Was haben James Blunt und die höchste Dichte an Vier-Sterne-Hotels in Österreich gemeinsam? Richtig: Ischgl. In einem der bekanntesten Tiroler Wintersportorte geht Ende November der jährliche Ski-Wahnsinn los. Touristen wohin man schaut, Apres-Ski und Shopping bis zum Umfallen. Verkauft das einstige Bergbauerndorf angesichts des touristischen Trubels seine Seele?
Ischgl ist jenseits der Wintermonate ein beschauliches Tiroler Dorf. Fast idyllisch winden sich Gässchen zwischen den Häusern - wäre da nicht die Bergbahn im Hintergrund. Spätestens ab dem letzten Novemberwochenende verwandelt sich Ischgl mit dem Start in die Skisaison in das Mekka für alle Sportler und Feierwütigen. Am kommenden Samstag wird Superstar
Die Marke Ischgl
Wer nach Ischgl fährt, kommt nicht nur zum Skifahren. Dafür würde es auch Brixen im Thale oder die Axamer Lizum tun. Ischgl ist ein Statement. Oder, um es mit Steibls Worten auszudrücken: "Ischgl steht als Marke für bestimmte Bedürfnisse, und wenn man diese Bedürfnisse sucht und hat, dann gibt es keine Alternative zu Ischgl."
Um diese "Bedürfnisse" zu befriedigen, tut sich Ischgl mächtig etwas an: Von der Pardatschgratbahn, einer der modernsten Seilbahnen der Welt, bis hin zu James Blunt, der Trofana-Bar, 12.000 Gästebetten, James Blunt, der höchsten Dichte an Vier-Sterne-Häusern und natürlich James Blunt.
Steibl fasst all das als "Anderssein" zusammen: "Dieses 'anders' ist ein Differenzierungsmerkmal zu allen anderen Skiorten. Wir haben ein gewaltiges Skigebiet, zudem den Entertainment-Charakter und die Konzerten. Das macht Ischgl einfach einzigartig."
Von Petrus und Russen
Etwas, das noch weniger zusammenpasst als James Blunt und Skisport ist der Klimawandel und Skifahren. Und so ist auch im "Ibiza der Alpen" nicht alles "der Wahnsinn": 2014 wird in Österreich mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit das wärmste Jahr seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen. Grund zur Sorge? Für Tourismusdirektor Steibl jedenfalls nicht, hat er doch – wenn schon nicht Petrus – zumindest die Technik auf seiner Seite: "Wir können fast 100 Prozent unseres Skigebietes beschneien."
Dass man nur auf Kunstschnee fahre, sei selten, weil über 80 Prozent des Skigebiets auf über 2.000 Meter liegen und deshalb ausreichend Naturschnee vorhanden sei. Auch mit den Konzerten im hochalpinen Gelände würde man niemanden stören, "auch nicht die Umwelt". Allerdings wird das Thema Nachhaltigkeit durchaus mitgedacht: So legt Ischgl großen Wert darauf, nicht nur mit dem Auto für die Gäste gut erreichbar zu sein.
Dass der Schnee in Ischgl tatsächlich bald ausbleibt, ist in der Tat unwahrscheinlich. Alle, die also ihren Skiurlaub schon gebucht haben, müssen nicht über Kunstschneehügel rutschen. Viel realistischer ist da ein Ausbleiben der Gäste, genauer gesagt der russischen Gäste. Die Ukraine-Krise scheint auch an Tirol nicht spurlos vorüber zu gehen. Die Abwertung des Rubels macht den Winterurlaub für Russen spürbar teurer. "Man sieht, dass die Nachfrage bei der Mittelschicht geringfügiger geworden ist", sagt Steibl vor einigen Tagen im Gespräch mit "Orf.at". "Da werden wir wahrscheinlich auch Einbußen haben. Wir rechnen mit einem Minus von 20 bis 25 Prozent".
Apres-Ski gehört zu den Tiroler Wintersportorten wie die Pommes zum Schnitzel: Was in Ischgl die Trofana-Bar ist, ist in Kitzbühel das Take Five und in Sölden das Fire and Ice. Ischgl ist auch bei weitem nicht das einzige Tiroler Dorf, das seinen Rhythmus in den Wintermonaten in erster Linie nach den Wünschen der Gäste ausrichtet. Der Faktor Umwelt bleibt zweifellos der größte Makel des Skitourismus, ob nun auf der Idalpe oder dem Hahnenkamm.
Dass Ischgl den Entertainment-Faktor als als ebenso wichtig erachtet wie den Skisport, hat schlicht mit gutem Marketing zu tun. Und genau darin besteht der Unterschied zwischen der Marke Ischgl und Sölden, Westendorf oder St. Christoph.
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