Die Angst vor einem Warnstreik bei Bahnkunden war groß. Der Tarifkonflikt soll nun per Schlichtung beigelegt werden. Was das für Fahrgäste heißt und wie die Erfolgschancen stehen.
Auch nach mehr als 100 Stunden Verhandlung und zwei Warnstreiks kam kein neuer Tarifvertrag bei der Deutschen Bahn zustande - nun soll per Schlichtung der Tarifkonflikt beigelegt werden. Die gute Nachricht für die Fahrgäste: Weil die Schlichtung und eine anschließende Urabstimmung der Verkehrsgewerkschaft EVG einige Wochen dauern wird, sind Streiks bis Ende August ausgeschlossen. Die Beschäftigten bei der Bahn müssen derweil noch einige Zeit warten, bis sie mehr Geld überwiesen bekommen.
Die Schlichtung beginnt an einem unbekannten Ort, auch darüber hinaus haben die Bahn und die EVG zu fast allen Details des Verfahrens Stillschweigen vereinbart. Die Schlichter sollen bis Ende Juli in Ruhe und ohne mediale Aufmerksamkeit am komplexen Tarifwerk arbeiten können.
Keine Streiks bis Ende August - ist das sicher?
Ja. Beide Seiten haben sich auf eine Friedenspflicht vor und während der Schlichtung verständigt. Die EVG hat zudem zugesichert, auch während der anschließenden Urabstimmung keine Streiks durchzuführen. Für die allermeisten Bundesländer steht damit fest: Keine Streiks bei der Bahn in den Sommerferien. Lediglich in Bayern und Baden-Württemberg sind die Schulen auch nach dem ersten September-Wochenende noch zu.
Wer schlichtet?
Beide Seiten konnten jeweils einen Schlichter bestimmen und haben sich dabei auf Vermittler mit viel Erfahrung in der politischen und gesellschaftlichen Arbeit entschieden. Die EVG bestimmte Heide Pfarr. Die 78 Jahre alte Sozialdemokratin war viele Jahre Direktorin des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts in Düsseldorf und zudem Mitglied der Geschäftsführung der Hans-Böckler-Stiftung. Zudem war die Arbeitsrechtlerin einige Monate für die SPD Senatorin in Berlin und Anfang der 90er Jahre für kurze Zeit Arbeitsministerin in Hessen.
Für die DB schlichtet der frühere Bundesinnen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière. Der 69 Jahre alte CDU-Politiker war in seiner langen politischen Karriere zudem Kanzleramtschef und hatte mehrere Ministerposten in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen inne.
Neben den beiden Schlichtern werden kleine Delegationen von Bahn und EVG an den Treffen teilnehmen.
Wie lange wird geschlichtet?
Vorgesehen sind 17 Tage, also bis zum 31. Juli. Ob es an jedem Tag Treffen gibt, ist nicht bekannt. Die Schlichtung endet mit dem Schlichterspruch. Stimmen beide Seiten diesem zu, ist der Tarifkonflikt beendet und es liegt ein Tarifergebnis vor.
Die EVG will nach der Schlichtung allerdings noch eine Urabstimmung durchführen - die Mitglieder können dann sagen, ob sie den Schlichterspruch beziehungsweise das vorliegende Ergebnis akzeptieren oder lieber in unbefristete Streiks gehen wollen. Das Ergebnis der Urabstimmung wird für Ende August erwartet.
"In einen unbefristeten Streik treten wir ein, wenn mehr als 75 Prozent der Rückmeldungen für Streik stimmen", teilte die EVG kürzlich mit. Die Hürde für den Arbeitskampf ist also deutlich höher als jene für die Annahme des Schlichterspruchs.
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Wie stehen die Erfolgschancen bei der Schlichtung?
Das lässt sich vorher nicht sagen, prinzipiell kann die Schlichtung aber als Zeichen der Annäherung und als eine beidseitige Willensbekundung zu einer gemeinsamen Lösung verstanden werden. Es kam allerdings schon vor, dass Schlichtungen bei der Bahn scheiterten - zuletzt etwa Ende 2020. Damals vermittelte der frühere Brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) vergeblich zwischen der Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Erst im September 2021 stimmten beide Seiten für einen Tarifvertrag bis Oktober 2023 - ohne Schlichtung. Zwischen den beiden Seiten vermittelten damals allerdings die Ministerpräsidenten
Gibt es noch weitere Tarifkonflikte?
Nein. Im Herbst stehen schon die nächsten Verhandlungen mit der deutlich kleineren, aber umso streitbareren Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) unter ihrem Chef Claus Weselsky an. Die Friedenspflicht läuft dort Ende Oktober aus. Ab dann kann die GDL ebenfalls zu Warnstreiks aufrufen. Ihre Forderungen hat die Gewerkschaft schon aufgestellt. Dazu gehören eine "allgemeine Entgelterhöhung" von 555 Euro, eine Erhöhung der Zulagen für Schichtarbeit um 25 Prozent sowie eine Senkung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeiter ohne anteilige Lohnabsenkung. (dpa/mak)
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