In einem der größten Milchviehbetriebe Bayerns herrschen offensichtlich grausame Zustände. Videoaufnahmen belegen, wie Kühe gequält werden. Die Staatsanwaltschaft wurde eingeschaltet.
Einheimische und Touristen lieben das Allgäu, einen der landschaftlich reizvollsten Flecken Bayerns und der ganzen Republik. Wie so oft aber trügt die Idylle, die in diesem Fall aus sattgrünen Wiesen, strahlender Sonne, blauem Himmel und einem wunderbaren Berg-Panorama besteht.
In dieses Bild gehören auch die berühmten glücklichen Kühe, die gesund und vital auf den sattgrünen Wiesen weiden. Kaum ein Werbespot für Milch, Butter oder Käse kommt ohne diese Suggestion aus.
Bad Grönenbach: Grausamkeiten gegen Milchkühe
Aus Bad Grönenbach im schwäbischen Landkreis Unterallgäu stammen Video-Aufnahmen, die das Verbrauchern ohnehin nur schwer glaubhaft zu vermittelnde Bild von den glücklichen Kühen zerstören.
Dort, in einem anerkannten Kneippkurort, hat sich Franz Endres zum sogenannten "Bossenbauer" entwickelt, wie die "Süddeutsche Zeitung" in ihrem Exklusiv-Bericht schreibt. Der Familie Endres gehören inzwischen 1.800 Kühe. Normal sind in Bayern um die 40 Tiere, deutschlandweit im Schnitt 65.
Wie Endres mit seinen Kühen umgeht, ist am Dienstagabend, 9. Juli, ab 21:45 Uhr im Rahmen des ARD-Politmagazins "Report Mainz" zu sehen.
Es werden Bilder zu sehen sein, deren Betrachtung starke Nerven erfordert. Sie sind über einen Zeitraum von zehn Tagen entstanden und stammen von der Augsburger Organisation Soko Tierschutz.
Prof. Holger Martens, ein Experte für Rinderhaltung, hat die Aufnahmen für die ARD und die "SZ" begutachtet. Er kam zu folgender Einschätzung: "Ich habe solche Bilder noch nie gesehen. Sie sind nicht akzeptabel. Das sind unerträgliche Zustände. Das verstößt eindeutig gegen die bestehenden Gesetze. Es ist bedrückend."
Franz Endres und dessen Sohn Martin setzen sich hinsichtlich der Behandlung vor allem auch erkrankter Tiere offensichtlich über Tierschutzverordnungen, seien sie europäisch oder deutsch, hinweg.
Die amtlichen Veterinäre aus Mindelheim stellten in Folge einer anonymen Anzeige Anfang Juni bei Kontrollen zwar Verstöße gegen das Tierschutzrecht fest und hielten Endres dazu an, die festgestellten Mängel umgehend zu beheben.
Zu mehr als zum Erheben von Bußgeldern gegen den Milchbauern "wegen Verstößen gegen die Tiergesundheit" hat es jedoch schon in der Vergangenheit nicht gereicht.
"Die Kontrollen sind immer nur Momentaufnahmen", erklärt das Veterinäramt. "Wir können bei keinem Betrieb rund um die Uhr vor Ort sein."
Die Käserei Champignon ist alarmiert
Die Milch, die den Endres-Betrieb verlässt, findet der Verbraucher vorzugsweise in Erzeugnissen der Käserei Champignon und dort in beliebten Produkten wie dem Ofenkäse "Rougette" und dem Weichkäse "Cambozola". Die Käserei aus Lauben im Landkreis Oberallgäu droht seit dem Bekanntwerden der Vorwürfe bereits mit der "Beendigung der Lieferbeziehungen". Sie verarbeitet jährlich 200.000 Tonnen Milch.
Fleisch von Kühen, die aufgrund ihres körperlichen Zustands in den Krankenstall verfrachtet worden sind - und dies, wie Aufnahmen zeigen, mit unvorstellbarer Gewalt - soll zudem in den Handel gelangt sein. Dies bestätigte laut dem "SZ"-Bericht der Schlachthof Vion in Buchloe. Ein Tierarzt habe das Fleisch einer betreffenden Kuh "für den menschlichen Verzehr" freigegeben.
Bayerns Verbraucherschutzminister Thorsten Glauber von den Freien Wählern sitzt seit dem 12. November 2018 im Kabinett des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder. "Zum ersten Mal in meiner Amtszeit werde ich mit derartig schweren Vorwürfen gegen einen konkreten Betrieb konfrontiert", sagt Glauber, gebürtig aus Forchheim in Oberfranken. "Der Sachverhalt muss sofort umfassend aufgeklärt werden."
Glauber hat den Verdachtsfall der Staatswanwaltschaft zur Untersuchung übergeben, mehrere Sonderkontrollen angeordnet und bei der zuständigen Regierung von Schwaben einen Sonderbericht angefordert: "Tierquälerei ist nicht hinnehmbar", betont der 48-Jährige.
Die Staatsanwaltschaft Memmingen bestätigte am Dienstag, mit den Ermittlungen begonnen zu haben. Sie prüft die Echtheit der Aufnahmen der Soko Tierschutz.
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