Streiks bei der Deutschen Bahn und der Lufthansa belasten die Nerven von Reisenden und nähren zunehmend die Diskussion um die Reform des Streikrechts.

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Für Bahnkunden, Unternehmen und Fluggäste kommt es gleich zu Wochenbeginn ganz dick: Am Montagabend, 18 Uhr, startet ein 24-stündiger Warnstreik der Gewerkschaft GDL im Güterverkehr der Bahn. Am frühen Dienstagmorgen, um 2 Uhr, folgt der Personenverkehr. Auch dieser Ausstand soll 24 Stunden dauern.

Und kaum ist der Warnstreik beim Bodenpersonal zu Ende gegangen, ruft die Kabinengewerkschaft Ufo die rund 19.000 Flugbegleiter der Lufthansa und der Lufthansa Cityline für diesen Dienstag und Mittwoch zum Streik auf. Bestreikt werden jeweils von 4 bis 23 Uhr am Dienstag alle Abflüge von Frankfurt und am Mittwoch alle Abflüge von München, wie Ufo mitteilte.

Kurzfristig angesetzter GDL-Streik stellt Bahn vor Schwierigkeiten

Das Ultimatum an die Führung der Deutschen Bahn war am Sonntagabend gerade etwas über zwei Stunden abgelaufen, da kündigte die GDL den neuerlichen Warnstreik an. Gewerkschaftschef Claus Weselsky hatte zuvor bereits gedroht, der Bahn und den Fahrgästen künftig deutlich weniger Vorlauf zu lassen, um sich auf den Arbeitskampf einzustellen.

Die Deutsche Bahn kritisierte die kurzfristige Ankündigung von Warnstreiks scharf. Die GDL mache ihre Drohung wahr, Streiks nicht mehr 48 Stunden vorher anzukündigen, teilte das Unternehmen am Sonntagabend in Berlin mit. "Das ist für Millionen von Bahnreisenden und die Wirtschaft eine blanke Zumutung." Der Streik werde sich erneut massiv auf den gesamten deutschen Bahnbetrieb auswirken. Die DB versuche trotz des kurzen Vorlaufs, für den Fern-, Regional- und S-Bahn-Verkehr wieder ein Grundangebot anzubieten, hieß es weiter. Im Fernverkehr sollen demnach längere Züge mit mehr Sitzplätzen eingesetzt werden.

Zudem kündigte die Bahn am Montag an, eine einstweilige Verfügung gegen den geplanten Ausstand zu beantragen. Dem Arbeitsgericht in Frankfurt zufolge soll über den Antrag ab 16.30 Uhr verhandelt werden. Die Deutsche Bahn kritisiert die "viel zu kurze Vorlaufzeit von nur 22 Stunden". Diese sei für die Fahrgäste eine "blanke Zumutung".

Aufgrund des eingeschränkten Angebots rät die DB, bei Reisen im Fernverkehr frühzeitig einen Sitzplatz zu reservieren. Im Regional- und S-Bahn-Verkehr sei es ebenfalls das Ziel, ein Grundangebot zu fahren. In welchem Umfang dies möglich ist, unterscheide sich regional stark. Es werde auch im Regionalverkehr auf jeden Fall massive Einschränkungen geben.

Bahn legt kein neues Angebot vor

Weiter hieß es, alle Fahrgäste, die bis einschließlich 10. März ein Ticket für eine Reise am 12. März gekauft haben und diese aufgrund des GDL-Streiks verschieben möchten, können ihr Ticket zu einem späteren Zeitpunkt nutzen. Die Zugbindung ist demnach aufgehoben. Das Ticket gilt dabei für die Fahrt zum ursprünglichen Zielort auch mit einer geänderten Streckenführung. Sitzplatzreservierungen können kostenfrei storniert werden.

Zudem haben Fahrgäste im Fernverkehr im Rahmen einer Sonderkulanz auch die Möglichkeit, ihre Reise vorzuverlegen und ab sofort zu fahren. Generell bat die DB die Reisenden, sich vor Fahrtantritt über ihre Verbindung zu informieren.

Die Bahn hatte die GDL am Freitag zur Wiederaufnahme der Verhandlungen aufgefordert. Die GDL hatte Bereitschaft bekundet, unter der Voraussetzung, dass die Bahn ihr bis Sonntagabend um 18 Uhr ein neues Angebot unterbreite. Die Bahn ging darauf nicht ein und erneuerte lediglich ihr Angebot an die GDL zur Wiederaufnahme der Tarifverhandlungen an diesem Montag. Angebote und Lösungen könnten direkt am Verhandlungstisch unterbreitet und erörtert werden.

Der Chef des Fahrgastverbands Pro Bahn, Detlef Neuß, sagte der "Rheinischen Post" zu dem Warnstreik: "Damit schädigt die GDL die Akzeptanz für Streiks im öffentlichen Dienst." Zugleich forderte Neuß den Bund zum Handeln auf. "Die Politik ist als Eigentümer der DB AG aus unserer Sicht zu zurückhaltend." Auch müsse jetzt alles für eine Schlichtung getan werden.

Bundesregierung will sich aus Streiks raushalten

Die Bundesregierung will trotz der jüngsten Eskalation keinen Einfluss auf den Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn nehmen. "Wir mischen uns in Tarifverhandlungen grundsätzlich nicht ein", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. "Es gibt Tarifautonomie in Deutschland. Die gilt auch, wenn es unbequem wird." Deutschland fahre seit mehr als sieben Jahrzehnten gut mit dieser Regelung.

Die Tarifparteien seien aufgerufen, zu vernünftigen und möglichst raschen Lösungen zu kommen, fügte Hebestreit hinzu. Sie sollten immer im Blick behalten, dass von den Streiks viele Menschen betroffen sind.

Änderungen am Streikrecht strebt die Regierung den Angaben zufolge nicht an, auch nicht im Bereich der sogenannten kritischen Infrastruktur. Ein Sprecher des Bundesverkehrsministeriums erneuerte die Forderung des Ministers Volker Wissing (FDP), ein förmliches Schlichtungsverfahren einzuleiten. Der Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, überspanne den Bogen immer weiter. Wissing sagte: "Streiken anstatt zu verhandeln, ist verantwortungslos. Die GDL muss reden und Kompromisse ausloten."

Selbst dem verkehrspolitischen Sprecher der SPD, Detlef Müller, reicht es wohl. Er reagierte auf die Streikankündigung auf X so: "Natürlich. Und natürlich ohne erst zu verhandeln. 6. Streik, 5 Monate Tarifauseinandersetzung. Schaden für Wirtschaft immens, für Fahrgäste sowieso. Forderungen nach gesetzlichen Grenzen werden lauter werden. Inzwischen nachvollziehbar."

Unverständnis auch in der Industrie

Die deutsche Chemieindustrie warnt vor den Folgen der wiederholten Streiks der GDL für die Wirtschaft. "Mit solchen Aktionen wird der ohnehin schon angeschlagene Wirtschaftsstandort Deutschland weiter schwer belastet. Stillstand auf der Schiene können wir uns einfach nicht mehr leisten", sagte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Er appellierte an die Beteiligten, "nach Monaten der Verhandlung endlich einen tragbaren Kompromiss zu finden".

Für die chemisch-pharmazeutische Industrie bedeuteten die von der GDL angekündigten Bahnstreiks "ohne ausreichend Vorwarnung" erneut eine große logistische Herausforderung. Die Branchenunternehmen setzten alles daran, dass ihre Transporte möglichst reibungslos verliefen. "Die durch den Ausstand verursachten Einschränkungen und Verzögerungen in der Bahnlogistik sind aber nur schwer zu kompensieren", sagte Große Entrup. (dpa/the)

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