Die Gründung mehrerer neuer Firmen von Deutschlands größtem Fleischverarbeiter Tönnies hat für Irritationen gesorgt. Es steht der Vorwurf im Raum, das eben von der Regierung beschlossene Verbot von Leiharbeit und Werksverträgen in der Branche zu unterhöhlen. Tönnies selbst spricht von einem "völlig normalen Vorgang".

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Deutschlands größter Fleischverarbeiter Tönnies mit Firmenzentrale in Rheda-Wiedenbrück hat Vorwürfe zurückgewiesen, mit Firmenneugründungen die Abschaffung von Werkverträgen und Leiharbeitern in der Branche ab 2021 umgehen zu wollen. Tönnies hatte zuletzt 15 sogenannte Vorratsgesellschaften am Amtsgericht Gütersloh für Rheda-Wiedenbrück ins Handelsregister eintragen lassen.

"Wir haben angekündigt, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kernbereichen der Produktion direkt anzustellen. Dabei bleibt es uneingeschränkt. Wir sind bereits mitten in diesem Prozess, da wir Mitte September die ersten 1.000 ehemaligen Werkvertragsarbeiter fest eingestellt haben wollen", sagte ein Konzernsprecher am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

Firmengründungen seien "völlig normaler Vorgang"

Die Gründung dieser Vorratsgesellschaften sei ein völlig normaler Vorgang in einem internationalen Konzern. "Für die Festanstellungen braucht es rechtliche Grundlagen. Es ist momentan noch völlig unklar, welche Organisationsformen das geplante Gesetz vorsieht. Vorsorglich haben wir deshalb diese Gesellschaften gegründet", sagte der Sprecher. Mit diesen Gesellschaften könne Tönnies Direkteinstellungen an verschiedenen Standorten und für die verschiedenen Gesellschaften im Konzern schnell umsetzen.

Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch die geplanten schärferen Regeln für die Fleischindustrie auf den Weg gebracht. Der Gesetzentwurf von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht vor, dass in größeren Betrieben der Branche ab dem 1. Januar 2021 im Kerngeschäft Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung keine Werkvertragsarbeiter und ab 1. April 2021 auch keine Leiharbeiter mehr beschäftigt werden dürfen. Bei Verstößen drohen Bußgelder. Ausgenommen sind Fleischerhandwerksbetriebe mit maximal 49 Mitarbeitern.

Heil und Esken äußern sich auf Twitter

Heil schrieb bei Twitter zum Vorwurf, Tönnies würde damit die Hürde von 50 Mitarbeitern beim Werkvertragsverbot umgehen: "Nein (...) Die 50er Regelung gilt nur für HANDWERKSUNTERNEHMEN."

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken schickte auf Twitter mahnende Worte an Tönnies. Die Firma solle "nicht mit dem Feuer spielen".

Ein Sprecher des Bundesministeriums für Arbeit bestätige unserer Redaktion: "Auch ein Tätigwerden als Tochterunternehmen wird nach dem Gesetzentwurf grundsätzlich nicht mehr möglich sein. Der Unternehmer der Fleischindustrie darf nur noch mit eigenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Schlachten und Fleisch zerlegen und verarbeiten."

Eine Ausnahme setze voraus, dass der Unternehmer einen Betrieb selbst handwerksmäßig betreibe, in die Handwerksrolle eingetragen ist und in der Regel maximal 49 Personen (einschließlich Fremdpersonal) tätig werden lasse. Nur dann würden die Einschränkungen nicht gelten. Sie kämen hingegen voll in Konzernen und Unternehmensgruppen in der Fleischindustrie zum Tragen. (mgb/dpa)

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