• Weltweit hat man sich an Meldungen von verheerenden Waldbränden schon länger gewöhnen müssen.
  • Mittlerweile werden solche Feuer aber auch hierzulande immer häufiger. Aktuell gibt es einen Großbrand am Brocken.
  • Wie ein Waldbrand entsteht, welche Regionen in Deutschland warum besonders gefährdet sind und was man gegen die wachsende Waldbrandgefahr tun kann, hat uns die Wissenschaftlerin Kirsten Thonicke im Interview erklärt.
Ein Interview

Frau Thonicke, wie entsteht eigentlich ein Waldbrand?

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Kirsten Thonicke: Ein Waldbrand entsteht, wenn der obere Boden stark ausgetrocknet ist und auch die Bäume stark unter Trockenheit und Hitze leiden und dann beispielsweise ein Blitz einschlägt. Dieser Blitzschlag hat genug Energie, um trockene Zweige auf dem Boden oder dürres Gras zu entzünden. Oder er trifft direkt den Baum, etwa eine Kiefer, die zudem noch ätherische Öle hat und dann anfangen kann zu brennen.

Viele Brände sind aber auch von Menschen ausgelöst, oder?

Leider ja. Wenn wir Brandstiftung außen vor lassen, bleiben als Ursachen immer noch Fahrlässigkeit wie aus dem Autofenster geworfene Zigaretten oder der Motor eines landwirtschaftlichen Geräts, der Funken wirft.

Und wie genau breitet das Feuer sich dann aus?

Wenn es am Boden bleibt, sprechen wir von einem Oberflächenbrand. Wenn es aber auf trockene Büsche trifft oder auf Nadelbäume, deren Zweige bis auf den Boden hängen, oder auf kleine Bäume, kann das Feuer auch die Baumkronen erreichen. Dann kann sich ein sogenanntes Kronenfeuer entwickeln, das vom Bodenbewuchs losgelöst und vom Wind getragen durch die Baumkronen läuft. Oder eben beides zusammen, sodass der gesamte Bestand abbrennt.

Reicht für ein solches Szenario schon eine kurze Trockenphase aus oder ist das ein längerer Vorgang?

Es braucht nur eine kleine trockene Schicht. Dafür reicht es, wenn es zwei bis drei Wochen nicht geregnet hat und noch entsprechende Wärme dazukommt. Aber je länger eine Dürre dauert, desto größer werden die Risiken. Durch diese Trockenheit ist die Vegetation gestresst und die Bäume zeigen möglicherweise noch Kronenvernichtungen auf, werfen also ganz oben die Blätter ab, weil sie nicht mehr richtig an Grundwasser kommen. Wenn dann noch eine Hitzewelle dazukommt, haben wir auch noch eine gewisse Thermik, also sehr trockene Winde dazu. So wie im Fall von Falkenberg Ende Juli in Brandenburg, wo an einem Tag mit sehr großer Hitze und großer Thermik durch heiße Winde das Feuer innerhalb von wenigen Stunden sehr schnell sehr groß geworden ist. An solchen Tagen braucht es fast nichts, ein kleiner Funken oder ein Blitzschlag reicht und das Ganze steht in Flammen.

Was kann man tun, um Waldbrände zu verhindern?

Wir brauchen ein völlig neues Risikobewusstsein: Dass man an einem solchen Tag den Wald nicht betritt oder Aktivitäten im Wald einschränkt, die irgendwie Funken auslösen könnten. Und wir müssen natürlich auch versuchen, der Natur zu helfen, indem wir sparsam mit Wasser umgehen, damit die Grundwasserspiegel nicht noch weiter sinken. Es ist ein sehr großes Alarmzeichen, wenn etwa in Brandenburg mittelgroße Flüsse und Bäche über den Sommer zeitweise trockenfallen. Und wir müssen rasch die CO2-Emissionen senken und nachhaltig mit unseren Ressourcen umgehen, um den Klimawandel zu bremsen. Denn der Klimawandel selbst löst zwar keine Feuer aus. Aber er führt zu Dürren, die Brände begünstigen.

Welche Regionen in Deutschland sind besonders gefährdet und warum?

Brandenburg und Sachsen. Zum einen, weil dort kontinentales Klima herrscht, es also warm und trocken werden kann. Dazu kommt, dass die sandigen Böden dort keine guten Wasserspeicher sind. Das heißt, sie können sehr schnell austrocknen. Und wir haben dort Kiefermonokulturen.

Was ist dabei das Problem?

Bislang war es kein Problem. Kiefern gedeihen bei gemäßigtem Klima und ausreichend Niederschlägen auf den sandigen Böden einfach sehr gut, was für die Holzwirtschaft sehr praktisch ist. Jetzt mit der größeren Waldbrandgefahr sind wir damit plötzlich nicht mehr gut aufgestellt. Brandenburg hat aber schon vor Jahren mit dem Waldumbau angefangen, um die Waldbrandgefahr zu senken. Mittlerweile hat man auch schon viele Erfahrungen gesammelt, welche Baumarten sich am besten eignen und beispielsweise verschiedene Eichenarten mit reingebracht. Überall dort, wo das gelungen ist, also in Mischwäldern, sieht man auch einen positiven Effekt. Und generell wäre es ökologisch sinnvoller, den Wald auch mal sich selbst zu überlassen. Da tun wir uns schwer, in anderen Ländern wie Kanada ist es ganz anders.

In Sachsen gab es allerdings auch Vorwürfe, dass das Totholz, das in bestimmten Schutzgebieten nicht entfernt werden durfte, die Feuer noch mit angefacht hat.

Das kann man nicht so pauschal sagen, sondern muss von den lokalen Gegebenheiten her entscheiden. Wir haben eine paradoxe Situation und konkurrierende Ziele: Einerseits brauchen wir das Totholz, damit es sich zersetzt und der Boden eine Humusschicht aufbaut. Wenn ich nur Bäume anpflanze und das Holz die ganze Zeit entnehme und damit kein Totholz dalasse, habe ich auch 250 Jahre nach der Wiederaufforstung immer noch nur Sandboden ohne nennenswerte Humusschicht. Das wäre aber notwendig, um die Wasseraufnahme des Bodens zu unterstützen und damit letztendlich den Wald auch gegen Brände resilienter zu machen. Andererseits brennt Totholz natürlich schneller, je trockener es ist und je intensiver der Brand bereits geworden ist.

Was können wir vielleicht von anderen Ländern noch lernen?

In vielen Regionen der Welt wird Feuer gezielt als Landschaftsmanagement eingesetzt. In der afrikanischen Savanne, im Mittelmeerraum, in Südamerika oder Australien gibt es viel traditionelles Wissen, Feuer gezielt einzusetzen, um Landschaftsreinigung zu betreiben. Inwiefern das jetzt überdacht werden muss, weil wir mit der Klimakrise extrem lange Trockenheiten und große Hitzewellen haben, ist sicherlich schwierig. Aber die extremen Feuer der letzten Jahre sind zum Teil in Gebieten aufgetreten, wo traditionelle Praktiken in Vergessenheit geraten sind. Also wenn wir jetzt an Australien oder Kalifornien denken, dann sind das alles Gebiete, wo früher traditionelles Wissen für Feuermanagement angewendet wurde und wo man jetzt wieder zu den Menschen der indigenen Völker Kontakt aufbaut, um das als Klimaanpassungsstrategie wiederzubeleben.

Wie funktioniert das dann?

Man legt Feuer in einem Zeitraum, in dem die Feuergefahr nicht so groß ist, also beispielsweise im Frühjahr bei niedrigen Temperaturen. Dann verbrennt man die ganze abgestorbene Substanz, um die in der trockenen Biomasse gebundenen Nährstoffe als Asche auf dem Boden als Dünger zu nutzen. Das ist für nährstoffarme Böden, die lange trockenfallen, von Vorteil. Und dadurch, dass man diese trockene Biomasse und sonstiges abgestorbenes Material kontrolliert verbrennt, verhindert man große intensive Feuer beziehungsweise kann es so ein bisschen steuern und verhindern, dass es in die Wälder übergreift, wo es großen ökologischen Schaden anrichten könnte. Für Deutschland ist so etwas aber wahrscheinlich nur in Ausnahmefällen eine Lösung. Und auch die beste Feueranpassung ändert nichts daran, dass wir den Ausstoß von Treibhausgasen vermindern müssen. Einfach, damit die schlimmen Trockenzeiten nicht immer häufiger werden.

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