- Kaum Winterfrost, dafür mehr Hitzetage, tropische Nächte und Dürren sowie mehr Regen im Winter – das ist Deutschlands Zukunft.
- Doch regional gibt es Unterschiede: Wir schlüsseln auf, wie sich das Klima vom Alpenraum über das Ruhrgebiet bis Nordfriesland entwickelt.
Dürresommer mit Ernteverlusten und Waldschäden, tödliche Hitzewellen sowie Überschwemmungen mit Toten und Milliardenschäden: Die Folgen der vom Menschen verursachten Klimakrise werden in Deutschland zunehmend spürbar und bislang ist nicht abzusehen, wann dieser Trend gestoppt werden wird.
Dank besserer Klimamodelle und größerer Rechenleistung gibt es inzwischen solide Projektionen, was die Klimakrise nicht nur global, sondern sogar regional heruntergebrochen in den kommenden Jahrzehnten bedeuten wird. Wir haben uns beispielhaft die Prognosen für einige deutsche Regionen angesehen, darunter die Nordseeküste, den Oberrhein, das Alpenvorland und die Ballungsräume Ruhrgebiet und Berlin.
Ohne Klimaschutz wird es 3,5 Grad wärmer
Mehr heiße Tage, mehr Dürren, mehr tropische Nächte und mehr Starkregenereignisse, das ist der generelle Trend für Deutschland in diesem Jahrhundert. Gegenüber dem Mittelwert der Jahre 1971 bis 2000 könnte es in einem Szenario ohne Klimaschutz in Deutschland zum Ende des Jahrhunderts 3,5 Grad wärmer geworden sein. Die Klimaforschung spricht dabei vom RCP8.5-Szenario oder einem "Weiter so wie bisher".
RCP steht dabei für einen "representative concentration pathway", der sich jeweils über den Strahlungsantrieb definiert. Dahinter wiederum verbirgt sich ein Maß für die Änderung der Energiebilanz der Erde infolge der Treibhausgase. Würden die Pariser Klimaschutzziele eingehalten, was in etwa dem RCP2.6-Szenario entspräche, läge die Erwärmung immer noch bei rund einem Grad. Auch dann gäbe es mehr Tropennächte, aber die Zahl der Starkregenereignisse und Trockentage würde sich kaum von den natürlichen Schwankungen abheben.
"Extremereignisse wie besonders heiße Tage oder Nächte unterliegen allerdings regionalen Unterschieden, weil das Ausgangsklima unterschiedlich ist", erläutert Dr. Sebastian Bathiany vom GERICS, dem Climate Service Center Germany innerhalb der Helmholtz-Gemeinschaft. Der Klimaforscher war wesentlich daran beteiligt, die möglichen Klimafolgen auf die einzelnen deutschen Landkreise herunterzubrechen. "Die Zunahme von Tagen mit mehr als 30 Grad ist dort am größten, wo es heute schon die meisten gibt", sagt Bathiany und nennt als Beispiele den Oberrheingraben, das Donautal und große Städte oder Ballungsräume wie Berlin und das Ruhrgebiet.
Mehr Dürren trotz größerer Niederschlagsmengen
Auf den ersten Blick kann irritieren, dass einerseits der Niederschlag zunehmen soll, andererseits aber auch die Dürren. Das liegt zum einen daran, dass die Verteilung des Niederschlags über das Jahr ungleicher wird. Zum anderen ist es aber auch simple Physik: Weil es wärmer wird, verdunstet mehr Wasser aus den Böden und über die Pflanzen, als der zusätzliche Niederschlag ausgleichen kann. "Schon heute ist es in Mittel- und Ostdeutschland besonders trocken und die Landwirtschaft oft am Limit", schildert Bathiany, "aber der Südwesten holt durch den Klimawandel auf und es werden auch dort längere Phasen der Trockenheit möglich".
Spezielle Bedingungen sind zudem an den Küsten und in den Bergen zu erwarten. An der deutschen Küste könnte der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu einem Meter ansteigen, sofern es bei der Entwicklung der globalen Emissionen ein "Weiter wie bisher" gebe, warnt Bathiany. Der Klimaforscher hat sich lange Zeit auch mit sogenannten Kipppunkten beschäftigt, also Einzelereignissen, die irreversibel zu massiven Klimaveränderungen führen könnten.
"Das Abschmelzen der Eisschilde ist der plausibelste Kandidat für einen Kipppunkt", sagt Bathiany. Entsprechende Effekte würden bereits beobachtet, konkrete Mechanismen dafür seien beschrieben, nur die Gesamtwirkung sei sehr schwer zu quantifizieren. Doch selbst wenn die Eisschilde abschmelzen und den Meeresspiegel dramatisch anheben würden, "dann geschieht das nicht wie in Katastrophenfilmen plötzlich, sondern über Jahrhunderte" – das hat auch der Weltklimarat unlängst bei der Vorstellung des Sechsten Sachstandsberichts betont.
Alpenraum erwärmt sich doppelt so schnell wie der globale Durchschnitt
In den Alpen steigen die Temperatur doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. Hier gehen Fachleute davon aus, dass die fünf letzten deutschen Gletscher noch in diesem Jahrhundert abgeschmolzen sein werden. Der Südliche Schneeferner auf der Zugspitze könnte schon 2030, spätestens wohl 2040 verschwunden sein.
Die unter den einstigen Gletschern freiwerdenden Felsmassen könnten dann zu gewaltigen Erosionen führen. Noch gravierender wäre aber, dass den Bergökosystemen ohne Gletscher im Sommer das Wasser ebenso fehlt wie vielen Bergdörfern – die dadurch vielleicht aufgegeben werden müssten.
So ändert sich das Klima in Nordfriesland
Bis Mitte des Jahrhunderts würde in Nordfriesland an der Nordsee ohne verstärkten Klimaschutz die Temperatur gegenüber dem Zeitraum 1971 bis 2000 um 1,9 Grad ansteigen. Es gäbe 27 Frosttage weniger. Heiße Tage, tropische Nächte und die Dauer von Hitzeperioden würden nur minimal zunehmen, der Niederschlag im Jahresmittel um sieben Prozent, vor allem im Winter.
Bei Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele würde die Temperatur um 1,3 Grad ansteigen und es gäbe 17 Frosttage weniger. Der Niederschlag nähme nur um 2,4 Prozent zu. Statt acht zusätzlicher schwüler Tage kämen vier hinzu. Während sich die Änderungen in diesem Szenario bis zum Ende des Jahrhunderts nur noch wenig weiter verschlimmern würden, würden sie sich ohne Klimaschutzbemühungen in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts deutlich verschärfen.
So ändert sich das Klima in Freiburg im Breisgau
Freiburg im oberrheinischen Tiefland erwartet ohne Klimaschutzmaßnahmen ein Temperaturanstieg von 1,9 Grad bis Mitte des Jahrhunderts. Es gäbe fünf zusätzliche heiße Tage (mehr als 30 Grad), 15 zusätzliche Sommertage (mehr als 25 Grad) und 31 Frosttage weniger. Hitzeperioden würden sich um 1,7 Tage verlängern. Der Niederschlag ginge im Sommer leicht zurück und würde im Winter um acht Prozent zunehmen.
Bei Einhaltung der Pariser Ziele stiege die Temperatur um 1,2 Grad, es gäbe zusätzlich drei heiße und neun warme Sommertage sowie 19 Frosttage weniger. Hitzeperioden würden sich um rund einen Tag verlängern. Inwiefern sich die Niederschlagsmengen verändern würden, ist statistisch nicht hinreichend belastbar. Deutlicher ist in den Daten dafür, dass es statt zwölf zusätzlicher nur noch vier zusätzliche schwüle Tage gäbe. Auch für Freiburg gilt, dass die zweite Hälfte des Jahrhunderts bei Einhaltung der Pariser Ziele dann kaum noch eine Verschlimmerung brächte.
Ein "Weiter so wie bisher" brächte jedoch das regionale Klima massiv durcheinander. Es würde den Sommerniederschlag um elf Prozent verringern, den Winterniederschlag um 14 Prozent erhöhen und zu zehn weiteren Trockentagen führen. Die Temperatur stiege um 3,6 Grad, es gäbe zusätzlich neun tropische Nächte, 13 heiße Tage, 33 Sommertage, 27 schwüle Tage, aber 54 Frosttage weniger.
So ändert sich das Klima in Garmisch-Partenkirchen im Alpenvorland
In Garmisch-Partenkirchen am Alpenrand würde es bis Mitte des Jahrhunderts ohne zusätzlichen Klimaschutz 2,1 Grad wärmer. Es gäbe einen zusätzlichen heißen Tag, neun zusätzliche Sommertage und 35 Frosttage weniger. Hitzeperioden wären einen Tag länger und es gäbe zwei zusätzliche schwüle Tage. Der Niederschlag im Winter nähme um sieben Prozent zu. Auch unter Einhaltung der Pariser Klimaziele würde der Winterniederschlag um rund sechs Prozent ansteigen.
Die Temperatur würde sich jedoch nur um 1,3 Grad erhöhen, es gäbe einen heißen und fünf Sommertage mehr. Während das Paris-Szenario bis 2100 dann kaum weitere Veränderungen zur Folge hätte, wären die Folgen eines "Weiter so" am Alpenrand drastisch. Die Temperatur stiege um 3,9 Grad, es gäbe zusätzlich vier heiße und 22 Sommertage, neun weitere schwüle Tage, aber an 63 Tagen weniger Frost.
So ändert sich das Klima in Essen im Ruhrgebiet
In Essen im Ruhrgebiet wären ohne weiteren Klimaschutz zur Mitte des Jahrhunderts 1,8 Grad mehr zu erwarten. Es gäbe vier heiße und elf Sommertage zusätzlich sowie zwei tropische Nächte und elf schwüle Tage. Frost gäbe es an 27 Tagen weniger. Der Niederschlag würde im Sommer leicht abnehmen, im Winter etwas stärker zunehmen. Den geringeren Sommerniederschlag gäbe es auch bei Einhaltung der Pariser Ziele, jedoch nicht die Zunahme im Winter.
Wie meist in diesem Szenario sind die Projektionen zum Niederschlag statistisch jedoch nicht robust. Die Temperatur stiege um 1,2 Grad, es gäbe zwei heiße und neun Sommertage zusätzlich, eine weitere tropische Nacht und sechs weitere schwüle Tage. Während sich die Situation in diesem Szenario bis zum Ende des Jahrhunderts sogar leicht entschärfen könnte, wären die Folgen eines "Weiter so" umso drastischer: Die Temperatur stiege um 3,2 Grad, es gäbe zehn weitere Hitze- und 25 weitere Sommertage, sieben zusätzliche tropische Nächte und 26 weitere schwüle Tage. Hitzeperioden wären um drei Tage verlängert. Der Sommer würde um neun Prozent trockener, der Winter um 15 Prozent nasser.
So ändert sich das Klima in Berlin
Auch die Hauptstadt Berlin würde ein "Weiter so" bereits zur Mitte des Jahrhunderts deutlich spüren. Die Temperatur läge um 2,0 Grad höher, es gäbe fünf heiße und zwölf Sommertage zusätzlich, mit drei weiteren tropischen Nächten, zehn zusätzlichen schwülen Tagen und einer 1,3 Tage längeren Dauer von Hitzeperioden.
Frosttage gäbe es 33 weniger. Regen nähme im Sommer um vier, im Winter um neun Prozent zu. Innerhalb der Pariser Klimaziele wären die Niederschlagsänderungen deutlich geringer. Die Temperatur stiege um 1,3 Grad, es gäbe zwei heiße und acht Sommertage mehr sowie eine tropische Nacht und fünf schwüle Tage. Frosttage gäbe es 23 weniger.
"Städte sind anfälliger für Hitze, weil es weniger Vegetation gibt, die durch Verdunstung kühlt, und weil Stein und Beton Wärme gut speichern", erläutert Bathiany. Das träfe besonders die küstenfernen Städte im Süden wie Karlsruhe, Freiburg und München, aber durchaus auch Berlin. "Die mittlere Temperatur steigt zwar in allen Städten ähnlich, aber die Extreme sind in diesen Großstädten extremer", so der Klimaforscher.
Eine gute Nachricht zum Schluss: Stürme wird es in Deutschland wahrscheinlich nicht häufiger geben. "Die Modelle zeigen keine klare Änderung bei Winterstürmen oder Windgeschwindigkeiten", berichtet Bathiany. Einige Modelle prognostizieren demnach geringe Zunahmen, andere leichte Abnahmen. Dass dennoch oft von mehr Stürmen die Rede ist, erklärt sich der Klimaforscher so: "Hurrikane werden sehr wahrscheinlich stärker – aber das betrifft Deutschland ja nicht."
Autor: Björn Lohmann
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