Die Anbindung im öffentlichen Nahverkehr wird aus Sicht vieler Bürger nicht besser, wie eine Studie zeigt. Auch im Rad- und Fußverkehr ist Luft nach oben. Ein "Weckruf" mehrerer Verbände.
Jeder dritte Bürger in Deutschland ist einer Studie zufolge unzufrieden mit dem Angebot im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) am eigenen Wohnort. 33 Prozent der Befragten verneinten die Frage, ob sie sich an ihrem Wohnort mit Bus und Bahn gut angebunden fühlen, wie aus dem Mobilitätsbarometer des Meinungsforschungsinstituts Kantar hervorgeht. Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, sprach von einem "Weckruf" für die Verkehrspolitik.
"Wir reden über elementare Grundbedürfnisse von Menschen, nämlich die Mobilität", betonte Flege. Mobil zu sein, sei für die soziale Teilhabe enorm wichtig. Das politische Ziel müsse deshalb eine Grundmobilität aller sein - unabhängig vom Wohnort und der Frage, ob sie ein eigenes Auto haben. Dies sei auch wichtig für den Zusammenhalt im Land.
Bei der repräsentativen Erhebung im Auftrag der Interessenverbände Allianz pro Schiene, BUND und Deutscher Verkehrssicherheitsrat wurden im September und Oktober 2024 mehr als 2.000 Menschen ab 14 Jahren telefonisch und online befragt.
Vier von fünf sehen keine Verbesserung ihrer ÖPNV-Anbindung
Eine Mehrheit gab an, dass ihre ÖPNV-Anbindung sich in den vergangenen Jahren nicht verbessert habe. Auf die Frage, ob sich die Anzahl der Abfahrten an der nächstgelegenen Haltestelle in den vergangenen fünf Jahren verbessert oder verschlechtert habe, antworteten 15 Prozent, dass sie sich verschlechtert habe. 68 Prozent sehen keine Veränderung. 17 Prozent sprachen von einer Verbesserung. "Es müssen also mehr Busse und Bahnen fahren, damit die Menschen auch tatsächlich umsteigen", sagte Flege.
"Der Ausbau des ÖPNV ist unumgänglich, auch im Sinne der Klimapolitik", sagte Tina Löffelsend vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Dass die Menschen den ÖPNV nutzen wollten, zeige auch das Deutschlandticket.
Anstatt mehr Fahrten anzubieten, prüfen derzeit allerdings mehrere Bundesländer, das Angebot im Nah- und Regionalverkehr zu reduzieren. Grund dafür sind unter anderem die gestiegenen Kosten für Personal, Instandhaltung und Energie.
Mehr Luft nach oben im Regionalverkehr sieht auch die Deutsche Bahn. "Das Angebot im ÖPNV kann noch besser werden", sagte Evelyn Palla, Vorständin Regionalverkehr bei dem bundeseigenen Konzern. "Und wenn es besser wird, fahren deutlich mehr Menschen mit Bus und Bahn".
Palla verwies auf das Pilotprojekt "Smile24" in Schleswig-Holstein, das Menschen auch abseits großer Städte und ohne eigenes Auto rund um die Uhr mobil machen soll. Dazu gibt es zusätzliche Buslinien, On-demand-Shuttles sowie Kurzzeitmieten von Autos und Rädern.
Sichere Radwege sind aus Sicht vieler Radler Mangelware
Die Teilnehmer der Umfrage wurden zudem gefragt, ob sie sich im Rad- und Fußverkehr sicher fühlen. Nicht einmal jeder Zweite (44 Prozent) gab an, dass ihm ausreichend sichere Radwege zur Verfügung stehen. Mehr als jeder vierte Radfahrer (27 Prozent) sieht in diesem Bereich Rückschritte und fühlt sich unsicherer als vor fünf Jahren. Fast die Hälfte (48 Prozent) sieht keine Veränderung, wohingegen sich jeder Vierte sicherer fühlt (25 Prozent).
Zu Fuß fühlt sich fast jeder Vierte (23 Prozent) unsicherer, 62 Prozent sehen keine Veränderung, und 15 Prozent fühlen sich sicherer als vor fünf Jahren. Manfred Wirsch, Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats, nannte die Zahlen erschreckend. "Der Fußverkehr muss der Prüfstein sein, ob unser Verkehrssystem denen, die am meisten Schutz benötigen, gerecht wird." Zu Fuß gingen Kinder zur Schule, zu Fuß gingen ältere Menschen und zu Fuß gingen Menschen mit Behinderung. "Wenn diese Menschen sich nicht sicher fühlen, nicht sicher zur Haltestelle gelangen können, dann verwehren wir ihnen Teilhabe am selbstbestimmten Leben." (dpa/bearbeitet von lla)
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