- Angesichts der Gaskrise muss Deutschland massiv einsparen.
- Dabei sind sowohl private Haushalte als auch Unternehmen auf einem guten Weg.
- Wie Daten der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen zeigen, ging der Erdgasverbrauch im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um knapp 15 Prozent zurück.
Die EU-Länder möchten ihren Gasverbrauch bis zum Frühling um mindestens 15 Prozent reduzieren. Für Deutschland bedeutet das: Die zu sparende Gasmenge kommt etwa dem Durchschnittsverbrauch von fünf Millionen vierköpfigen Haushalten pro Jahr gleich. Wie aus einem Bericht der dpa hervorgeht, würden 10 Milliarden Kubikmeter Gas etwa 100 Milliarden Kilowattstunden entsprechen. Ein Musterhaushalt mit vier Personen in Deutschland verbraucht im Jahr rund 20.000 Kilowattstunden.
Dieses Ziel ist jedoch gar nicht so unerreichbar, wie man vielleicht meinen möchte. Wie neue Daten der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen zeigen, ging der Erdgasverbrauch verglichen mit dem Vorjahreszeitraum in den ersten sechs Monaten dieses Jahres bereits um knapp 15 Prozent zurück.
Erdgasverbrauch nimmt ab – erneuerbare Energien liefern höhere Beiträge
Gründe für den starken Rückgang des Erdgasverbrauchs sind demnach vor allem die mildere Witterung sowie das hohe Preisniveau. "Zudem verringerte sich der Einsatz von Erdgas zur Stromerzeugung, weil die erneuerbaren Energien – vor allem im ersten Quartal – höhere Beiträge lieferten", heißt es in dem Bericht.
Der Beitrag der erneuerbaren Energien stieg demnach im ersten Halbjahr des Jahres um 4,7 Prozent. Insbesondere die Windenergie kann ein großes Plus verzeichnen: Dank guten Windverhältnissen konnte der Beitrag der Anlagen um 18 Prozent gesteigert werden. Spitzenreiter bei den erneuerbaren Energien ist die Solarenergie, die mit 20 Prozent den größten Anstieg verzeichnete. Anders bei Biomasse, die laut der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen mehr als die Hälfte der Energien liefert: Hier gab es witterungsbedingt einen leichten Rückgang von zwei Prozent.
Aktive Sparmaßnahmen zeigen Wirkung
Laut einem Bericht von "Zeit Online" (Bezahlinhalt)I geht der Gasverbrauch in Deutschland mittlerweile auch wegen bewusster Einsparungen zurück. Unter Berufung auf exklusive Daten des Branchendiensts ICIS heißt es, allein im Juli sei der Gasverbrauch um mehr als 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat gesunken. Als Grund dafür werden allen voran Einsparungen der Industrie angeführt. Gasexperte Tom Marzec-Manser von ICIS sagte "Zeit Online": "Die historisch hohen Gaspreise reduzieren die Nachfrage." Beispielsweise werde die Chemikalie Ammoniak nun importiert und die energieintensive Herstellung sei zurückgegangen.
Berechnungen der Hertie School in Berlin zeigen außerdem, dass der Energieverbrauch der Industrie im März und April bereits durch Einsparungen um elf Prozent gesunken ist. In privaten Haushalten ging der Verbrauch um sechs Prozent zurück. Bereits vor Beginn des Krieges in der Ukraine hätten Unternehmen wegen sinkender Nachfrage ihren Energieverbrauch zurückgefahren. Private Haushalte hingegen achten erst seit Kriegsbeginn darauf, Energie einzusparen.
Einige Unternehmen verlagern bereits ihre Produktionsprozesse, um nicht von russischem Öl abhängig zu sein. Der Darmstädter Pharma- und Chemiekonzern Merck etwa plant, auf Erdöl umzusteigen. Das Unternehmen Wiegand Glas möchte seine Schmelzwannen statt mit Erdgas mit leichtem Heizöl heizen. Mercedes-Benz kündigte an, seinen Erdgasverbrauch um bis zu 50 Prozent senken zu wollen und etwa Öl statt Gas einzusetzen.
Füllstand der deutschen Erdgasspeicher bei fast 75 Prozent
Trotz der stark reduzierten Liefermengen aus Russland nähert sich der Füllstand der deutschen Erdgasspeicher laut eines Berichts der Deutschen Presse-Agentur weiter der 75-Prozent-Marke. Neue im Internet veröffentlichten Daten der europäischen Gasspeicher-Betreiber vom Freitag (5. August) zeigen, dass der Wert am vergangenen Mittwoch bei 70,4 Prozent lag. Der Füllstand wird immer mit zwei Tagen Verspätung gemeldet.
Eine neue Verordnung sieht vor, dass die deutschen Speicher am 1. September zu mindestens 75 Prozent gefüllt sein müssen. Seit Mittwoch vergangener Woche liegen die Liefermengen aus der Ostseepipeline Nord Stream 1 nur noch bei etwa 20 Prozent der Kapazität.
Verwendete Quellen:
- dpa-Meldung "Gasspeicher-Füllstand überschreitet 70-Prozent-Marke" (5. August 2022)
- ag-energiebilanzen.de: "Energieverbrauch verzeichnet deutlichen Rückgang" (2. August 2022)
- hertie-school.org: "Energiekrise in Deutschland: Industrie senkt Gasverbrauch deutlich stärker als Privathaushalte" (6. Juli 2022)
- zeit.de: "Deutschland spart überraschend gut" (4. August 2022)
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