Vertreter und Vertreterinnen von 196 Staaten einigten sich bei der Weltklimakonferenz in Dubai (COP28) auf den "Übergang weg von fossilen Energieträgern" – dank eines Kompromisses mit den Öl- und Gasstaaten. Die Reaktionen aus Politik und Wissenschaft sind gemischt.
Viele Tränen der Erleichterung waren in den Augen der Delegierten während der abschließenden Sitzung des Klimagipfels in Dubai am 14. Dezember zu sehen. Doch in den Augen der Delegierten von den Marshall-Inseln waren es Tränen der Enttäuschung. Darauf ging auch die deutsche Außenministerin
Dass der diesjährige Leiter der Weltklimakonferenz, Sultan Ahmed Al Jaber zum Abschluss seiner Familie dankte, bezeichnet Baerbock als "einen großartigen Abschluss" am Ende eines Verhandlungsmarathons: "Der entscheidende Moment war der, an dem die Delegierten dachten: 'Was werden unsere Familien von uns denken, wenn wir nach Hause gehen?'", sagte sie. Dies sei der entscheidende Moment gewesen, "um noch mehr zu leisten".
Reaktionen: Von "historisch" bis "enttäuschend"
Die Reaktionen auf die Verhandlungsergebnisse der UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai reichen von "historisch" bis "enttäuschend". "Historisch" ist sie für all diejenigen, die nicht daran glaubten, dass die im Golfstaat der Vereinten Arabischen Emirate stattfindende Konferenz tatsächlich die Abkehr von fossilen Energieträgern einläuten würde.
"Enttäuschend" ist sie vor allem für die Vertreterinnen und Vertreter der Inselstaaten, denen die Ergebnisse nicht weit genug gehen: Sie sehen ihre Länder verloren, da die Staaten der Welt ihre Klimaziele nicht hoch genug stecken und nicht mit ausreichend Klimaschutz-Maßnahmen hinterlegen.
Für die Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS), deren Bewohnerinnen und Bewohner mit am stärksten und frühesten von Klimafolgen wie dem Anstieg des Meeresspiegels betroffen sind, erklärte die Delegierte von Samoa auf der Abschlussveranstaltung, dass sie noch nicht zurück im Saal waren, als das Abschlussdokument beschlossen wurde. Dabei ist der Konsens aller Staaten notwendig. Sultan Ahmed Al Jaber reagierte auf die Kritik im Plenum nicht.
Abkehr von fossilen Energien
Erstmals wurde in einem Abschlussdokument der Weltklimakonferenz die Abkehr von fossilen Energieträgern beschlossen, weil die Öl- und Gasstaaten mitzogen. Die Abkehr bezieht sich auf fossile Energieträger Kohle, Öl und Gas in Energiesystemen, nicht aber auf deren Einsatz in der Stahl- oder Chemieindustrie.
Die Ölstaaten sehen, wie der Delegierte Saudi-Arabiens für die 22 Staaten der arabischen Gruppe betonte, den "gesamten CO2-Kreislauf" und wollen "alle Technologien nutzen, um die Emissionen zu reduzieren". Gemeint sind Technologien wie Carbon Capture, weshalb ausdrücklich die Speicherung und Abscheidung des Treibhausgases erlaubt wurden.
Mit der beschlossenen Abkehr von fossilen Energieträgern "wurde erstmals das Kernproblem der Klimakrise benannt, nachdem Jahrzehnte lang auf dem internationalen Parkett darum herumgetänzelt wurde", kommentiert Viviane Raddatz, Klimachefin der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland. "Das ist ein immens wichtiges Signal – auch gegen die Erschließung neuer Öl- und Gasquellen."
Aus Sicht der Wissenschaft ist der Kompromiss allerdings weniger überzeugend. "In Deutschland kennen wir diese Diskussion unter dem orwellschen Begriff 'Technologieoffenheit', " kommentiert der Klimawissenschaftler Carl-Friedrich Schleussner von der Humboldt-Universität zu Berlin. Mit Blick auf die Politik räumt er ein: "Die Liste der Scheinlösungen war wohl nötig, um die fossilen Länder mit an Bord zu holen. Es ist eben ein Kompromiss."
Deutschland hatte sich 2023 unter anderem in Afrika intensiv um die Erschließung neuer Gasquellen bemüht. Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, sagte dazu: "Wir können das 1,5-Grad-Limit nur einhalten, wenn wir die erneuerbaren Energien endlich massiv ausbauen und überflüssige LNG-Großprojekte wie auf Rügen stoppen."
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Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel
Während auf der COP27 das Bekenntnis zum 1,5-Grad-Ziel noch wackelte, ist es nun klar und deutlich. Das Abschlussdokument hält dazu konkrete, wissenschaftsbasierte Zahlen fest: Demnach müssen die Treibhausgas-Emissionen um 43 Prozent bis 2030, um 60 Prozent bis 2035 verringert und schließlich 2050 auf Netto-Null gebracht werden, um die durchschnittliche globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu beschränken.
Laut dem Synthesebericht des Weltklimarats wird mit diesen Reduktionswerten der Temperaturanstieg bei 1,6 Grad stabilisiert, um ihn dann bis 2100 wieder auf 1,5 Grad zu drücken, erklärt Oliver Geden vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit (SWP). Entsprechend sei auch die Formulierung von Netto-Negativ-Zielen für 2060 notwendig, zu denen sich bisher noch kein Land verpflichtet habe. Im Abschlussdokument des Klimagipfels steht dazu jedenfalls nichts.
Ambitionslücke: Nationale Beiträge reichen nicht aus
Die aktuellen nationalen Klimaschutz-Beiträge (NDCs) reichen nur aus, um die Emissionen bis 2030 um 5,3 Prozent im Vergleich zu 2019 zu senken. Das ergab die erste globale Bestandsaufname, der Global Stocktake, der zur Kernaufgabe der COP28 gehörte. Er sollte acht Jahre nach Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens die Staaten darüber informieren, wo sie in Summe mit ihren nationalen Klimazielen und -aktivitäten stehen und wie diese nachgebessert werden müssen.
Entsprechend ist es nun an den Ländern, die Ziele bis 2030 nachzubessern und neue Ziele bis zum Jahr 2035 zu formulieren. Dabei wurde im Abschlussdokument gefordert, dass die nationalen Beiträge schrittweise angehoben werden müssen.
"Der entscheidende Lackmustest für das Pariser Abkommen ist aber ohnehin nicht der Global Stocktake, sondern die nächste Runde der nationalen Klimaziele (NDCs) für 2035, die bis 2025 einzureichen sind", sagt Oliver Geden. Er macht darauf aufmerksam, dass die Europäische Union den NDC für alle europäischen Mitgliedstaaten meldet – Deutschland hat keinen eigenen NDC.
Reimund Schwarze, Klimawissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), erklärt dazu: "Die noch bestehende Lücke zu einem Paris-konformen Emissionspfad liegt bei etwa 20 bis 23 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalent. Das ist knapp die Hälfte der derzeitigen jährlichen Treibhausgasemissionen der Welt."
Auf dem Klimagipfel sei allerdings kaum über die Defizite in der Umsetzung gesprochen worden: "Was aber nützt mehr Ehrgeiz bei dem Klimazielen, wenn es beim Vollzugsdefizit bleibt." Das Defizit liege bei 10 bis 20 Prozent. Hätte der Gipfel diese Defizite "schonungslos" analysiert, wäre er ein Erfolg gewesen, bilanziert der Klimaforscher.
Ausbau von Erneuerbaren, Kernenergie und CCS
Um die 1,5-Grad-Grenze nicht dauerhaft zu überschreiten, einigten sich die Delegierten auf eine Verdreifachung der globalen Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen und eine Verdopplung der Energieeffizienz.
Von einem Kohleausstieg aller Länder ist im Dokument keine Rede, aber die Kohlenutzung soll beschleunigt heruntergefahren werden, wenn die entstehenden Emissionen nicht mit Technologien wie Carbon Capture abgefangen werden. Dafür schlossen sich der sogenannten Kohleausstiegsallianz 167 Staaten an, unter anderem die USA, Kolumbien, Marokko und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Sie alle verpflichten sich zu einem Ausstieg aus der Kohle in den 2030er Jahren.
Die Länder sollen sich außerdem stärker um eine Netto-Null-Energieerzeugung bemühen, wobei die Nutzung sogenannter kohlenstoffarmer Brennstoffe erlaubt bleibt. Emissionsarme oder -freie Technologien sollen verstärkt zum Einsatz kommen – dazu zählen ausdrücklich Kernenergie und Carbon Capture Storage (CCS). Diese sollen primär für Sektoren genutzt werden, die nur schwer zu dekarbonisieren sind.
Überdies sollen auch andere Treibhausgase wie Methan stärker und schneller gemindert werden. Dazu wurde das "Methane Alert and Response System” (MARS) aufgesetzt. Es soll bei besonderen Emissionsereignissen Staaten und deren Unternehmen informieren, damit diese beispielsweise ein Leck so schnell wie möglich schließen können. Emissionen aus dem Straßenverkehr sollen zügiger verringert und Subventionen fossiler Energieträger abgebaut werden. Im sogenannten Methan-Pledge versprachen 50 große Öl- und Gasfirmen ihre Methan-Emissionen deutlich zu reduzieren.
"Die starke Aufforderung an alle Länder, bis 2050 globale Netto-Null-Emissionen zu erreichen, ist ein großer Schritt in Richtung 1,5-Grad-Ziel", sagt der Berliner Klimawissenschaftler Carl-Friedrich Schleussner. "Wenn dieses Emissionsziel erreicht würde, wäre ein mögliches Überschreiten von 1,5 Grad auf wenige Zehntel Grad begrenzt. Ein Absenken auf 1,5 Grad bliebe weiter in Reichweite."
Mehr Geld für Klimaschäden
Die bereits zum Start der Konferenz beschlossene Einrichtung des Loss & Damage-Fonds für Klimaschäden und -verluste wurde mit Zusagen von Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) mit jeweils 100 Mio. US-Dollar hinterlegt. Zum Ende der Konferenz wurden Zusagen von 792 Mio. US-Dollar erreicht.
Für Wolfgang Obergassel vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie ist es ein "ein klarer Gewinn", dass der Fonds damit nun endlich an den Start gehen kann: "Der Globale Süden hat jahrzehntelang dafür gekämpft, dass dieses Problem angegangen wird, jetzt ist der Fonds da." Die Anfangskapitalisierung des Fonds könne nur ein Ausgangspunkt sein.
Dass mit den VAE erstmals ein 1992 in der UN-Klimarahmenkonvention noch als Entwicklungsland eingestuftes Land als Geber in einen UN-Klimafonds einzahlt, "ist eine Weichenstellung, die weit über diese Weltklimakonferenz hinauswirkt", stellt das deutsche Bundesumweltministerium fest. Bisher bestehen nämlich auch Länder wie Saudi-Arabien und China, die damals als Entwicklungsländer eingestuft wuren, im Rahmen der Klima-Verhandlungen auf diesen Status.
Weitere 12,8 Milliarden US-Dollar wurden für den Grünen Klimafonds zugesagt, der unter anderem von Deutschland, Großbritannien und den USA finanziert wird. Er unterstützt von 2024 bis 2027 Projekte, die den Klimaschutz und die Energiewende in Entwicklungs- und Schwellenländern voranbringen.
In der Abschlusserklärung gab es zudem eine historische Einigung über den Stopp von Entwaldung bis 2030. Der Schutz der Ökosysteme an Land wie in den Meeren wurde betont, ebenso die Stabilisierung von Wasserkreisläufen. Die deutsche Bundesumweltministerin Steffi Lemke sieht dies "ganz eng geknüpft" an die Ziele des Biodiversitätsabkommens von Kunming-Montreal. Erstmals wurde in einem COP-Abschlussdokument auch die Kreislaufwirtschaft als Lösungsansatz hervorgehoben.
Aufgaben für die COP29: Regulierung des CO2-Markts
In Sachen Klimafinanzierung ist die Weltgemeinschaft auf dem Gipfel nicht weitergekommen. Gespräche über die Mechanismen des Emissionshandels scheiterten, weil die EU stärkere Transparenzregeln und eine Aufsicht forderten – die USA aber eine weniger verbindliche Regulierung bevorzugten.
"Es ist sehr bedauerlich, dass hier keine Fortschritte erzielt werden konnten, die die Rahmenbedingungen für bilaterale, regionale CO2-Märkte als auch für internationale CO2-Märkte hätten etablieren sollen", sagt Wilfried Rickels, Leiter des Forschungszentrums Global Commons und Klimapolitik am Institut für Weltwirtschaft (IfW). Hier werde "viel Potenzial für effiziente Emissionsreduktionen verschenkt".
Gilles Dufrasne, Policy Lead für globale Kohlenstoffmärkte beim Watchdog Carbon Market Watch hingegen sagt, dass damit verhindert worden sei, "dass die Fehler des freiwilligen CO2-Marktes wiederholt werden und das falsche Signal an Unternehmen und Länder gesendet wird, die sich ihrer Klimaverantwortung entziehen wollen." Nötig seien strenge Schutzmaßnahmen für Menschenrechte und die Umwelt, wie zahlreiche Skandale der letzten Monate gezeigt hätten. Gleichwohl bestehe ohne einen weltweit einheitlich und klar regulierten CO2-Markt die Gefahr, dass sich die freiwilligen CO2-Märkte weiter von ihren Klimaziele entfernen.
Die nächste Weltklimakonferenz COP29 in Baku in Aserbaidschan wird dieses Thema noch einmal angehen müssen.
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