Diese Worte veränderten die Welt für immer: Als Günter Schabowski am 9. November 1989 vor der Presse sprach, wusste er noch nicht, dass er in wenigen Minuten Geschichte schreiben würde.

Mehr zum Thema Geschichte & Archäologie

Es waren nur wenige Worte - eher unfreiwillig leiteten sie das Ende der deutschen Teilung ein: "Das tritt nach meiner Kenntnis ... ist das sofort ... unverzüglich", stotterte Günter Schabowski, Mitglied des SED-Politbüros, am Abend des 9. November 1989 vor der internationalen Presse in Ost-Berlin - und schrieb wider Willen Geschichte.

Mauerfall am 9. November 1989
Günter Schabowski gab die Grenzöffnung bekannt. (Archivbild) © dpa / dpa

Zum neuen, gelockerten DDR-Reisegesetz befragt, teilte er fast beiläufig mit, dass private Besuche im Ausland künftig ohne besondere Voraussetzungen möglich seien. Seine Genossen wussten es nicht, die Pressemitteilung war eigentlich erst für den nächsten Tag vorgesehen. Unbeabsichtigt hatte Schabowski die Öffnung der DDR-Grenzen verkündet. Westdeutsche Medien verbreiteten die Nachricht wenig später.

Vor den Übergängen in Ost-Berlin spielten sich bald tumultartige Szenen ab. Keiner wusste genau, ob es sich um ein Gerücht, einen Versprecher oder um eine gültige Entscheidung handelte. Als erster Übergang öffnete der Kontrollpunkt Bornholmer Straße in Berlin, andere folgten. Tausende DDR-Bürger strömten in den Westen, vorbei an den völlig überraschten Soldaten.

Einen Schluck aus der Sektflasche nimmt am 9. November 1989 die Beifahrerin in diesem aus Ost-Berlin über den Grenzkontrollpunkt Bornholmer Straße nach West-Berlin fahrenden Trabis. © picture alliance / dpa/dpa

Die Nachricht überraschte auch Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) in Warschau. Der Bundestag beendete seine Sitzung, die Abgeordneten stimmten die Nationalhymne an.

Lesen Sie auch

Meilensteine auf dem Weg zum Mauerfall

19. Januar: DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker weist westliche Forderungen nach einem Abriss der Berliner Mauer zurück: "Die Mauer wird in 50 und auch in 100 Jahren noch bestehen bleiben, wenn die dazu vorhandenen Gründe noch nicht beseitigt sind."

7. Mai: Nach den Kommunalwahlen decken unabhängige Bürgergruppen Manipulation bei den Ergebnissen auf. Viele tragen ihren Protest auf die Straße. In Leipzig sind es am Wahlabend noch rund 50 Demonstranten. Ab Juni finden auch in Berlin regelmäßig Proteste statt. Sie sind der Vorläufer zu den Massendemonstrationen im Herbst.

19. August: Beim sogenannten Paneuropäischen Picknick im ungarischen Sopronpuszta flüchten 600 DDR-Bürger spontan in den Westen. Die ungarisch-österreichische Grenze war damals aus Anlass einer geplanten Friedensdemonstration oppositioneller Aktivisten kurz geöffnet worden.

Österreichische Grenzbeamte öffnen ein Grenztor. Etwa 500 DDR-Bürger nutzten ein paneuropäisches Picknick an der ungarisch-österreichischen Grenze, bei dem ein Grenztor symbolisch geöffnet wurde, zur Flucht in den Westen. © picture-alliance/ dpa/Votava

4. September: In Leipzig versammeln sich an einem Montag über tausend Menschen vor der Nikolaikirche und fordern unter anderem Reisefreiheit. Daraus entstehen die Montagsdemonstrationen.

10. September: Ungarn kündigt an, seine Grenze nach Österreich für DDR-Bürger, die dort teilweise seit Wochen ausharren, zu öffnen. Bis Ende Oktober gelangen so etwa 50.000 Menschen in die Bundesrepublik.

30. September: Vom Balkon der bundesdeutschen Botschaft in Prag überbringt Außenminister Hans-Dietrich Genscher Tausenden auf dem Gelände zusammengepferchten DDR-Bürgern die erlösende Nachricht: "Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise..." Der Rest des Satzes geht im Jubel unter. Der Andrang auf die Botschaft reißt nicht ab. Mehrfach fahren Züge mit insgesamt wohl 17.000 Flüchtlingen von Prag über die DDR in die Bundesrepublik.

Hans-Dietrich Genscher

Hans-Dietrich Genscher blickt zurück auf historische Nacht in Prag

"Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise..." Der Rest der Erklärung von Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der Deutschen Botschaft im Jahr 1989 geht im Jubel der Menge unter. Später bezeichnet der damalige Außenminister diese historische Nacht als "aufwühlendes Ereignis".

7. Oktober: Anlässlich des 40. Jahrestages der DDR-Gründung kommt es in mehreren Städten zu Protesten, die Sicherheitskräfte reagieren teilweise brutal.

9. Oktober: Bei der bislang größten Montagsdemonstration mit 70.000 Menschen in Leipzig setzt sich der Ruf "Wir sind das Volk - keine Gewalt" durch.

18. Oktober: Staats- und Parteichef Erich Honecker wird von seinen Ämtern entbunden. Sein Nachfolger wird Egon Krenz.

3./4. November: Erneut sind rund 5.000 Menschen in die Prager Botschaft geflüchtet. Wohl auf Druck der Tschechoslowakei gestattet die Ost-Berliner Führung ihren Bürgern die direkte Ausreise aus dem Land in den Westen. Innerhalb von vier Tagen flüchten auf diesem Weg nach Berichten des Innenministeriums in Prag rund 62.500 Menschen in die Bundesrepublik.

Unzählige DDR-Bürger warten am 5.11.1989 auf dem Gelände der bundesdeutschen Botschaft in Prag auf ihre Ausreise. Sie wollen Freiheit - raus aus dem DDR-Staat von Honecker. Kurz darauf vollzieht sich der Untergang des SED-Regimes in einem rasanten Tempo. © picture-alliance / dpa/AFP

4. November: Zwischen 500.000 und einer Million Menschen demonstrieren auf dem Berliner Alexanderplatz.

7. November: Die DDR-Regierung tritt zurück. Tags darauf wird das SED-Politbüro, das höchste Führungsgremium der Partei, umstrukturiert.

9. November: Politbüromitglied Schabowski kündigt auf einer Pressekonferenz an, die DDR werde ihren Bürgern künftig Reisefreiheit gewähren.

In der Gedenkstätte Bornholmer Straße zeigen Stahlbänder im Boden das berühmte Zitat Schabowskis: Die neue Regelung gelte "ab sofort, unverzüglich!" © picture alliance / ZB/Sascha Steinach

Die Berliner Mauer in Zahlen

Länge: Am 13. August 1961 beginnt um 01:00 Uhr nachts die systematische Abriegelung der rund 155 Kilometer langen Grenze um West-Berlin - davon trennen 43 Kilometer das Berliner Stadtgebiet. Der Todesstreifen ist zuletzt 15 bis 150 Meter breit.

Opfer: Allein an der Berliner Mauer werden 140 Menschen getötet, darunter auch 8 DDR-Grenzsoldaten.

Kosten: Bis 1970 soll die Mauer rund 100 Millionen Ost-Mark gekostet haben. Die Gesamtkosten sind nicht bekannt.

Flucht: Mehr als 5.000 Menschen gelingt die Flucht - aus der gesamten DDR fliehen zwischen 1961 und 1989 über 40.000 Menschen.

Kuriose Grenzverläufe der Deutschen Teilung

Kennen Sie diese unglaublichen Grenzgeschichten rund um die Berliner Mauer?

Durch die deutsche Teilung und den Bau der Berliner Mauer entstanden einige skurrile Grenzverläufe. Die Bewohner dieser Gebiete waren in besonderer Weise von der Teilung betroffen. Manche Geschichte endete tragisch.

Übergänge: Acht Grenzübergänge verbinden die beiden Stadtteile. Als erster Übergang öffnet der Kontrollpunkt Bornholmer Straße am 9. November.

Mauerwache: In den 28 Mauerjahren bewachen insgesamt mehr als 11 000 Soldaten der Nationalen Volksarmee die Berliner Grenze. Es gibt rund 300 Beobachtungstürme.

Aufbau: Ab 1975 wird die Grenzmauer mit 3,60 Meter hohen Segmenten neu errichtet. Auf die jeweils 2,75 Tonnen schweren Elemente werden 4 Meter lange Rohrauflagen gesetzt. Daneben besteht die Grenze um West-Berlin aus einer Mauer in Plattenbauweise, einem Metallzaun oder Gewässern.

Tunnel: Über die Jahre versuchen viele Menschen, durch selbst gegrabene Tunnel oder die Kanalisation die Grenzanlage zu umgehen. Rund 70 Tunnel zwischen Ost- und West-Berlin sind bekannt, über 300 DDR-Bürger gelangen so in den Westen (dpa/bearbeitet von szu/af)

DDR, Mauerfall, Leipzig

Ehemaliger Grenzoffizier und DDR-Kritiker treffen erstmals aufeinander

Mit dem Ende der DDR begann für Millionen Ostdeutsche ein neues Leben. Auch für Peter Valdueza und Marc-Dietrich Ohse, die innerhalb der DDR noch auf gegenüberliegenden Seiten gestanden hatten: Valdueza war Grenzoffizier an der Berliner Mauer und sicherte die Grenze - im Zweifel auch mit der Waffe. Ohse dagegen kämpfte gegen das System bei den Montagsdemos in Leipzig. 35 Jahre später treffen die beiden in der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn aufeinander.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.