dass ein einzelner Superreicher vielleicht die Möglichkeit hätte, Chaos an den Börsen zu verursachen, aber nicht im Entferntesten ein Interesse daran. "Warum sollten sie sich die Umgebung, die sie zum Arbeiten benötigen, kaputt machen?"

Was einige von ihnen aber seit ein paar Jahren verstärkt tun, ist, Einfluss auf einzelne Unternehmen zu nehmen - als sogenannte Activist Shareholders. Das sind Minderheitsaktionäre, die sich mit anderen Anlegern verbünden, um dann gemeinsam in die Unternehmenspolitik einzugreifen - oft auf forsche Art und Weise. Ein prominentes Beispiel ist der US-Investor Carl Icahn. "Solche Leute können Druck auf Unternehmen ausüben, obwohl sie alleine nur wenig Anteile besitzen", sagt Löffler. Schaden kann eine solche Anlagestrategie laut ihren Kritikern jenen Aktionären, die nicht auf kurzfristige Gewinne aus sind, sondern langfristig in eine Firma investieren wollen.

Insgesamt sieht Andreas Löffler die internationalen Finanzmärkte vor dem Einfluss Einzelner recht gut geschützt: "In vielen Ländern gibt es zum Beispiel gute Vorkehrungen gegen Insiderhandel und zum Teil sehr hohe Strafen bei Verstößen." Andere Länder, wie etwa China, hätten da indes noch Nachholbedarf.

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