Die Wahlerfolge der AfD in Thüringen und Sachsen sind auch für den Klimaschutz gefährlich. Warum es jetzt wichtiger denn je ist, hoffnungsvolle Narrative zu erzählen. Eine Kolumne.

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Elena Matera (RiffReporter) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Der Tag nach einer Wahl fühlt sich für mich oft an wie ein Kater nach einer langen Partynacht in meiner Studienzeit. Ich wache auf, mein Magen ist flau, und ich muss mich erst vergewissern, ob das, was ich erlebt habe, wirklich geschehen ist. Dieses Gefühl hatte ich dieses Jahr zuerst nach der Europawahl, als mir klar wurde, dass rechtspopulistische Parteien in mehreren Ländern große Erfolge erzielt hatten. In Deutschland verzeichnete die AfD sogar ihr bisher bestes Ergebnis.

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Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen kommt dieses mulmige Gefühl erneut auf: In Thüringen ist die AfD mit großem Abstand die stärkste Kraft. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik gewinnt damit eine rechtsextreme Partei eine Landtagswahl. In Sachsen wird die AfD knapp zweitstärkste Kraft hinter der CDU. Auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erreicht in beiden Bundesländern zweistellige Ergebnisse. Wie wird wohl die Wahl in Brandenburg ausgehen?

Gefahr für Demokratie und Klimaschutz

Die Erfolge der AfD sind nicht nur eine Bedrohung für unsere Demokratie, sondern auch für den Klimaschutz. Die AfD ist die einzige deutsche Partei, die den menschengemachten Klimawandel leugnet und die Erkenntnisse des Weltklimarats als "nicht gesichert" abtut. Zudem ist sie eng mit dem Verein EIKE vernetzt, der aktiv gegen Klimaschutzmaßnahmen lobbyiert.

Die AfD will unter anderem die CO2-Steuer, das Gebäudeenergiegesetz (GEG) und das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) abschaffen. Sie strebt sogar den Austritt aus dem Green Deal und dem Pariser Klimaabkommen an. Auch auf Landesebene ist ihr Einfluss gefährlich, wie ihre Pläne zur Abschaffung des Thüringer Klimagesetzes und der Brandenburger Energiestrategie 2030 zeigen. Übrigens: Auch das BSW lehnt zahlreiche Klimaschutzmaßnahmen ab. Daher wäre eine Regierungsverantwortung sowohl von AfD als auch von BSW in Thüringen oder Sachsen "ein gefährliches Experiment", wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung betont. Doch auch ohne Regierungsverantwortung kann die AfD die demokratischen Prozesse in Zukunft stark beeinflussen. In Thüringen hat die AfD die sogenannte Sperrminorität erreicht. Damit ist gemeint, dass eine Partei mehr als ein Drittel der Mandate im Landtag hat. Die AfD kann in Thüringen so bestimmte Landesgesetze verhindern.

Klimakrise im Wahlkampf vernachlässigt

Auffällig war, dass im Wahlkampf vor allem das Thema unkontrollierte Zuwanderung dominierte, während die Klimakrise und notwendige Schutzmaßnahmen kaum thematisiert wurden – ein Muster, das man bereits bei der Europawahl beobachten konnte.

Wenn die AfD den Klimaschutz erwähnt, dann vor allem im Zusammenhang mit den hohen Energiepreisen, um wichtige Maßnahmen wie das Gebäudeenergiegesetz (GEG) oder den Ausbau erneuerbarer Energien zu kritisieren. Dabei verbreitet sie bewusst Fehlinformationen. So würde Wind- und Solarenergie, die Natur und den Mensch bedrohen und der "Zwang" zum Einbau der Wärmepumpen sei im Sinne der "ökosozialistischen Planwirtschaft". Die AfD bedient laut dem Soziologen Axel Salheiser auch nationale Mythen, wie die Bedeutung des Deutschen geliebten Autos oder der fossilen Industrien. Diese Botschaften erreichen auch Teile der Bevölkerung, die eigentlich keine rechtsradikalen Sympathien haben.

Bremser in der Klimapolitik

Das Problem: Auch demokratische Parteien bedienen sich ähnlicher Narrative, oft im Interesse der fossilen Lobby. So griff auch die CDU das Thema GEG von Anfang an auf, sprach vom "Heizungshammer" und betonte, wie sehr das Gesetz die Bürger belaste und unterstützte damit nur die Position der AfD.

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Ich verstehe, dass solche Erzählungen viele Menschen verunsichern und sie Klimaschutzmaßnahmen daher als Bedrohung wahrnehmen, besonders in wirtschaftlich unsicheren Zeiten. Auch Verlust- und Abstiegsängste kommen dann verständlicherweise auf. Die Umweltbewusstseinsstudie aus dem Jahr 2022 zeigt, dass besonders in Ostdeutschland deutlich mehr Menschen über den ökologischen Wirtschaftsumbau verunsichert sind und daher Reformen für den Klimaschutz eher ablehnen.

Neue Narrative und bessere Kommunikation

Umso problematischer ist es, wenn auch demokratische Parteien ähnliche Narrative wie die AfD aufgreifen – das betrifft natürlich nicht nur die Klimapolitik – und dadurch die dringend notwendige sozial-ökologische Transformation ausbremsen. Anstatt weiterhin Unsicherheiten in der Bevölkerung zu schüren, sollten die demokratischen Parteien, allen voran die der Ampel-Koalition, verständlich erklären, warum bestimmte Klimaschutzmaßnahmen wichtig sind. Dabei müssen sie die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen und konkrete, sozial gerechte Lösungen anbieten, etwa durch das Klimageld.

Was wir in erster Linie brauchen, ist eine mutmachende Klimapolitik, die die Menschen einbezieht und ihnen zeigt, dass uns eine große Transformation bevorsteht, aber auch, dass diese machbar ist und die Lösungen vorhanden und vor allem realisierbar sind. Und es muss klar sein, dass wir schnell handeln müssen.

Folgen der Klimakrise in der Region

Denn die Auswirkungen der Klimakrise finden zunehmend vor der eigenen Haustür statt, auch in Ostdeutschland: Der BUND Brandenburg warnt etwa in seinem Seenreport Brandenburg vor einem "Seensterben" in der Region. Der aktuelle Erntebericht des Bundeslandwirtschaftsministeriums zeigt, dass die zunehmenden extremen Wetterereignisse die Erträge der deutschen Landwirtschaft erheblich mindern. Und der Gesamtverband der Versicherer rechnet 2024 mit Schäden durch Wetterextreme von mindestens sieben Milliarden Euro. Eben diese regionalen Folgen des Klimawandels müssen klar benannt werden – von der Politik, aber auch von den Medien.

Mit neuen, mutmachenden Narrativen könnte man zeigen, wie Klimaschutz vor Ort funktionieren kann, zum Beispiel welche Vorteile der Ausbau von Photovoltaik in der Region hat, wie eine Schwammstadt aussieht, welche Vorteile der Ausbau des ÖPNV oder die Entsiegelung in Städten haben, warum ein Tempolimit sinnvoll ist, wie klimafreundliches Bauen aussehen kann und warum die Wiedervernässung von Mooren nicht nur dem Klima, sondern auch der Biodiversität und uns Menschen zugutekommt.

Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland den Klimawandel ernst nimmt und Klimaschutzmaßnahmen unterstützt. Das stimmt mich nach wie vor zuversichtlich. Die demokratischen Parteien sollten dem Klima- und Umweltschutz daher endlich wieder mehr Bedeutung schenken, gerade auch im Wahlkampf. Ich hoffe jedenfalls, dass ich eines Tages nach einer Wahl wieder ohne Bauchschmerzen aufwachen werde.

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Verwendete Quellen

Die Jahreszeiten verschieben sich.

Klimaerwärmung verändert unsere Jahreszeiten: Was das für uns bedeutet

Wissenschaftler haben die Klimadaten von 1952 bis 2011 ausgewertet und dabei festgestellt, dass die Sommer immer länger und heißer werden. Bleibt dieser Trend bestehen, kann das bald schwerwiegende Folgen für uns haben.

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