Die deutsche Wirtschaft könnte sich schneller vom Corona-Schock erholen, als viele dachten. Das lesen Volkswirte von vielversprechenden Frühindikatoren ab. Ein Institut sieht jedoch schwere Mängel bei den Corona-Hilfen.
Die Konjunktur in Deutschland ist nach Auffassung von Volkswirten führender Finanzinstitute nach dem Corona-Einbruch auf Erholungskurs. Dennoch sei für diesen Herbst eine Insolvenzwelle zu erwarten. Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) warf der Bundesregierung unzureichende Hilfen für Unternehmen vor. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) deutete an, dass Firmen und Arbeitnehmer wohl längere Zeit leichter auf Kurzarbeit zurückgreifen können.
"Die Frühindikatoren stimmen optimistisch", sagte Marc Schattenberg von der Deutschen Bank in einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur. Das zweite Quartal, in das der Höhepunkt der Corona-Krise fiel, sei überraschend robust verlaufen. Katharina Utermöhl von der Allianz-Gruppe sagte mit Blick auf jüngste Indikatoren: "Die Rezession ist vorbei." Die deutsche Wirtschaft liege nicht mehr auf der Intensivstation. Die Lage bleibe aber kritisch, Rückschläge seien nicht auszuschließen.
Das zweite Halbjahr wird für Exporte schwierig
Auch der Export habe wieder angezogen, die Ausfälle etwa im China-Geschäft seien nicht so groß wie befürchtet, sagte Schattenberg. Dennoch warnte er: "Im zweiten Halbjahr werden auch handelspolitische Risiken wieder in den Fokus rücken." Die Nachricht, dass ein ungeordneter Brexit nach Ende der Übergangsfrist Ende des Jahres wahrscheinlich sei, sei nicht gut, betonte er. Mit großer Unsicherheit werde die Entwicklung in den USA beobachtet, wo die Corona-Krise mit besonderer Wucht Schaden anrichtet.
Der bayerische Ministerpräsident
Die Stärke Deutschlands sei der industrielle Bereich. "Aber es werden zurzeit keine Flugzeuge bestellt, weniger Autos verkauft - und große Maschinen finden kaum Absatz. Solange sich die desaströse Lage in den USA und Lateinamerika nicht verbessert, springt der internationale Markt nicht wie gewohnt an."
Söder denkt schon an neue Maßnahmen
In Deutschland müsse man deswegen nach den Sommerferien überprüfen, welche Maßnahmen zur Stützung der Wirtschaft noch nötig seien. "Wir müssen im Herbst einen Corona-TÜV machen und schauen, was bisher gewirkt hat und was fehlt", sagte Söder.
Arbeitsminister
Zuletzt waren mehr als 6,83 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Im März waren es erst 2,49 Millionen. Heil will nun über die Ausgestaltung der Kurzarbeit im Jahr 2021 reden. "Wir wollen Anreize setzen, dass für diejenigen, die länger in Kurzarbeit sind, die Zeit sinnvoll mit Weiterbildung genutzt wird." In der ersten Phase des konjunkturellen Einbruchs sei dies auch deshalb nicht gegangen, weil Weiterbildung aus Gründen des Infektionsschutzes nicht habe angeboten werden können.
IfW: Politik hat sich mit Coronahilfen verzettelt
Nach Ansicht des IfW in Kiel hat sich die Politik bei ihren Hilfen verzettelt. "Das Konjunkturprogramm hat 57 Positionen. Aus stabilisierungspolitischer Sicht ist es nicht zweckmäßig, weil es nicht dort ansetzt, wo die Unternehmen die größten Probleme haben", urteilte der Leiter des Prognosezentrums am IfW, Stefan Kooths.
Sachgerecht wären aus Kooths Sicht vor allem Eigenkapitalhilfen in Form von Zuschüssen. "Jeder Monat ohne ausreichende Umsätze frisst sich ins Eigenkapital der Unternehmen." Dabei gebe es große Unterschiede. So sei die Bauwirtschaft wenig betroffen, Gastronomie oder Messebauer hingegen stark, und beim verarbeitenden Gewerbe einige Unternehmen gar nicht, andere enorm.
Kooths kritisierte, dass die Koalition etwa mit der Mehrwertsteuersenkung auf Anreize für den Massenkonsum setze. Denn tatsächlich gebe es Kaufkraft - zurückgestaut durch die Shutdown-Maßnahmen. "Die coronabedingte Zusatzersparnis beträgt rund 130 Milliarden Euro in diesem Jahr."
Als Fehler kritisierte es der IfW-Konjunkturchef, dass die Anzeigepflicht für Insolvenzen bis September ausgesetzt wurde. Noch seien die Insolvenzzahlen auf sehr niedrigem Niveau. Die Unternehmen seien gut aufgestellt in die Krise gegangen. "Aber mit jedem Monat schwindet die Stabilität." Nun fehle der Seismograph für die Folgen und ein mögliches Abflauen der Krise. "Ab Oktober steht daher eine Insolvenzwelle zu befürchten." (dpa) © dpa
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