- Ötzi könnte neuesten Analysen zufolge möglicherweise nicht im Schnee gestorben sein.
- Das Gebiet, in dem die Gletschermumie gefunden wurde, war vor 5.300 Jahren eventuell schneefrei.
- Das bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass es damals wärmer war als heute.
Ötzi wurde als Gletschermumie international bekannt - aber möglicherweise starb er nicht im Schnee, sondern vereiste erst nachträglich. Darauf verweist ein internationales Forscherteam nach einer Studie im Fachblatt "Scientific Reports".
Demnach vereiste die zwölf Kilometer entfernte Weißseespitze, die mehr als 3.500 Meter hoch ist, zuletzt vor grob 5.900 Jahren. Ötzi lebte vor etwa 5.300 Jahren und war auf einer Höhe von gut 3.200 Metern entdeckt worden.
Womöglich vereiste dieses tiefergelegene Gebiet erst Jahrhunderte später - und war damit zu Ötzis Todeszeitpunkt eisfrei.
Forscher untersuchen damaliges Klima in der Region
Entdeckt wurde die Mumie im September 1991, als das abschmelzende Eis am Tisenjoch in der Nähe des Ötztals die Überreste freilegte. Ob Ötzi im Eis starb oder erst später davon umschlossen wurde, lässt sich nicht mehr sicher bestimmen: Das dortige Eis wurde nie datiert und ist inzwischen geschmolzen.
Anhand von Eiskernbohrungen an der nahen Weißseespitze untersuchte das Team um Pascal Bohleber von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck nun das damalige Klima in der Region.
Die Analyse von eingeschlossenem Kohlendioxid (CO2) zeigt, dass die unterste Eisschicht auf dem Berg etwa 5.900 Jahre alt ist. Demnach war die Spitze vorher wohl eisfrei, und der dortige Gletscher entstanden erst infolge einer Abkühlung, die damals begann.
Hochgelegene Gipfel in den Ostalpen waren früher vermutlich eisfrei
Die Studie eröffnet die Möglichkeit, dass Ötzis Fundort vor etwa 5.300 Jahren ebenfalls eisfrei war. Nicht nur, weil er etwa 300 Meter tiefer liegt als der Gipfel der Weißseespitze, sondern auch, weil die Datierung des Eises auf 5.900 Jahre eine Schwankungsbreite von etwa 700 Jahren hat.
Generell decken sich die Klima-Resultate der Studie mit anderen Untersuchungen aus dem Alpenraum. "Wir wissen zum Beispiel durch vom sich zurückziehenden Eis freigelegte Bäume, die datiert werden konnten, sowie aus anderen Klimaarchiven, dass es vor etwa 6.000 Jahren ein sogenanntes Klimaoptimum gab", wird Bohleber in einer ÖAW-Mitteilung zitiert. "Unsere neuesten Eiskernbohrungen legen nahe, dass damals auch hochgelegene Gipfel in den Ostalpen eisfrei waren."
Dagegen zeigen Studien etwa am 4.450 Meter hohen Colle Gnifetti in der Schweiz, dass das Eis in Höhenlagen der Westalpen mehr als 11.500 Jahre alt ist.
Klimaarchiv in wenigen Jahren verschwunden
Dass die Weißseespitze vor gut 6.000 Jahren eisfrei war, heißt nicht unbedingt, dass es damals wärmer war als heute. "Wir können auf Basis unserer Daten nur sagen, dass die Gletscher vor etwa 5.900 Jahren wieder zu wachsen begonnen haben", erläutert Bohleber. "Was davor war, lässt sich aus Eiskernen nicht rekonstruieren."
Klar ist dagegen, dass die Möglichkeit von Eisbohrkern-Analysen in der Region schnell schwindet. Der dortige Gepatschferner - immerhin der zweitgrößte Gletscher Österreichs - zieht sich rapide zurück.
"Wir haben Glück, überhaupt noch Bohrkerne entnehmen zu können", sagt Bohleber. "Die Zeit rennt uns davon. Es gibt nur noch zehn bis zwölf Meter Eis, schon in wenigen Jahren könnte dieses Klimaarchiv verschwunden sein." (ff/dpa)
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