Hat die Coronavirus-Pandemie weitreichende Auswirkungen auf den Miet-Wohnungsmarkt? Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt Immobilien-Experte Dr. Reiner Braun Tendenzen - und dass durch die Corona-Krise eine Einwanderungswelle aus Südeuropa zu erwarten sei.

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Quer durch alle Gesellschaftsschichten, über Altersgrenzen hinweg sind sie ein ständiges Thema: die steigenden Mieten in deutschen Großstädten. Schließlich wurde Wohnraum in den vergangenen Jahren immer teurer.

Dass die Frage nach bezahlbarem Wohnraum die Menschen bewegt, daran hat auch die Corona-Pandemie nichts geändert. Neu im Raum steht allerdings die Frage, welche Auswirkungen diese Krise auf den deutschen Mietmarkt haben wird?

Mieten in Corona-Zeiten: Viele Deutsche kommen aus der Kurzarbeit

Der Wohnungsmarkt dürfte in den nächsten zwei Monaten zum Erliegen kommen, hatte Michael Voigtländer laut "Münchner Merkur" Ende März gesagt. Der Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) war sich sicher: "Besichtigungen finden kaum statt, und Käufer halten sich zurück." Ist es so gekommen? Zeit, für eine Bestandsaufnahme.

Viele Bürger kommen gerade erst aus der Kurzarbeit, oder sind noch mittendrin. Laut Ifo-Institut waren es im Mai 7,3 Millionen, wie die "Welt" berichtet, dazu kommen manche Selbständige mit geringerem Einkommen als zuvor. Menschen, die Miete zahlen. Mieten, die weiter steigen - trotz Corona?

Experte Braun: Mieten in Deutschland gehen trotz Corona nicht zurück

Laut Dr. Reiner Braun von der empirica AG Forschung und Beratung stagnieren die Mieten. Und zwar unabhängig von der Coronavirus-Pandemie. "Gemessen am Zuzug wird ausreichend neugebaut. Das heißt, dass die Neuvertragsmiete nicht weiter steigt. Durch Corona kam es auch kaum zu Verzögerungen beim Neubau von Mietwohnungen", erklärt der Wohnungsmarkt-Experte im Gespräch mit unserer Redaktion: "In Deutschland wurde auch zu Corona-Hochzeiten weitergebaut, im Gegensatz zu Frankreich oder Italien. Durch Corona gibt es deshalb keine Effekte auf den Neubau und daraus resultierend keine zusätzliche Knappheit von Mietwohnungen."

Braun beobachtet den Wohnungs- und Mietmarkt mit seiner Beratungsgesellschaft seit vielen Jahren, kann Tendenzen und Entwicklungen abschätzen. Er meint: Der Höhepunkt ist erreicht. Kurzum: Durch Corona werden die Mieten nicht billiger, aber sie werden für die Allgemeinheit auch nicht weiter steigen. Ein Effekt der Coronakrise müsse aber noch abgewartet werden.

Corona-Krise: Mieten in „Ausweichregionen“ steigen weiter

"In den Schwarmstädten der ersten Stunde wird mittlerweile stark gebaut, weswegen sich die Mietsteigerungen beruhigt haben. Im Großen und Ganzen stagnieren die Mieten", erklärt Braun und meint mit besagten Städten Berlin, Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und Köln. Dazu würden auch "interessante Uni-Städte wie Freiburg, Münster oder Leipzig" zählen, erzählt der Volkswirt. In den ländlichen Regionen würde die Nachfrage dagegen grundsätzlich fallen, weswegen "die Mieten gleichbleiben".

Und doch gebe es Städte, in denen weiter mit steigenden Mieten gerechnet werden müsse, in sogenannten "Ausweichregionen", erklärt Braun. "Manche junge Leute sagen sich: 'Bevor ich nach Berlin oder München gehe und dort nichts finde, oder nur was völlig Überteuertes, studiere ich lieber in einer anderen Stadt.' Brandenburger zum Beispiel gehen nicht nach Berlin, sondern nach Chemnitz oder nach Magdeburg. Oder: Wenn sie nach Stuttgart oder Karlsruhe wollten, gehen sie zum Beispiel nach Pforzheim."

Es gelte aber auch hier: "Das ist die Situation ohne Corona", sagt er. "Ich bin der Meinung, dass aktuell die Mieten davon (von Corona, d. Red.) nicht wirklich berührt werden."

Einwanderungswelle durch Corona-Pandemie – plus Effekt auf die Mieten?

Was es durch Corona aber gebe, seien relative Preisänderungen, Tendenzen, die verstärkt würden. Konkret: "Im Coronavirus-Lockdown haben viele festgestellt: Ein eigener Balkon, ein Garten, eine große Wohnung mit Arbeitszimmer für das Home Office, ist ziemlich viel wert", erklärt Braun: "Wohnungen mit Garten und Balkon waren davor schon teurer. Wohnungen, die das bieten, werden im Mietpreis im Vergleich zu anderen Wohnungen steigen."

Und: Mittelfristig gebe es noch eine Auswirkung durch Corona. So vermuten Braun und sein Team, "dass durch die Corona-Krise eine neue Einwanderungswelle auf uns zukommt. Und zwar aus den Regionen, die besonders stark durch die Pandemie betroffen waren, vor allem aus Italien und Spanien", sagt er und schließt deshalb eine größere Nachfrage nach bezahlbaren Mietwohnungen langfristig nicht aus.

Deutschland komme offenbar besser durch die Corona-Krise, meint er: "Wir waren nicht so stark verschuldet, nehmen jetzt viel Geld in die Hand. Diese Möglichkeiten haben Italien und Spanien nicht in dem Ausmaß."

Verwendete Quellen:

  • Dr. Reiner Braun, empirica AG Forschung und Beratung
  • Merkur: Wegen Corona: „Rosige Zeiten für Vermieter sind vorbei“
  • Welt: 7,3 Millionen Deutsche in Kurzarbeit – der fatale Abwärtssog der Pandemie
Über den Experten:
Diplom-Volkswirt Dr. Reiner Braun ist seit 1994 Projektleiter und seit 2019 Vorstandsvorsitzender der empirica AG Forschung und Beratung (Berlin). Die Schwerpunkte seiner Arbeit liegen im Bereich Wohnungsmärkte, Einkommens- und Vermögensanalysen. Braun ist seit 2007 Mitglied im Verbandsrat des deutschen Verbandes für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung e.V., seit 2009 Mitglied im Arbeitskreis „Immobilienpreise“ des BBSR und seit 2010 Mitglied im Arbeitskreis Bau- und Wohnungsprognostik.




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