Fast sechs Jahre nach dem Untergang der Öl-Bohrplattform "Deepwater Horizon" im Golf von Mexiko billigt ein US-Richter eine nie dagewesene Strafe von fast 21 Milliarden Dollar gegen den Betreiber BP. Wie der britische Energiekonzern diese Schuld begleichen will und ob er das überhaupt stemmen kann.
Am 20. April 2010 brach die bisher größte Umweltkatastrophe über die USA herein. Im Golf von Mexiko ging die Öl-Bohrplattform "Deepwater Horizon" in einem riesigen Feuerball unter. Die Küsten von fünf US-Bundesstaaten wurden verseucht, Fischfang und Tourismus schwer geschädigt. Hunderte Millionen Liter Öl töteten unzählige Meerestiere und Seevögel. Es folgte ein langwieriger und zäher juristischer Prozess.
Die Gegner waren der Energiekonzern BP als Schuldiger für die Katastrophe und die Vereinigten Staaten als Geschädigter. Ein US-Richter hat nun endgültig eine Einigung mit dem britischen Energie-Riesen über die Zahlung von rund 20,8 Milliarden Dollar gebilligt. US-Justizministerin Loretta Lynch sprach von der "größten Strafe aller Zeiten wegen Umweltvergehen".
Doch wie ist diese überhaupt zu begleichen? Wie kann ein Konzern solche Strafen bezahlen? Drohen ähnliche Einschnitte wie bei Volkswagen nach dem Abgasskandal?
Noch im Juli hatten sich die Streitparteien auf vorerst 18,7 Milliarden Dollar verständigt. Mehr als 43 Milliarden Dollar hatten die Briten anfangs insgesamt für die Folgen und die Beseitigung der Ölkatastrophe veranschlagt, ein Großteil davon floss bereits in einen Entschädigungsfonds.
Kann BP die Strafe überhaupt bezhalen?
Bis Ende 2012 zahlte BP mehr als 14 Milliarden Dollar. Mit der nun erfolgten Einigung wächst die veranschlagte Summe weiter. Für BP ist es nun von großer Bedeutung, dass die Zahlungen über einen langen Zeitraum erfolgen.
Im Juli war die Rede von gestaffelten Zahlungen über 18 Jahre. Alleine wegen Verstößen gegen den "Clean Water Act" werden etwa 5,5 Milliarden Dollar veranschlagt, die dem Vernehmen nach über 15 Jahre zu zahlen sind.
Den Briten kommen die hohen Rücklagen entgegen, die sie teils aus ihren enormen Reserven, die sich in Milliarden Barrel Öläquivalent bemessen, gebildet haben. So dürfte BP verhindern können, dass die noch folgenden Strafzahlungen über Jahre zu sehr auf die jeweiligen Konzernumsätze drücken.
Damit lässt sich trotz des nachgewiesenen Versagens und der hohen Strafe die Bilanz schönen. Eigentlich. Denn sehr wohl trifft die Strafe den kriselnden Öl-Riesen gehörig. Die teils drastisch gesunkenen Öl-Preise vermiesen ohnehin das Konzernergebnis. Unmittelbar nach der Katastrophe hat der daraus resultierende Imageschaden BP offenbar noch nichts angehabt.
Konzernumsatz von BP bricht seit zwei Jahren ein
Der Konzernumsatz wuchs laut "finanzen.net" zwischen 2010 von geschätzt 192,4 Milliarden britischen Pfund auf rund 242,5 Milliarden britische Pfund 2013. Das waren rund 396,2 Milliarden US-Dollar.
Angesichts dieser Summen müsste es ein Leichtes sein, für die Strafe aufzukommen, denkt man. Schließlich verschwindet diese in der Gewinn- und Verlustrechnung taktisch umgeschichtet von Bilanzprofis unter weniger relevanten Positionen. So ist zumindest das übliche Vorgehen.
Doch der Konzernumsatz bricht seit zwei Jahren ein, betrug 2015 nur noch etwa 145,9 Milliarden britische Pfund.
Deutlicher werden die Probleme von BP, wenn man auf die Gewinne und Verluste schaut. Während das Unternehmen noch 2013 einen bereinigten Gewinn von knapp 15 Milliarden britischen Pfund schrieb (nach Steuern), stand im Vorjahr ein Minus von 4,24 Milliarden britischen Pfund (Quelle: finanzen.net). Nach aktuellem Umrechnungskurs wären das knapp 5,29 Milliarden Euro.
Geht es an die Dividende der BP-Aktionäre?
Gut möglich ist deshalb, dass der Konzern wegen des Negativtrends an das Geld der Aktionäre geht. Die Aktie von BP unterlag nach neuen Entwicklungen zum "Deepwater Horizon"-Skandal stets starken Schwankungen. Unmittelbar nach dem zwischenzeitlichen Kompromiss im Juli vergangenen Jahres hatte sie noch um bemerkenswerte 4,5 Prozentpunkte zugelegt. Am 5. April aber sank sie zwischenzeitlich um 3,04 Prozentpunkte.
Dennoch könnte die Dividenden-Ausschüttung in die Strategie miteinfließen. VW hat es vorgemacht. Dem Vernehmen nach müssen Aktionäre des deutschen Autobauers in diesem Jahr nicht mit einer Ausschüttung rechnen. Im Fall von BP ist es zugegeben reine Spekulation. In der Konzernzentrale in London dürfte eifrig hin und her gerechnet werden.
Fakt ist: Die endgültige Einigung darf als weitere Niederlage für den angeschlagenen Öl-Riesen gewertet werden - und als Sieg für Umweltschützer sowie die wirtschaftlich kränkelnden US-Bundesstaaten an der Golfküste.
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