Dass der ungewöhnlich heiße und trockene Sommer negative Auswirkungen auf die Erträge der Landwirte hatte - klar. Aber auf den Erfolg von Schuhverkäufern, Elektromärkten und Reiseveranstaltern? Jawohl. Auch sie sind Hitzeverlierer, wenn auch erst auf den zweiten Blick.
Der Sommer 2018 schlägt sich nicht nur in den Büchern der Bauern negativ nieder. Auch anderen Branchen verhagelt die Hitze die Bilanz.
Trotz der insgesamt guten Konjunktur verschlechterte sich nach einer Branchenumfrage des Handelsverbandes Deutschland (HDE) zwischen Januar und Juni bei jedem zweiten Händler in deutschen Einkaufsstraßen die Geschäftslage.
Das Hauptproblem der Innenstädte: Die Kunden bleiben weg. Nach Messungen des Handelsdienstes Shoppertrak lagen die Besucherfrequenzen im deutschen Einzelhandel im ersten Halbjahr Monat für Monat unter den Vorjahreswerten. Besonders stark war das Minus im April und Mai mit einem Rückgang der Besucherzahlen um mehr als 15 Prozent.
"Bei 38 Grad macht Bummeln keinen Spaß"
Verantwortlich für den Einbruch bei den Kundenzahlen ist nach Einschätzung des HDE-Hauptgeschäftsführers Stefan Genth nicht nur die wachsende Bedeutung des Onlinehandels. Im Supersommer 2018 hätten auch die hohen Temperaturen den Verbrauchern häufig die Lust auf einen Shopping-Trip verdorben. "Bei 38 Grad macht ein Einkaufsbummel keinen Spaß."
Der Elektronikhändler Ceconomy etwa hat wegen der Hitzewelle seine Gewinnprognose für das Geschäftsjahr 2017/2018 gesenkt. Ohne Berücksichtigung der Beteiligung am französischen Branchenkollegen Fnac Darty werde nun noch ein Gewinn vor Zinsen und Steuern zwischen 460 und 490 Millionen Euro angepeilt, teilte die Muttergesellschaft der Elektronikketten Media Markt und Saturn mit. Im vorherigen Geschäftsjahr (30. September) wurden noch 494 Millionen Euro erzielt.
Die Prognosesenkung sei maßgeblich auf ein schwaches viertes Geschäftsquartal zurückzuführen, hieß es in der Mitteilung. "Das ungewöhnlich heiße Wetter im Juli und August führte zu erheblichem Umsatz- und Ergebnisdruck."
Von der Stiefelette direkt in die Sandale
Auch die Schuh-, die Textil- und die Reisebranche klagen:
Das Frühjahrsgeschäft sei weitgehend ausgefallen, heißt es vom Bundesverband des deutschen Schuheinzelhandels. Die Kundinnen seien durch den rapiden Temperaturwechsel im März direkt von den gefütterten Stiefeletten in die Sandalen umgestiegen. Halbhohe Übergangsschuhe - 2018 ein Ladenhüter.
Insgesamt verbuchte der Schuhhandel im ersten Halbjahr dem Verband zufolge ein Minus von 1,5 Prozent beim Umsatz. In den kleinen Läden habe es gar einen Rückgang um vier Prozent gegeben.
Selbst Online-Riese Zalando bekam die wetterbedingte Kaufunlust zu spüren und musste vor weniger Tagen mit seiner Gewinnprognose zurückrudern: Statt 220 bis 270 Millionen Euro Gewinn vor Zinsen und Steuern peilt das Unternehmen nur noch 150 bis 190 Millionen Euro an. Die Hitze habe die Nachfrage gedämpft und Rabatte nötig gemacht.
Die Modekette Tom Tailor hat jüngst eine Umsatz- und Gewinnwarnung herausgegeben. Im laufenden Jahr erwartet das Unternehmen einen Rückgang des Umsatzes von bis zu neun Prozent und auch die Gewinnmarge werde geringer ausfallen als angenommen.
Neben Problemen mit der Marke Bonita macht Tom Tailor auch die Hitze verantwortlich: Der lange und heiße Sommer habe den Saisonstart für die Herbst-/Winterkollektion verzögert und die Pläne der Konzernleitung durchkreuzt, Rückgänge aus dem ersten Halbjahr im zweiten Halbjahr auszugleichen.
Konkurrent Gerry Weber geht es nicht anders. Dass die Kunden im Hitzesommer weniger für Mode ausgaben, ist einer der Gründe, wenn auch nicht der einzige, weshalb der Konzern jetzt in der Krise steckt. Vor wenigen Tagen hat er seine Aktionäre mit enttäuschenden Zahlen zu den ersten neun Monaten des Geschäftsjahres geschockt - die Aktie stürzte auf ein 15-Jahres-Tief ab.
Balkonien statt Benidorm oder Bibione
Ebenso wenig wie nach Stiefeln und Jacken für die Übergangszeit sehnen sich viele Deutsche in diesem Jahr nach Reisen. Warum an die Adria fahren, wenn auch der Baggersee ums Eck angenehm warm ist?
Marktführer Tui musste feststellen, dass sich die Kunden gerade mit Last-Minute-Buchungen zurückhielten, konnte das Minus aber durch schon früh im Jahr gebuchte Sommerurlaube ausgleichen.
Konkurrent Thomas Cook hingegen musste seine Gewinnpläne korrigieren. "Viele Kunden haben die Sonne im Juni und Juli zu Hause genossen und ihre Reisen ins Ausland auf später verschoben", sagt Peter Fankhauser, Chef von Thomas Cook. Dies habe den Wettbewerb verschärft und im August und September unüblich hohe Preissenkungen nach sich gezogen.
Die Folge: Für das Ende September auslaufende Geschäftsjahr 2017/18 rechnet das Unternehmen mit Marken wie Neckermann Reisen und der Fluglinie Condor jetzt nur noch mit einem um Sonderposten bereinigten operativen Gewinn von 280 Millionen britischen Pfund. Noch im Juli war Fankhauser von etwa 320 Millionen ausgegangen. (mcf/dpa)
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