Wohin nur mit den Kindern? Hunderttausende Eltern stehen an diesem Freitag vor verschlossenen Kitas – in ganz Deutschland streiken die Erzieherinnen. Doch warum streiken die Erzieherinnen der Kitas? Was fordern die Arbeitnehmer und wie lange soll der Streik dauern? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.
Erst die Bahn, jetzt auch noch die Kitas: Wer in diesen Tagen Kinder hat und mit dem Zug zur Arbeit fährt, wird auf eine harte Probe gestellt. Nicht nur, dass seit Anfang der Woche die Lokführer der Deutschen Bahn streiken – seit diesem Freitag kommen auch noch die Erzieherinnen* in kommunalen Kindertagesstätten hinzu. In ganz Deutschland müssen sich Eltern deshalb eine alternative Betreuung für den Nachwuchs suchen.
Die gesamte Republik ist derzeit ein einziges Streikland, so scheint es vielen. Sie wundern sich: Warum streiken die Erzieherinnen der Kitas?
Welche Kitas sind von dem Streik betroffen?
Bestreikt werden nur Kitas in öffentlicher Hand – also von Verbänden, Behörden oder gemeinnützigen Vereinen. Die öffentlichen Träger kommen auf rund 17.500 Tagesstätten, in denen rund 1,8 Millionen Kinder betreut werden. Das ist jedoch nur etwa ein Drittel aller Kitas in Deutschland. Das Statistische Bundesamt zählte 2014 insgesamt 53.415 Einrichtungen mit rund 3,2 Millionen Kindern. Wer für seine Kinder einen privaten oder freien Kindergarten (zum Beispiel von Kirchen, Caritas oder Diakonie) ausgesucht hat, bleibt von dem Streik verschont. Und: In den bevölkerungsreichsten Bundesländern Bayern und Nordrhein-Westfalen sowie in Mecklenburg-Vorpommern soll der Streik erst am Montag beginnen.
Warum wird gestreikt?
Wie so häufig geht es ums Geld: Verdi und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordern mehr Lohn. Zusammen vertreten die Gewerkschaften rund 240.000 Mitarbeiter kommunaler Einrichtungen. Ziel ist jedoch nicht eine prozentuale Lohnerhöhungen, sondern die Einteilung in eine höhere Entgeltgruppe. Erzieherinnen könnten so durchschnittlich zehn Prozent mehr Gehalt bekommen, in manchen Fällen sogar bis zu 15 Prozent. Man ließe "sich nicht länger hinhalten und lediglich mit guten Worten abspeisen", sagte der Verdi-Chef Frank Bsirske. Zuvor waren bereits fünf Verhandlungsrunden gescheitert.
Wie begründen die Gewerkschaften ihre Forderung?
Die Gewerkschaften argumentieren, dass der Lohn von Erzieherinnen in den vergangenen Jahren weniger gestiegen sei als in anderen Berufen. Zwar habe das Einstiegsgehalt zwischen 2004 und 2013 um 14 Prozent zugenommen – für andere Arbeitnehmer habe der durchschnittliche Anstieg für diesen Zeitraum jedoch bei 21,2 Prozent gelegen. Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) hält die Forderungen mit Mehrkosten von etwa 1,2 Milliarden Euro allerdings für unbezahlbar.
Was verdienen Erzieherinnen überhaupt?
Die Einstiegsgehälter schwanken. Für Einrichtungen mit vielen Beschäftigten weist der Lohnspiegel der Hans-Böckler-Stiftung 2.537 Euro für Westdeutschland und 2.261 Euro für den Osten aus. Der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst, Sozial- und Erziehungsdienst kommt für die entsprechende Stufe S6 auf ein Grundgehalt von 2.367 Euro. Verdi setzt zwischen 1.800 Euro und 3.100 Euro im Monat an. All diese Angaben sind brutto – aber rund 60 Prozent der Erzieherinnen arbeiten nur Teilzeit und kommen netto deshalb auf weniger.
Wie lange soll der Streik dauern?
Das ist völlig offen. Bisher ist nur Freitag als Starttermin gesetzt, danach soll es unbegrenzt weitergehen – so lange, bis die Arbeitgeber ein Angebot vorlegen würden. Der Streik werde "in vielen Einrichtungen zunächst dauerhaft fortgeführt – notfalls auch über Pfingsten", kündigte Bsirske an. Hält die Gewerkschaft Wort, müssten sich Eltern auf einen langen Arbeitskampf einstellen: Pfingstsonntag ist dieses Jahr am 24. Mai.
Werden noch andere Probleme in den Kitas kritisiert?
Ja, vor allem der Betreuungsschlüssel: Der zeigt auf, um wie viele Kinder sich eine Erzieherin kümmern muss. Einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge kommen im Westen auf eine Mitarbeiterin statistisch etwa 3,8 Kinder, im Osten hingegen 6,3. Zu viele, sagen Experten – empfohlen werden drei Kinder. Dabei sieht es in der Praxis häufig sogar noch schlechter aus, etwa wenn Erzieherinnen krank oder im Urlaub sind. Für eine optimale Betreuung wären laut Studie rund 120.000 neue Vollzeitstellen nötig – und das würde weitere fünf Milliarden Euro kosten.
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