• H&M baut über ein Corona-Sparpaket 800 Stellen in Deutschland ab.
  • Vor allem die Personalpolitik des schwedischen Unternehmens steht heftig in der Kritik.
  • Obgleich als "Freiwilligenprogramm" deklariert, wird massiv Druck auf die Belegschaft ausgeübt, insbesondere auf Eltern, Langzeiterkrankte und Behinderte.

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Wochenlange coronabedingte Schließungen des Handels führen auch bei der Modekette H&M zu einem Umsatzrückgang in den Filialen. Stellenkürzungen sind daher nicht ungewöhnlich, umstritten jedoch ist die Verfahrensweise der Modekette.

Der Stellenabbau soll zunächst über ein Freiwilligenprogramm ablaufen. Damit wolle man, so eine Sprecherin von H&M, einen "sozialverträglichen Stellenabbau" anbieten, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Doch das Verfahren ist nicht so sozial wie es scheint.

Weniger Gewinn im Corona-Jahr 2020 - jedoch keine Verluste

Hennes & Mauritz, kurz H&M, das 1947 gegründete Textilhandelsunternehmen aus Stockholm, begann mit Ladengeschäften, verkauft wurden vor allem Kleidung, Schuhe und Accessoires. Heute gehören nach Unternehmenskäufen noch einige weitere Marken zu H&M.

In den Online-Handel stieg man erst relativ spät ein. Die Mitarbeiterzahl beläuft sich länderübergreifend auf rund 180.000.

Im Jahr 2020 konnte H&M noch einen Gewinn von über einhundert Millionen Euro verbuchen - immerhin, wenngleich nur ein Zehntel des Vorjahresgewinns. In Deutschland schnitt der Konzern dabei noch am besten ab; hier fielen die Umsätze im Corona-Jahr 2020 lediglich um drei Prozent, wie H&M in einer Pressemitteilung vermeldete.

In den letzten Jahren wurde zunehmend Kritik an den schlechten Arbeitsbedingungen und der hohen Arbeitsbelastung in den Verkaufsfilialen laut. Die knappe Personaldecke führt zu Mehrarbeit für die Angestellten. Durch die Befristung der Arbeitsverträge wagen es viele Angestellte nicht, sich im Krankheitsfall arbeitsunfähig zu melden.

Stellenabbau bei H&M mit Hilfe eines Freiwilligenprogramms

Um den geplanten Abbau von 800 Stellen umzusetzen, gibt es in der entsprechenden Betriebsvereinbarung ein sogenanntes "Freiwilligenprogramm". Darin ist festgelegt, dass unter 60-jährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine Abfindung von einem Brutto-Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr erhalten, wenn sie freiwillig ausscheiden.

Für jedes unterhaltsberechtigte Kind gibt es zusätzlich 1.000 Euro, Schwerbehinderte erhalten nochmals 2.500 Euro. Sofern Beschäftigte vor Ende der Kündigungsfrist ausscheiden, erhalten sie zusätzliche Ausgleichszahlungen.

Melden sich nicht genügend Freiwillige, dürfte es allerdings zu betriebsbedingten Kündigungen kommen.

Stellenabbau zu Lasten von Eltern, Langzeiterkrankten und Behinderten?

Angesprochen werden laut H&M Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen, doch bestimmte Gruppen werden in der Betriebsvereinbarung explizit genannt: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Elternzeit und solche, "die nur bzw. vorwiegend zu Zeiten eingesetzt werden können, in denen ein spezifischer Arbeitskräfteüberhang besteht".

Dieser ist in den Frühschichten zu verorten und betrifft vor allem Frauen mit Kindern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die wegen einer Erkrankung oder Behinderung körperbedingt eher zu Beginn des Tages leistungsfähig sind.

Ein Freiwilligenprogramm, das nicht ganz freiwillig ist

Wie Beschäftigte von H&M der "ZEIT" sowie Ver.di mitteilten, werde von Seiten der Filialleitungen massiv Druck ausgeübt und es käme sogar zu Drohungen. Selbst Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Elternzeit würden zuhause angerufen. So werde ihnen mitgeteilt, dass nach dem Lockdown noch mehr Flexibilität gefordert sei und sie bereit sein müssten, die Schichten je nach Bedarf zu variieren und jederzeit einsatzbereit zu sein. Insbesondere für Eltern, die dann kurzfristig ihre Kinder unterbringen müssten, ist das schwierig.

H&M dementiert: "Wir suchen den Dialog"

Das Unternehmen betont, dass das Programm auf Freiwilligkeit beruhe. Auf Nachfrage unserer Redaktion erklärt H&M: "Sollten wir erfahren, dass sich jemand unter Druck gesetzt fühlt, gehen wir sofort in den Dialog. Dieses Vorgehen entspricht nicht unseren Werten, ist in keinem Fall geduldet und würde in letzter Konsequenz sanktioniert werden."

Weiter gibt H&M an: "Von Anfang an haben wir sehr transparent zu allen Prozessen kommuniziert. Es gibt die Möglichkeit zur Teilnahme, so wie es das Wort Freiwilligenprogramm auch besagt. Wir kommen selbstverständlich unserer sozialen Verantwortung nach, und eine der Säulen, an denen wir uns orientieren, ist ehrliche und transparente Kommunikation."

Ver.di: Soziales Klima wird vergiftet

Ver.di ist anderer Meinung. Im Gespräch mit unserer Redaktion unterstreicht Herr Quinto von der Ver.di Bundesverwaltung, wie sehr das soziale Klima vergiftet werde. Schließungen würden angedroht, wenn Filialen nicht gewinnbringend arbeiten. Von der Belegschaft werde maximaler Einsatz und Flexibilität gefordert. Das sei insbesondere für Eltern(teile) kaum zu realisieren. Die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes werde geschürt, denn Perspektiven in anderen Unternehmen gebe es gerade in diesen Zeiten nicht.

Verwendete Quellen:

  • Deutscher Gewerkschaftsbund: "Arbeit auf Abruf, 13.04.2017"
  • Der Spiegel: "H&M: Heftige Kritik wegen Sparplan gegen Mütter und Langzeiterkrankte"
  • Business Insider: "H&M unter Druck: Mitarbeiter beschweren sich über schlechte Arbeitsbedingungen"
  • ver.di: "Flexible Arbeitszeitmodelle Teilzeit bei H&M, von Sebastian Triebel, Gewerkschaftssekretär, Fachbereich Handel"
  • Gespräch mit Herrn Quinto, ver.di Bundesverwaltung, Ressort 14 - Bundesfachgruppe Einzelhandel, Unternehmensbetreuung Textileinzelhandel
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