Vor allem die hohen Zinsen und gestiegenen Rohstoffkosten setzten dem Wohnungsbau in Deutschland zu. Seit geraumer Zeit schlägt die Baubranche deswegen Alarm. Nun prognostizieren Verbände, dass bis 2025 bis zu eine Million Wohnungen in Deutschland fehlen könnten.
Mit Blick auf die einbrechende Auftragslage für die Wohnungsbau-Branche haben Verbände vor einem massiven Wohnungsnotstand gewarnt. Bis 2025 könnten in Deutschland schlimmstenfalls 900.000 bis eine Million Wohnungen fehlen, sagte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft (GdW), der "Bild"-Zeitung (Dienstag). Als Ursache nannte er den "Abschwung in der Wohnungswirtschaft".
"2024 könnten etwas über 200.000 Wohnungen gebaut werden. 2025 könnte die Zahl der fertiggestellten Wohnungen sogar unter 200.000 sinken", wenn die Bundesregierung nicht gegensteuere, sagte Gedaschko. Von der Bundesregierung forderte er als "einen ersten Schritt" eine Absenkung der Mehrwertsteuer von 19 auf sieben Prozent für Baustoffe und Dienstleistungen.
Verbandschef: "Wohnungsbau befindet sich im Sturzflug"
Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe (ZDB), nannte den Auftragseinbruch "katastrophal". "Der Wohnungsbau befindet sich im Sturzflug", betonte er. "Die Zahl der genehmigten Wohnungen deckt den Bedarf bei Weitem nicht mehr."
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Vor diesem Hintergrund forderte der ZDB-Hauptgeschäftsführer ein Investitionspaket der Bundesregierung für das Baugewerbe: "Wenn die Bundesregierung Milliarden für die Automobilindustrie, Chipfabriken und Industriestrom hat, sollte ihr auch der soziale Frieden auf dem Wohnungsmarkt ein paar Milliarden an Investitionen wert sein", betonte er.
Die Zahl der Baugenehmigungen ging im Juli um 31,5 Prozent oder 9.600 im Vergleich zum Vorjahresmonat zurück. Insgesamt wurden im Jahr 2023 bis Juli 156.200 neue Wohnungen genehmigt.
Einer Unternehmensumfrage des Ifo-Instituts zufolge spitzt sich die Krise im deutschen Wohnungsbau weiter zu. Im August beklagte mit 20,7 Prozent bereits jede fünfte Firma abgesagte Projekte, wie das Münchener Institut vergangene Woche mitteilte. Im Juli waren es noch 18,9 Prozent.
Grund für die Stornierungen sind laut Ifo in erster Linie die stark gestiegenen Baukosten und Zinsen. Dadurch seien viele Projekte, die Anfang 2022 noch rentabel waren, heute nicht mehr darstellbar. "Auch das Zurückfahren der Förderung wegen der verschärften Energiesparvoraussetzungen belastet die Kalkulation der Bauherren", erklärte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe.
Geywitz: "Sehe keinen Niedergang auf den Bau zukommen"
Die deutschen Sparkassen sehen hingegen erste Anzeichen für ein Ende des Abwärtstrends bei der Baufinanzierung. Im ersten Halbjahr sei das Immobiliengeschäft im Jahresvergleich zwar noch um über 50 Prozent zurückgegangen, sagte Sparkassen-Präsident Helmut Schleweis dem "Handelsblatt" vom Dienstag. "Es mehren sich aber die Signale, dass der Boden erreicht ist."
In einigen Regionen seien die Immobilienpreise etwas gesunken und die Baukosten nicht mehr so stark angestiegen wie vor einigen Monaten. "Das macht Hoffnung", fuhr Schleweis fort - jedoch bleibe das Ziel der Regierung, jährlich 400.000 neue Wohnungen zu bauen, sowohl in diesem als auch im nächsten Jahr in weiter Ferne.
Bundesbauministerin Klara Geywitz hatte erst vor wenigen Tagen die scharfen Warnungen vor einem Zusammenbruch der Bauwirtschaft zurückgewiesen. "Ich sehe keinen Niedergang auf den Bau zukommen", sagte die SPD-Politikerin der "Neuen Osnabrücker Zeitung".
Es gebe "eine kurze konjunkturelle Herausforderung". Das kommende Jahr werde schwer werden, doch dafür komme staatliche Unterstützung. Zudem seien die Zinsen nicht historisch hoch, und für 2025 erwarteten quasi alle Experten eine Gewöhnung des Marktes an das neue Zinsniveau. Das Bundesbauministerium arbeitet eigenen Angaben zufolge "intensiv an einem Maßnahmenpaket zur Belebung der Bau- und Immobilienbranche". (afp/dpa/thp)
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