Vor knapp zehn Jahren ist die Geschlechterquote beschlossen worden, um in deutschen Unternehmen mehr Frauen in Top-Positionen zu bringen. Was hat sich seitdem getan?
In den Vorständen der größten deutschen Börsenkonzerne sitzen so viele Frauen wie nie zuvor. Das geht aus einer Auswertung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft EY hervor.
Mit 136 Managerinnen besetzten demnach zum 1. Januar 2025 mehr Frauen als je zuvor Vorstandsposten in den 160 Unternehmen der Dax-Gruppe - 14 Frauen mehr als vor einem Jahr. Damit ist laut EY knapp jedes fünfte Vorstandsmitglied (19,6 Prozent) dieser Unternehmen weiblich. Im Zehn-Jahres-Vergleich wird der Anstieg deutlich: Im Januar 2015 saßen gerade einmal 25 Managerinnen in den Vorständen von Deutschlands Top-160-Dax-Unternehmen.
Vor knapp zehn Jahren hatte die damalige Bundesregierung gesetzliche Änderungen auf den Weg gebracht, die den Frauenanteil in Führungspositionen erhöhen sollten. So ist seit 2016 ein Teil der börsennotierten Unternehmen verpflichtet, bei der Neubesetzung von Stellen im Aufsichtsrat eine verbindliche Frauenquote von 30 Prozent einzuhalten.
Später wurden die Regelungen verschärft: Seit 2022 gilt das sogenannte Mindestbeteiligungsgebot für Vorstände. Es sieht vor, dass in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen mindestens eine Frau im Vorstand sitzen muss, sofern er mehr als drei Mitglieder hat. Allerdings fallen bislang nur Unternehmen mit mehr als 2.000 Beschäftigten unter diese Vorgabe.
Verbände wie die Organisation "Frauen in die Aufsichtsräte" (Fidar) fordern seit längerem eine Ausweitung, damit mindestens 2.000 Unternehmen zu den Vorgaben für Vorstände verpflichtet wären und nicht nur ein paar dutzend.
Laut Fidar hat sich der Frauenanteil in den Aufsichtsräten, wo bislang die strengste Quote gilt, in den vergangenen zehn Jahren fast verdoppelt. Die Organisation bezieht sich dabei sowohl auf die Top-160-Dax-Unternehmen als auch auf 19 weitere paritätisch mitbestimmte Konzerne. Während im Januar 2015 rund 20 Prozent Frauen in den Aufsichtsräten dieser Konzerne saßen, sind es nach Angaben der Organisation derzeit 37,2 Prozent.
Fidar-Präsidentin zu Parität: "Da sind wir noch lange nicht"
"Sicherlich hat sich in den letzten Jahren viel getan", sagt Fidar-Präsidentin Anja Seng. Wenn man sich jedoch das Ziel der Parität - also ein Gleichgewicht von Frauen und Männern in Führungspositionen - vor Augen führe, könne festgehalten werden: "Da sind wir noch lange nicht", sagt Seng. Sie sieht den Handlungsbedarf vor allem in Unternehmen, aber auch auf politischer Ebene.
Gesetzlich müsste aus ihrer Sicht nicht nur bei der Ausweitung der Quote nachgeschärft werden, sondern auch bei den Zielen, die sich Unternehmen für ihren Frauenanteil setzen müssen. Seit 2016 sind mehr als 2.000 Firmen dazu verpflichtet, eine Zielvorgabe für den Frauenanteil in Vorständen und im obersten Management festzulegen. Wenn sie die Zielvorgabe "Null" setzen, müssen sie das seit 2021, als das Gesetz erweitert wurde, begründen.
Seng verweist darauf, dass eine Begründung noch keine Konsequenzen nach sich ziehe: "Es müssen Sanktionen verhängt werden, wenn Unternehmen keine Zielgrößen benennen. Wir glauben, dass das funktioniert, weil damit auch eine Verbindlichkeit und Ernsthaftigkeit hergestellt würde".
Bundesfamilienministerin Lisa Paus ist von Quote überzeugt
Das Bundesfrauenministerium sieht seit Einführung des Führungspositionen-Gesetzes im Jahr 2015 "grundsätzlich eine positive Entwicklung", wie eine Sprecherin sagt. Familienministerin Lisa Paus (Grüne) hatte im vergangenen August betont, dass die Bundesregierung mangels politischer Mehrheiten vorerst keine weiteren Konzerne zu einer Frauenquote verpflichten wolle.
Von der Wirkung der Quote ist die Ministerin aber überzeugt: "Wo es eine klare Quote gibt, da funktioniert das. Wo es keine klare Quote gibt, bewegt sich wenig", sagte sie. Vor allem in der Privatwirtschaft besteht nach Angaben einer Ministeriumssprecherin noch Handlungsbedarf, insbesondere wenn ein Unternehmen noch keine Quotenvorgaben habe.
Zudem wies die Sprecherin darauf hin, dass Verstöße gegen Berichtspflichten über Zielgrößen, Begründungen und Fristen sanktionierbar seien: "Unternehmen und den zuständigen Organen, die die Zielgröße Null ohne die festgelegte Begründung berichten, drohen empfindliche Bußgelder." (dpa/bearbeitet von lla)
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