Corona bei Tönnies warf ein Schlaglicht auf die Zustände in Schlachthöfen. Jetzt will die Regierung durchgreifen. An den Verbrauchern dürften die geplanten Verschärfungen nicht spurlos vorübergehen.
Auf die Verbraucher in Deutschland kommen voraussichtlich höhere Preise für Fleisch aus Großschlachtereien zu. Grund sind geplante Gesetzesverschärfungen nach dem massenhaften Corona-Ausbruch beim Branchenriesen Tönnies in Nordrhein-Westfalen. Dadurch könnten Mehrkosten für die Unternehmen entstehen, heißt es in einem der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegenden Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums. Soweit diese Kosten auf die Verbraucher umgewälzt werden, "kann dies zu höheren Verbraucherpreisen in dem entsprechenden Segment führen", steht in dem geplanten Gesetzestext. Der Entwurf soll am kommenden Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen werden.
Wohl kein allzu drastischer Anstieg
Über das Ausmaß und den Umfang von möglichen Preissteigerungen stellt das Ministerium in seinem Entwurf keine Prognosen an. "Ein signifikanter Anstieg der Verbraucherpreise insgesamt dürfte auf Grund des Gesetzentwurfs nicht zu erwarten sein", heißt es dort lediglich.
Wie angekündigt, soll im Kern künftig gelten, dass die Unternehmen der Fleischindustrie in der Schlachtung, der Zerlegung und der Fleischverarbeitung kein Fremdpersonal mehr einsetzen dürfen. "Der Einsatz von Werkvertrags- sowie Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern ist damit künftig in diesen Bereichen nicht mehr zulässig", stellt der Entwurf klar. Bei Verstößen drohen Bußgelder.
Missstände
Das Ministerium führt eine Prüfung der NRW-Arbeitsschutzverwaltung an, bei der im vergangenen Jahr rund 8800 Rechtsverstöße entdeckt wurden. Arbeitnehmer arbeiteten teils 16 Stunden am Tag - und vielfach ohne Pause. Lohn wurde für Schutzausrüstung oder Miete einbehalten. Leidtragende waren vielfach osteuropäische Beschäftigte aus Werkvertragsunternehmen, die anders als in anderen Branchen im Kerngeschäft der Firmen eingesetzt waren. "Daneben werden, wenn auch in geringerem Umfang, Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer eingesetzt", heißt es im Referentenentwurf. Oft gebe es ein schwer durchschaubares Nebeneinander verschiedenster Beschäftigungsverhältnisse.
Weitere Regeln
Die Arbeitszeit soll in der Fleischindustrie künftig elektronisch aufgezeichnet werden. Um die oft miserable Situation bei der Unterkunft von Beschäftigten zu verbessern, "wird explizit klargestellt, dass die Unterbringung von Beschäftigten in Gemeinschaftsunterkünften auch außerhalb des Geländes eines Betriebs oder einer Baustelle branchenübergreifend Mindestanforderungen zu genügen hat", so der Gesetzentwurf weiter.
Ausnahmen
Handwerksbetriebe im Bereich Schlachtung, Zerlegung oder Fleischverarbeitung mit in der Regel nicht mehr als 30 Personen sollen von dem Verbot des Einsatzes von Fremdpersonal ausgenommen werden. Kontrollbehörden hätten hier keine Hinweise auf Missstände gefunden.
Arbeitsschutz
Auch über die Fleischwirtschaft hinaus soll der Arbeitsschutz verstärkt werden. Denn für Betriebsbesichtigungen fehlt es derzeit an Vorgaben - über Anzahl und Häufigkeit entscheiden die Arbeitsschutzbehörden nach eigenem Ermessen. "In der Praxis ist seit Jahren eine rückläufige Entwicklung bei der Zahl der von den Arbeitsschutzbehörden durchgeführten Betriebsbesichtigungen zu beobachten", steht im Referentenwurf. Ab dem Jahr 2026 solle eine verbindliche Besichtigungsquote von mindestens fünf Prozent der Betriebe eines Landes gelten. (mss/dpa)
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