• Die Wintersportsaison beginnt – doch ob es für deutsche Skigebiete eine gute Saison wird, hängt vor allem von den Schneeverhältnissen in diesem Winter ab.
  • Durch den Klimawandel sind die langfristigen Prognosen eher düster: Skigebiete in deutschen Mittelgebirgsregionen könnten in den nächsten Jahren vor dem Aus stehen, sagt Peter Hoffmann.
  • Im Interview erklärt der Meteorologe vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, wie sich die Schneesicherheit in Deutschland entwickelt, ob die Dramatik bei Betreibern von Skigebieten angekommen ist und warum Klimaerwärmung nicht automatisch milde Winter bedeutet.
Ein Interview

Klimawandel bedeutet, dass die Oberflächentemperaturen weltweit im Mittel steigen. Wir haben in Deutschland einen sehr heißen und trockenen Sommer erlebt. Bedeutet das zwangsläufig auch, dass die Winter immer wärmer und trockener werden?

Peter Hoffmann: Nein, nicht zwangsläufig. Die Landmassen speziell in Mitteleuropa erwärmen sich fast doppelt so stark wie im globalen Mittel. Betrachtet man die langfristigen Trends in Deutschland, liegen wir schon 1,6 Grad über den Werten des vorindustriellen Zeitalters - also deutlich über dem global gemessenen Mittel von 1,2 Grad. Betrachtet man nur die Abweichungen der jüngsten Jahre, sind es sogar 2 Grad in Deutschland. Das heißt, die Oberflächentemperaturen verändern sich weltweit nicht gleichmäßig. Durch diese Verschiebung der Kontraste wird auch die atmosphärische Dynamik gestört, was sich vor allem auf die Beständigkeit von Wetterlagen auswirkt. Winter werden also nicht grundsätzlich milder mit Regen statt Schnee, so einfach ist es nicht. Denn kritische Wetterlagen können auch in Zeiten der Klimaerwärmung starke Schneefälle in den Mittelgebirgsregion auslösen. Leider folgen darauf dann doch meist sehr milde Phasen und die Winterlandschaften schmelzen rasch dahin.

In schneestarken Regionen könnte der Schnee in Zukunft also ausbleiben und dafür gibt es starke Wintereinbrüche in Gegenden, für die das eher untypisch ist?

Genau. Ungewohnte Kaltluftausbrüche können auch verstärkt die Mittelmeerregionen erfassen und dort für zeitweiliges Schneechaos sorgen. Zu warme Wassertemperaturen für die Jahreszeit können diesen Effekt verstärken. Die warme Ausgleichsströmung kann umgekehrt weit nach Norden ausgreifen. So kann es in arktischen Regionen zu vergleichsweise milden Temperaturen und in südlichen Regionen wie Nordafrika oder dem Mittelmeer zu ungewöhnlich frostigen Temperatureinbrüchen kommen. Das ist eine Entwicklung, die wir immer stärker beobachten und die nicht im Widerspruch zu klimatischen Entwicklungen stehen. Denn es handelt sich um eindrucksvolle Ausnahmen von der Regel.

Wie genau lässt sich das für einzelne Regionen zum Beispiel in Deutschland prognostizieren?

Klimaprognosen für einzelne Regionen sind grundsätzlich schwierig. Die Klimamodelle zeigen die langfristigen Entwicklungen - Wettervariabilität, also die Veränderung und Beständigkeit von Wetterlagen, wird eher unterschätzt. Das macht die Risiken durch den Klimawandel zum Teil schwieriger kalkulierbar. Deshalb vergleicht man real gemessene Werte mit Modellsimulationen des gleichen Zeitraums und schaut, ob es da Übereinstimmungen oder auch Diskrepanzen gibt. Tatsächlich zeigen die beobachteten Erwärmungstrends über die letzten Jahrzehnte einen stärkeren Anstieg als das Mittel über mehrere Modellsimulationen. Bei langfristigen Prognosen muss man daher berücksichtigen, dass sich die reale Welt durchaus rascher entwickeln kann, als es uns Modelle prognostizieren.

Wie hat sich die Schneesicherheit in Deutschland in den letzten Jahren verändert?

Schneemessungen gehören nicht zu den zuverlässigsten Indikatoren für langfristige Klimatrends, das muss man dazu sagen. Das liegt auch an der zunehmenden Automatisierung der Messungen. Nichtsdestotrotz sieht man, dass die Zahl der Tage mit Dauerfrost in den Mittelgebirgslagen in Deutschland in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist und sich somit die Schneegrenze in höhere Lagen verschoben hat. Das gewohnte Bild weißer Winterlandschaften wird immer mehr gestört. Bedingungen, die den Wintertourismus ausmachen – also winterliche Temperaturen, die weiße Landschaften und Schneesicherheit auf den Pisten ermöglichen – werden unsicherer.

Bereits Anfang der 2000er-Jahre kam ein Forschungsprojekt zum Ergebnis, dass sich die Schneegrenze mit jedem Grad globaler Klimaerwärmung um 150 Meter nach oben verschiebt. Das klingt erst mal gar nicht so dramatisch aus Sicht eines Skigebiets, dessen Pisten sich über 1.000 Höhenmeter und mehr erstrecken.

Solche Angaben machen die Veränderungen plastischer, aber das sind Durchschnittswerte. Darunter sind also auch Regionen, in denen der Effekt viel stärker ist als in anderen. Für Skigebiete unterhalb 1000 Meter kann es 2050 dann das Aus bedeuten. Nichtsdestotrotz, die Winter werden auch in den nächsten Jahren erst einmal die Winter bleiben, zumindest in der Form wie man sie heute wahrnimmt. Denn die Veränderungen passieren schleichend. Deshalb bekommt die Bevölkerung da immer wieder auch Zweifel an der Dramatik des Klimawandels. Aber es geht um die langfristigen Entwicklungen und da sind Messdaten das objektivste Mittel, das wir haben.

Der Tourismusforscher Jürgen Schmude der Ludwig-Maximilians-Universität München hat in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung" gesagt, im Jahr 2050 würden in Deutschland nur noch zwei bis drei Skigebiete geöffnet sein. Haben Skigebiete unterhalb von 1.500 Metern keine Zukunft mehr?

Regionen, in denen man beständig vom Wintersporttourismus leben kann, werden weniger werden. Die Größenordnung von zwei bis drei Skigebieten in Deutschland halte ich für realistisch. Es wird immer wieder Tage geben, in denen auch Skigebiete in niederen Lagen gute Bedingungen vorfinden – gefolgt von einer Serie ungünstiger Tage ohne Frost. Dieser Kontrast macht das Geschäft unrentabel. Skiregionen unter 1.000 Meter sind daher langfristig nicht mehr geeignet, um vernünftig Wintersport betreiben zu können. Der Skitourismus wird sich zwangsläufig in höhere Lagen verschieben. Zum Wintersport gehört auch nicht nur ein beschneiter Hang, sondern auch weiße Landschaften drumherum. Skifahren inmitten grüner Landschaft ist nicht das, was viele suchen. Das ist auch ein ästhetisches Problem.

Sind sich die Betreiber deutscher Skigebiete im Klaren darüber, wie dramatisch ihre Situation ist?

In den Mittelgebirgsregionen sind sich die Betreiber der Entwicklung durchaus bewusst. Man versucht, das bisherige Geschäft weiter zu betreiben und zum Beispiel fehlenden Schnee unter hohem energetischem Aufwand mit Beschneiungsanlagen zu kompensieren. Ob nachfolgende Generationen das Geschäft noch so weiter betreiben können, darf man bezweifeln. Was die Mittelgebirgsregionen schon jetzt erleben, kommt auf die alpinen Regionen später zu. Das muss man bei Investitionen heute mitdenken und überlegen, ob man seine Angebote nicht stärker auf Ganzjahrestourismus ausrichtet. Skigebiete stehen dabei vor einer doppelten Herausforderung: Der Klimawandel mit unsicheren Schneelagen einerseits und Maßnahmen zu nachhaltigerem Tourismus andererseits.

Welche Möglichkeiten haben die Skigebiete? Kann man an der Entwicklung noch etwas ändern oder können sich die Betreiber nur noch auf veränderte Bedingungen einstellen?

Das ist eine Entwicklung, die sich seit Jahrzehnten abzeichnet und die immer stärker sichtbar wird. Diese Veränderungen können wir nicht von heute auf morgen zurückdrehen. Insofern hilft nur Anpassung an sich verändernde Bedingungen. Dabei muss auch der eigene Beitrag zum Klimaschutz mitgedacht werden. In Zeiten hoher Energiekosten und Wasserknappheit macht die künstliche Beschneiung von Pisten wenig Sinn. Der Aufwand wird in Zukunft nicht weniger werden, wenn sich die klimatischen Bedingungen weiter verschieben, im Gegenteil: Wenn die Zahl der Frosttage abnimmt, schmilzt auch der künstliche Schnee. Auch die politischen Rahmenbedingungen für den Einsatz solcher Anlagen werden sich in Zukunft sicher noch verändern.

Sie sagen, der Wintersport wird sich in höhere Lagen verschieben. Aber auch alpinen Regionen sind nicht vor dem Klimawandel gefeit. Messungen zeigen, dass die Temperatur in den Alpenregionen seit dem 19. Jahrhundert etwa doppelt so schnell gestiegen ist wie im weltweiten Durchschnitt. Woran liegt das?

Das ist ein ähnlicher Effekt wie in den arktischen Regionen: Durch höhere Temperaturen schwinden die Schneeflächen, die einen Großteil des Sonnenlichts reflektieren. Die dunkleren Flächen darunter reflektieren das Licht nicht und beschleunigen somit die Erwärmung. Das ist ein selbstverstärkender Effekt. Die Gletscherschmelze gehört zu den sogenannten Tipping Points (Kippelementen), die bei niedrigen Erwärmungsstufen ihren Zustand unwiderruflich verändern. Sind die Gletscher einmal verschwunden, bauen sie sich - wenn überhaupt – nur über einen Zeitraum von Jahrtausenden wieder auf.

Vom Skitourismus mal abgesehen: Welche Konsequenzen hat es noch, wenn der Schnee ausbleibt?

Schnee ist ein Wasserspeicher. Viele deutsche Flüsse werden durch die Schneeschmelze im Frühjahr gespeist. Fällt der Schnee im Winter weg, könnten die Pegelstände der Flüsse schon im Frühjahr viel niedriger sein als heute.

Über den Experten: Dr. Peter Hoffmann ist Meteorologe und untersucht am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung die langfristige Veränderung von Wettermustern in Europa und bewertet sie im Kontext des Klimawandels.

Mehr zum Thema Klimakrise

Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.