Millionen Rentnern droht die Altersarmut. Nun will Arbeitsminister Hubertus Heil sein erstes Rentenpaket vorstellen. Aus Sicht des Instituts der deutschen Wirtschaft dürfte es vor allem eines werden: teuer.

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Deutschland steuert auf akute soziale Probleme zu. Eines davon ist die Altersarmut. Millionen Rentner sind betroffen. Eine Prognose des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt, dass das Risiko, im Alter arm zu sein, in den nächsten Jahren drastisch steigen wird. Bis 2036 um 25 Prozent. Regional gibt es dabei gravierende Unterschiede.

Das Risiko, im Alter eine Rente unterhalb der Armutsgrenze zu beziehen, werde sich vor allem in Ostdeutschland stark erhöhen – von 21 auf 36 Prozent, im Westen von 15 auf 17 Prozent. Damit ist das Armutsrisiko im Osten doppelt so hoch wie im Westen

Rentenniveau sinkt weiter

Jeder dritte ostdeutsche Neurentner würde demnach eine Rente unterhalb der Armutsgrenze beziehen. Diese liegt bei 958 Euro. Als armutsgefährdet gelten Menschen, deren Einkommen weniger als 60 Prozent vom Durchschnittseinkommen* der Bevölkerung beträgt.

Als Grund für die dramatische Entwicklung sehen die Experten Arbeitslosigkeit, versicherungsfreie Jahre, Niedriglohnjobs und die Rentenreformen der vergangenen Jahre.

Vor allem durch die Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors im Jahr 2004 wird das Rentenniveau (das Verhältnis von Rente zum Einkommen) in den nächsten Jahren kontinuierlich sinken – bis 2045 von 47,8 Prozent auf 41,6 Prozent.

Personen mit geringer Bildung und alleinstehende Frauen werden von Altersarmut besonders betroffen sein. Ebenso Menschen mit Migrationshintergrund und Langzeitarbeitslose. Von Sozialhilfe abhängig werden kann auch, wer durchgehend gearbeitet hat – also Geringverdiener. Dagegen muss entschieden vorgegangen werden.

Flexibles Rentenalter

Wer mindestens 45 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt hat, kann seit Juli 2014 ab 63 Jahren ohne Abschlag in Rente gehen. Allerdings wird diese Altersgrenze seitdem pro Jahr um zwei Monate angehoben, sodass die Jahrgänge ab 1964 erst mit 65 abschlagsfrei in Rente gehen können. Die "Rente mit 63" ist insofern etwas missverständlich.

Experten sehen die Regierung deshalb vor enormen Herausforderungen. Ein Punkt, den Karl Brenke, Arbeitsmarktforscher beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) den Verantwortlichen ans Herz legen: Schluss mit der steuerlichen und abgaberechtlichen Privilegierung von 450-Euro-Jobs.

Nach Einschätzung des IAB erweisen sich solche Mini-Jobs für Frauen oft als Bumerang: Sie würden damit um eine gesicherte Rente gebracht. Denn in die gesetzliche Rentenversicherung wird nichts eingezahlt.

Wie schwer der Kampf gegen die drohende Altersarmut ist, erläutern die DIW-Experten in ihrem Bericht. Darin haben die Forscher verschiedene Reform-Szenarien durchgespielt wie die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 46 Prozent oder Freibeträge für betriebliche und private Altersvorsorge.

Sie kommen zum Schluss, dass auch die durchgerechneten Reformen den allgemeinen Trend nicht stoppen können.

Allerdings hätten einige der Vorschläge das Potenzial, das Risiko für bestimmte Gruppen zu reduzieren. Insbesondere eine Reform der Erwerbsminderungsrente dürfte sich bemerkbar machen. Fazit der Forscher: Die Politik muss über individuellere Lösungen für entsprechende Risikogruppen nachdenken.

Geplante Maßnahmen

Im Koalitionsvertrag sind daher Leistungsverbesserungen vereinbart worden. Diese sollen bis zum 1. Januar 2019 umgesetzt werden. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will nun am Freitag seine Pläne für ein erstes Rentenpaket vorlegen.

Nach seinen bisherigen Ankündigungen sind damit Verbesserungen bei der Mütterrente geplant, für Erwerbsminderungsrentner, eine Entlastung von Geringverdienern bei den Sozialbeiträgen und eine Stabilisierung von Rentenniveau und Beitragssatz bis 2025.

Eine Grundrente für langjährig Versicherte und weitere Weichenstellungen für die Zeit nach 2025 sollen später folgen.

Einem Bericht des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND/Freitag) zufolge sehen Heils Pläne auch die Schaffung eines sogenannten "Demografiefonds" vor. Dieser soll im Bundeshaushalt von 2021 bis 2024 mit jährlich zwei Milliarden Euro aufgebaut werden, schrieb das RND unter Berufung auf den Entwurf für das Rentenpaket.

Der Fonds soll die Beitragsobergrenze "auch im Fall unvorhergesehener Entwicklungen" absichern. "Da die Stabilität des Systems der Altersvorsorge der ganzen Gesellschaft nutzt und daher eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, übernimmt der Staat über einen erhöhten Zuschuss aus Steuern zusätzliche Verantwortung", zitierte das RND aus dem Papier.

Allerdings warnte die Deutsche Rentenversicherung auf einer Vertreterversammlung vorsorglich davor, dass die Pläne der Koalition Milliarden kosten könnten. Bis 2025 wären "zusätzliche Steuermittel in zweistelliger Milliardenhöhe erforderlich, damit die im Koalitionsvertrag vorgesehenen Haltelinien zum Beitragssatz und zum Rentenniveau eingehalten werden können", sagte Alexander Gunkel, der Vorsitzende des Bundesvorstands.

Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat das Vorhaben kritisiert. "Das Gros der Maßnahmen ist nicht geeignet, um treffsichere Armutsprävention zu betreiben", sagte Jochen Pimpertz, Experte für soziale Sicherung bei dem arbeitgebernahen Institut, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. "Alles, was jetzt draufgesattelt wird, müssen jüngere Beitrags- und Steuerzahler zusätzlich zahlen."

(mit Agenturmaterial der dpa)

* Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde aktualisiert aufgrund eines Fehlers. In der Erstversion hatten wir geschrieben, dass diejenigen Menschen als armutsgefährdet gelten, deren Einkommen weniger als 60 Prozent der Durchschnittsrente beträgt. Es muss heißen: Durchschnittseinkommen.
Die Standardrente der allgemeinen Rentenversicherung 2018 (alte Bundesländer) wurde im April 2018 neu geschätzt. Sie beträgt 1.419,00 Euro. Die Bruttostandardrente ist von der RV definiert als "Rente, die ein Altersrentner im Monat brutto erhält, wenn er bis zum Renteneintrittsalter 45 Jahre lang genau durchschnittlich verdient hat".
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