Das dritte Hilfspaket für Griechenland ist zum Greifen nahe. Die Athener Regierung gibt sich zuversichtlich, dass ihr Parlament noch in dieser Woche abstimmen kann. Doch davor gilt es noch einige Hürden zu überwinden.
Die Zuversicht ist groß an diesem Morgen in Athen. In der Nacht zum Dienstag haben die Delegationen der internationalen Geldgeber in der Verhandlung mit der griechischen Regierung Fortschritte erzielt. Deren Finanzminister Euklid Tsakalotos spricht von einer Grundsatzeinigung. Ganz so zuversichtlich sieht man dies in zumindest in Berlin aber nicht. Regierungssprecher
Ist das jetzt der Durchbruch in der Griechenland-Krise?
Jein. Zwar sind erste wichtige Punkte angesprochen und teilweise schon detailliert diskutiert worden – wie etwa der Primärüberschuss (siehe unten). Doch viele Einzelheiten müssen noch geklärt werden. Zudem fordern die Geldgeber die Umsetzung weiterer Reformen. So soll das Parlament noch am Donnerstag über Steueränderungen für die Reedereien, Maßnahmen gegen Steuerflucht sowie eine Deregulierung des Energiesektors, der immer noch in Staatshand ist, abstimmen. Erst, wenn die Voraussetzungen vollständig erfüllt sind, kann über das bis zu 86 Milliarden schwere Paket entschieden werden. Doch die Zeit drängt: Schon am 20. August muss Griechenland eine weitere Rate an die Europäische Zentralbank bezahlen. Bis dahin braucht das Land dringend frisches Geld.
Welche Schritte folgen, wenn die Verhandlungen abgeschlossen sind?
Zunächst muss das Parlament weitere Reformen verabschieden. Dann kann über das Hilfspaket selbst abgestimmt werden. Die Zustimmung der Mehrheitspartei Syriza steht aber auf wackligen Beinen – denn schon die ersten beiden Reformrunden, die Voraussetzung für die Aufnahme der Verhandlungen um ein drittes Hilfspaket waren, wurden von mehr als 30 Abgeordneten des Linksbündnisses nicht mitgetragen. Mit Hilfe der Opposition dürfte das Paket aber dennoch das Parlament passieren. Eine Sitzung der Eurogruppe am Freitag gilt als wahrscheinlich.
Welche Punkte müssen noch besprochen werden?
Der von den Gläubigern geforderte Privatisierungsfonds soll als Treuhänder den Verkauf staatlicher Anteile an Unternehmen sowie staatseigene Häfen und Flughäfen übernehmen. Wie viel Athen damit verdienen kann, ist schwer zu sagen: Die Geldgeber kalkulierten 50 Milliarden Euro an Einnahmen über die kommenden drei Jahre. Wahrscheinlich können aber nur wenige Milliarden umgesetzt werden. Ein Viertel der geplanten Summe soll in Form von Investitionen in die Wirtschaft fließen.
Ebenfalls ungeklärt bleibt bislang die Frage, wie man mit "faulen Krediten" umgehen will, die das hellenische Bankensystem stark belasten.
Zudem muss Griechenland eine Verwaltungsreform umsetzen – noch immer leidet der hellenische Staatsapparat an einer Überbesetzung bei großzügiger Bezahlung. Die Ausgaben für den riesigen Beamtenstab gehören zu den größten Posten des Haushalts.
Streit gibt es auch über das Ende der Subventionierungen für griechische Bauern. Athen will die Vergünstigen stufenweise herabsetzen, die Geldgeber fordern ein schnelles Ende der staatlichen Hilfen. Auch steuerliche Vorteile für die Landwirte soll es nach dem Willen der Kreditoren nicht mehr geben.
Was muss Athen umsetzen, wenn das Hilfspaket läuft?
Wenn die Voraussetzungen für das Paket geschaffen sind, muss Athen im Rahmen des Hilfsprogramms einem strengen Zeitplan folgen. Demnach sind weitere Strukturmaßnahmen vorgesehen, die das Land langfristig wieder wettbewerbsfähig machen sollen. An den umgesetzten Reformen sollen auch die jeweiligen Tranchen festgemacht werden, die Athen erhält.
Doch bislang bleibt die Athener Regierung einen solchen Zeitplan schuldig. So müssen bis Oktober weitere Teile der Rentenreform umgesetzt werden. Zudem sollen Apotheken, Bäckereien und der Milchmarkt – bislang allesamt stark reglementiert – liberalisiert werden. Eine weitere große Herausforderung stellt die Umstrukturierung des Arbeitsmarktes da.
Wie realistisch ist ein Primärüberschuss für das laufende Jahr?
In einem wesentlichen Punkt konnten sich die Geldgeber mit der Athener Regierung einigen. Die Haushaltsziele für die kommenden Jahre stehen. So soll Griechenland noch in diesem Jahr einen Primärüberschuss, also ein Haushaltsplus ohne Schuldendienst, von 0,25 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung erreichen.
Zwar sind die Geldgeber Griechenland in diesem Punkt deutlich entgegen gekommen. Dennoch dürfte es schwer werden, überhaupt einen Überschuss zu erwirtschaften: Denn durch die wochenlangen Bankenschließungen, die selbst großen Unternehmen schwer zu schaffen machten, weil sie keinerlei Überweisungen tätigen konnten, ist die Konjunktur stark eingebrochen.
Wirtschaftsexperten gehen derzeit davon aus, dass für dieses Jahr statt eines Wachstums von 2,6 Prozent, wie die EU-Kommission noch im vergangenen Herbst optimistisch prognostizierte, mit einer Rezession von zwei bis vier Prozent gerechnet werden muss. Zwar hat sich die vergangene Woche wiedereröffnete griechische Börse wieder gefangen – doch bis wieder Vertrauen in die hellenische Wirtschaft entsteht, bleibt noch ein langer Weg. Im kommenden Jahr soll Griechenland einen Primärüberschuss von 0,5 Prozent erzielen, 2017 soll dieser sich mit 1,75 Prozent mehr als verdreifachen. 2018 erwarten die Geldgeber einen Überschuss von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Schon in den vorherigen Hilfspaketen war man von zu optimistischen Wachstumszahlen ausgegangen. Ob das Land derart hohe Überschüsse in den kommenden Jahren erzielen kann, hängt stark davon ab, wie schnell sich die hellenische Wirtschaft erholt – und wie effektiv die Reformen umgesetzt werden. Griechenland steht ein harter Weg bevor.
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