Anfang August verbreitete ein TikTok-Account ein Video mit einem verkürzten Wetterbericht. Dazu heißt es: "2023 kältester Sommer seit 30 Jahren". Dabei wurde das so in dem Video nicht behauptet.
Statt Sonne, Balkonien oder Spazierengehen im Park war für die meisten in der zweiten Julihälfte 2023 in Deutschland vor allem eines angesagt: Regenwetter und Herbsttemperaturen. Das hat bei vielen Menschen nicht nur auf die Stimmung gedrückt, sondern auch für Spekulationen gesorgt. Auf TikTok verbreitete sich die Behauptung: "2023 kältester Sommer seit 30 Jahren" – rund 200.000 Menschen sahen ein entsprechendes, knapp anderthalb Minuten langes Video.
Darin ist ein Mann namens Kai Zorn zu sehen, der sagt, der Sommer 2023 könnte "einer der kältesten und nassesten Sommer [...] der vergangenen 30 Jahre" werden. Das Video auf TikTok ist jedoch ein irreführender Zusammenschnitt aus einem viel längeren Video von Zorn. Ein Text, der über dem Video steht, gibt den Inhalt zudem falsch wieder.
Wir haben uns Auswertungen des Deutschen Wetterdienstes von Juni und Juli 2023 (DWD) angeschaut und Einschätzungen von Meteorologen eingeholt, um herauszufinden, wie kalt der Sommer im Vergleich zu anderen Jahren bislang wirklich war (Stand: 17. August).
Vorhersage von Kai Zorn manipulativ zusammengeschnitten
Auf YouTube finden wir das ungekürzte Video von Zorn. Darin sagt er: "Das Wetter in diesem Sommer ist höchst unterschiedlich. Der Sommer begann sehr sonnig und warm, ist dann abgestürzt. Im Norden Deutschlands beispielsweise könnte er, wenn der August es nicht richtet, einer der kältesten und nassesten Sommer werden der vergangenen dreißig Jahre."
Zorn formuliert seine Prognose im YouTube-Video im Konjunktiv. Auf TikTok wurde das Video manipulativ zusammengeschnitten, sodass man die Formulierung im Konjunktiv nur dann hört, wenn man sich das ganze Video in Schleife ansieht. Im Beschreibungstext des Videos auf TikTok fehlt der Hinweis auf das "könnte" komplett. Dass die Prognose nur für den Norden Deutschlands gelten soll, wird auf TikTok unterschlagen; die entsprechende Stelle wurde aus dem Video herausgeschnitten. Zorn sagte also nicht, dass es der kälteste Sommer seit 30 Jahren sei, sondern dass es im Norden Deutschlands einer der kältesten werden könnte.
So warm war der Sommer 2023 bislang wirklich
Aber welche Fakten sind eigentlich notwendig, um den Sommer 2023 zu bewerten?
Der meteorologische Sommer beginnt am 1. Juni und endet am 31. August. Bereits der Juni war 2,1°C wärmer als das im wissenschaftlichen Vergleichszeitraum zwischen 1991 und 2020 der Fall war. Er bot zudem überdurchschnittlich viel Sonnenschein im Vergleich zu den Jahren 1961 bis 1990, schreibt der DWD.
Der Trend setzte sich in der ersten Monatshälfte des Julis fort. Und trotz des nasskalten Wetters in der zweiten Julihälfte war der Monat laut DWD vor allem zu warm. Im Vergleich zur Referenzperiode 1991 bis 2020 ist der Juli, trotz anderer subjektiver Wahrnehmung, 0,4°C wärmer gewesen.
Die Statistik zeigt also: Bereits im Juni und Juli war der Sommer wärmer als frühere Sommer. Für eine abschließende Beurteilung "des Sommers" fehlt noch die Temperatur aus August. Der ist aber noch nicht vorbei und lässt sich auch nicht verlässlich vorhersagen.
"Schon ab sieben Tagen bei Regen- und ab zehn Tagen bei Temperaturvorhersagen nehmen die Fehlerquellen so stark zu, dass man kaum mehr genaue Aussagen über die Regen- und Temperaturereignisse treffen kann, sondern nur noch mögliche Trends erkennt", schrieb uns Meteorologe Andreas Friedrich vom DWD am 18. August 2023.
Dass der Sommer 2023 aber der kälteste Sommer seit 30 Jahren werden könnte, sah Friedrich zu diesem Zeitpunkt nicht. "Dafür müsste es schon unfassbar kalt im August werden, damit der Sommer 2023 noch zu kalt ausfallen sollte." Der kälteste Sommer der vergangenen 30 Jahre war der Sommer 1993 mit einer mittleren Temperatur von 15,84°C. Wahrscheinlicher sei, dass der Sommer 2023 wieder zu warm wird.
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