Hohe Preise, schwächelnde Weltwirtschaft, eine zerstrittene Sparkoalition: Das Wirtschaftsforschungsinstitut erwartet in diesem Jahr nur noch ein Miniwachstum um 0,2 Prozent. Im Jahr 2025 könnte es dagegen wieder stärker bergauf gehen.
"Wie gelähmt" hat das Münchener ifo-Institut seine Frühjahrsprognose überschrieben. Die Botschaft ist klar: Die Konjunktur in Deutschland kommt nicht in Schwung.
Im vergangenen Dezember hatten die Ökonominnen und Ökonomen noch mit 0,9 Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr 2024 gerechnet. Inzwischen gehen sie nur noch von 0,2 Prozent aus. Deutschland stecke im Winterhalbjahr erneut in einer Rezession, sagte der stellvertretende ifo-Leiter und Konjunkturchef Timo Wollmershäuser am Mittwoch bei der Vorstellung der Prognose in Berlin.
Fuest fordert gemeinsame Wachstumsstrategie
Die Stimmung in Unternehmen und Haushalten sei schlecht, die Unsicherheit hoch. In anderen Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien sind Wirtschaft und Menschen ein ganzes Stück optimistischer, die Industrie habe dort den Tiefpunkt bereits hinter sich gelassen.
Für Deutschland ist das offenbar noch nicht der Fall. "Zu einer spürbaren wirtschaftlichen Erholung dürfte es erst in der zweiten Jahreshälfte kommen", so Wollmershäuser.
Die Gründe sind inzwischen hinlänglich bekannt: hohe Zinsen und Inflation, gedämpfte Konsumlaune in der Bevölkerung. Die eher mittelprächtige Weltkonjunktur kann die auf Export ausgerichtete deutsche Volkswirtschaft nicht nach oben ziehen. Auch die vielen Streiks belasten aus Sicht von Wollmershäuser derzeit die wirtschaftliche Aktivität.
Und dann wäre da noch das Erscheinungsbild der Ampelkoalition: Eine zerstrittene Bundesregierung und ihr Sparkurs wirken auf Investoren nicht gerade vertrauensfördernd – im Gegenteil.
"Die Unsicherheit über das, was die Politik tut, ist in Deutschland außerordentlich hoch – höher als in anderen Ländern", kritisierte ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Bundesregierung habe bisher keine gemeinsame Wachstumsstrategie. Fuest fordert unter anderem entschiedeneren Bürokratieabbau und bessere Anreize für private Investitionen.
Regierungssprecher
Ifo-Institut erwartet 1,5 Prozent Wachstum 2025
Immerhin erkennen die Wirtschaftsforscher auch Licht am Ende des dunklen Konjunkturtunnels. Trotz allgemeiner Kaufzurückhaltung stützt der private Konsum bereits jetzt die Konjunktur, von ihm erhoffen sich die Forscher jetzt auch Impulse für eine wirtschaftliche Erholung – zumal sich die Inflation inzwischen deutlich abschwächt. Für das Jahr 2025 erhöht das ifo-Institut seine Konjunkturprognose um 0,2 Prozentpunkte und geht jetzt von 1,5 Prozent Wachstum aus.
Stabiler Arbeitsmarkt
Widerstandsfähig zeigt sich der Arbeitsmarkt: Trotz der wirtschaftlichen Flaute wird die Zahl der Beschäftigten dem ifo-Institut zufolge von 45,9 auf 46,1 Millionen Menschen in diesem Jahr weiter steigen. Bei der Zahl der Arbeitslosen gehen die Wirtschaftsforscher ebenfalls von einem Wachstum von 2,6 auf 2,7 Millionen Menschen aus. Die Arbeitslosenquote könnte demnach in diesem Jahr von 5,7 auf 5,9 Prozent steigen – im Jahr 2025 dann aber wieder auf 5,6 Prozent sinken.
Das Thema zeigt aber auch: Ökonomie ist keine exakte Naturwissenschaft – und die Zukunft kann niemand vorhersagen. Die Konjunktur ist deshalb immer eine Frage der Einschätzung. Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zum Beispiel blickte im Januar noch skeptischer in die Zukunft – und befürchtete eine Steigerung der Arbeitslosenquote auf 6,2 Prozent in diesem Jahr.
Konjunkturexperte Wollmershäuser ist aber überzeugt: Angesichts der schwächelnden Wirtschaft sei die Arbeitslosigkeit weiterhin gering. Wenn die Zahl der Arbeitslosen in den vergangenen Jahren leicht gestiegen ist, so liege das Plus vor allem an den geflüchteten Menschen aus der Ukraine. Im Gegensatz zu anderen Flüchtlingen stehen sie dem Arbeitsmarkt theoretisch direkt zur Verfügung, können bisher aber nur schleppend integriert werden.
Die relativ niedrigen Arbeitslosenzahlen haben vor allem einen Grund, der wiederum die Wirtschaft belastet: der Fachkräftemangel. Viele Unternehmen suchen händeringend Arbeitskräfte. Das behindere vielerorts die Produktion, sagte Wollmershäuser. "Der Fachkräftemangel ist immer noch sehr viel höher als im Durchschnitt der letzten 20 Jahre."
Verwendete Quellen
- Pressekonferenz des ifo-Instituts
- Regierungspressekonferenz in der Bundespressekonferenz
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