- Olaf Scholz tritt im Wirecard-Skandal in den Zeugenstand.
- Ein CDU-Mann nimmt ihn hart ran.
- Der Vizekanzler hat viel zu verlieren.
Die wichtigste Frage versucht Vizekanzler
Aus seiner Sicht könnte es jetzt vorbei sein, es wäre die kürzeste aller Zeugenbefragungen im Untersuchungsausschuss zum wohl größten Bilanzskandal der deutschen Nachkriegszeit, dem Fall Wirecard. Doch so leicht lassen Union und Opposition den SPD-Kanzlerkandidaten am Donnerstag nicht davonkommen.
Niemand hat so viel zu verlieren wie Scholz
Es ist der vorläufige Höhepunkt einer spektakulären Vernehmungswoche. Wirtschaftsminister
Doch niemand von ihnen hat so viel zu verlieren wie Scholz. Der Finanzminister war mit seinem Ministerium nicht nur für die Finanzaufsicht Bafin zuständig, der im Fall Wirecard schwere Fehler vorgeworfen werden. Als Kanzlerkandidat muss er auch dafür sorgen, dass ihn der Skandal nicht bis in die Bundestagswahl im Herbst verfolgt.
Der Vizekanzler steht unter Druck, die Befragung im Untersuchungsausschuss ist eine der größeren Bewährungsproben in seiner Laufbahn. Wie man in solchen Situationen reagiert, kann auch etwas über die eigene Kanzlerfähigkeit aussagen.
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Wirecard-Skandal: Kanzlerkandidat im Zeugenstand
Nach kurzer Zeit im Zeugenstand ist klar: Es wird nicht einfach - doch Scholz bleibt Scholz. Er setzt sich erst auf seinen Zeugenstuhl, als die Fotografen den Raum verlassen haben. Kanzlerkandidat im Zeugenstand, diese Bilder will er wohl nicht sehen.
Später antwortet er oft kurz angebunden. Nicht mehr sagen, sich nicht mehr rühren als unbedingt nötig, das könnte man als das Prinzip Scholz bezeichnen.
Die Opposition und vor allem der Koalitionspartner Union haben sich vorgenommen, ihn hart ranzunehmen. Zu nah rückt die Wahl, aus Partnern sind hier längst Konkurrenten geworden. "Sie haben es sich ein bisschen zu einfach gemacht", kritisiert CDU-Mann Hauer. Er ist es, der Scholz am stärksten in Bedrängnis bringt.
Gar nicht unbedingt, indem er den Minister wiederholt auffordert lauter zu sprechen - und dabei selbst aggressiv ins Mikrofon herrscht, bis es übersteuert. Hauer wirft Scholz vielmehr vor, er habe dem Ausschuss relevante E-Mails von seinen privaten Accounts vorenthalten.
Scholz: "Ich kann Ihnen also nichts Weiteres vorlegen, als was Sie haben."
Hauer legte Scholz zwei Mails zum Thema Wirecard vor, die Scholz nicht von seinem dienstlichen Account geschrieben hatte und merkte an, es könne davon ja noch mehr geben, von denen man nicht wisse. Zuvor hatte Scholz angegeben, dienstliche und private Kommunikation eigentlich konsequent zu trennen. Er räumte dann aber ein, manchmal leite er etwa Zeitungsartikel von der anderen Adresse weiter, weil dies einfacher sei. Befragung unterbrochen.
Der Ausschuss zeigt sich "irritiert". Scholz versichert in gut durchdachten Worten: Er habe gebeten, dem Ausschuss alles vorzulegen. Private Kommunikation lösche er regelmäßig. "Ich kann Ihnen also nichts Weiteres vorlegen, als was Sie haben."
Hauer betont: "Das Vorenthalten persönlicher Kommunikation des Ministers ist eine neue negative Qualität. Herr Scholz steht bei der Aufklärung von Anfang an auf der Bremse und sucht Fehler nur dort, wo er nicht beteiligt ist. Das ist nicht hinnehmbar."
Politisches Farbenspiel prägt diesen Ausschuss auf der Zielgeraden fast mehr als die tatsächliche Aufklärung des mutmaßlichen Milliardenbetrugs, in dessen Windschatten so mancher Kleinanleger seine gesamte Altersvorsorge verlor. Dabei haben die Abgeordneten bisher erstaunliche Arbeit geleistet und ein breites Systemversagen aufgedeckt.
Finanzaufseher und Wirtschaftsprüfer mussten ihre Posten räumen, über die Naivität der Staatsanwaltschaft schüttelte so mancher den Kopf. Scholz muss einräumen, das Aufsichtssystem sei reformbedürftig. Als er jedoch ausholt, um seine Reformideen zu erläutern, winken die Abgeordneten ab.
Am neutralsten wirkt die Opposition
Schon vorher war klar: Die Union würde alles versuchen, um Scholz anzugreifen. Die SPD zeigt ihrerseits mit dem Finger auf die Wirtschaftsprüfer, denen ein Report handwerkliche Fehler attestiert - und für deren Aufsicht Unions-Politiker Altmaier zuständig ist.
Man bemüht sich nicht einmal glaubhaft, das Pingpong zu verstecken. Am neutralsten wirkt da noch die Opposition. Der FDP-Finanzpolitiker Florian Toncar, Fabio De Masi von den Linken und Grünen-Politiker Danyal Bayaz greifen alle Zeugen gleichermaßen messerscharf an: unaufgeregt, aber kritisch.
Tatsächlich finden auch sie aber wenig Substanzielles, was Scholz im Fall Wirecard persönlich belasten würde. Von einer besonders kritisierten Maßnahme der Finanzaufsicht sei der Minister vorab nicht informiert gewesen, sagen Scholz und Staatssekretär Kukies, es gibt dazu auch keine Belege.
Die Bafin hatte Anlegern zeitweise verboten, bei Wirecard auf fallende Kurse zu wetten. Bei den Aktionären entstand dadurch der Eindruck, in dem Konzern sei alles in Ordnung.
Vizekanzler betont die kriminelle Energie bei Wirecard
Scholz betont die kriminelle Energie bei Wirecard. Die Bundesregierung trage keine Verantwortung für den "großangelegten Betrug". Der ehemalige Dax-Konzern und Börsenliebling musste im vergangenen Sommer einräumen, dass 1,9 Milliarden Euro aus der Bilanz nicht mehr auffindbar sind.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Wirecard seine Bilanzen seit 2015 fälschte. Wirtschaftsprüfer hatten die Jahresabschlüsse immer uneingeschränkt testiert.
Scholz ist sozusagen im Beifang dieses Kriminalfalls mitgefangen. Der Vorwurf, nicht genau genug hinzuschauen, ist ein gefährlicher - wirbt die SPD doch damit, dass man sich auf Scholz in der Regierung verlassen kann. Ob ihn der Fall Wirecard bis zur Wahl verfolgt, ist offen.
Brisanter könnte ein zweiter Untersuchungsausschuss werden, in dem Scholz schon in der kommenden Woche aussagen muss: Es geht um mögliche Einflussnahme des früheren Hamburger Bürgermeisters Scholz auf die steuerliche Behandlung einer Bank, die in einem "Cum Ex"-Skandal steckt. (dpa/msc)
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