Lenken die mächtigsten Männer und Frauen der Welt unsere Geschicke hinter verschlossenen Türen? Einmal pro Jahr treffen sich die sogenannten Bilderberger in abgeschotteten Hotels. Verschwörungstheoretiker sind sich sicher: Die Wirtschaftsbosse, Politiker und Journalisten bilden eine geheime Weltregierung – mit den Rothschild-Bankiers im Zentrum.
Ohne sie hätten die deutsche Wiedervereinigung und die Mondlandung nicht stattgefunden, der Euro wäre nie eingeführt worden und
Ein geheimer Zirkel von reichen und mächtigen Menschen soll bestimmen, was auf der Welt passiert, und dafür sorgen, dass es auch umgesetzt wird. Die Rede ist von den Bilderbergern. Dabei handelt es sich um einige ausgewählte Personen, die sich einmal pro Jahr an wechselnden Orten treffen.
Dass es diese geheimen Zusammenkünfte gibt, ist unbestritten. Aber sie sind auch Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker, die dazu allerhand obskure Theorien entwickeln. Darin spielt auch oft übler Antisemitismus eine Rolle. Denn auch die Bilderberger sind angeblich nur Marionetten einer eigentlich jüdischen Weltherrschaft. Aber wer sind die Bilderberger, und welche Macht haben sie wirklich?
Könige, Unternehmer, Militärs, Geheimdienstler
Jedes Jahr trifft sich irgendwo auf der Welt eine Gruppe von reichen und einflussreichen Menschen. Sie debattieren drei Tage lang abgeschottet und in geheimen Gesprächen über die Lage der Welt, zuletzt im Juni in einem Luxushotel in Dresden, im Jahr davor im österreichischen Telfs.
Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen, was besprochen wird, dringt nicht nach außen. Zwischen 130 und 140 Frauen und Männer aus mehr als 20 Ländern gehören zu der illustren Runde. Es sind Politiker, Unternehmer, Könige, Journalisten, Militärs, Geheimdienstler, vorwiegend aus den USA, Europa und Kanada.
Die internationale Elite trifft sich ungezwungen
Die Teilnehmer der Bilderberger-Konferenzen lesen sich wie ein Who-is-who der internationalen Elite. Im Lauf der Jahre waren unter anderem dabei: Die ehemalige Königin Beatrix von Holland, Kanzlerin
1954 fand die Bilderberger-Konferenz erstmals statt, eingeladen hatte der niederländische Prinz Bernhard ins Hotel de Bilderberg in Oosterbeek. Das Treffen sollte wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ungezwungene und informelle Gespräche zwischen Westeuropa und den USA ermöglichen. Die Mächtigen der Welt sollten mehr und besser kommunizieren, um in Zukunft Kriege und Katastrophen zu verhindern. Die Konferenzen stehen nach eigener Aussage unter dem Motto "Diskussion und Dialog fördern". Erst seit 1972 sind auch Frauen bei den Konferenzen dabei.
Schlüsselrollen für die Deutsche Bank und die "Zeit"
Dabei sein darf nur, wer eine Einladung bekommt: Sie wird durch den Vorsitzenden und die beiden ehrenamtlichen Generalsekretäre ausgesprochen. Der aktuelle Vorsitzende ist seit 2010 Henri de Castries, Vorstandsvorsitzender des französischen Versicherungskonzerns Axa. Mehrere Jahre lang hatte der ehemalige deutsche Präsident Walter Scheel dieses Amt inne. Je einer der Generalsekretäre ist für die USA und einer für Europa und Kanada zuständig.
Außerdem gibt es einen achtköpfigen Lenkungsausschuss, der nicht gewählt, sondern vom Vorsitzenden bestimmt wird. Immer gehören zwei Teilnehmer aus Deutschland zum Ausschuss. Einer ist für Finanzen und einer für Themen und Redner zuständig. Die beiden Posten besetzen seit vielen Jahren jeweils ein Vorstandsmitglied der Deutschen Bank und ein Vertreter der Chefredaktion der "Zeit". Die Kosten für ihre Teilnahme sollen die Bilderberger selbst übernehmen, sie sind als Privatpersonen und nicht als Amtsinhaber dabei. Allerdings muss die Polizei die Sicherheit der Elite gewährleisten und die Tagungsorte abschirmen.
Was hinter verschlossenen Türen besprochen wird, betrifft die politische Lage der Welt genauso wie die Wirtschaft. Aber es gibt keine Pressekonferenzen, nichts soll nach außen dringen. Und das, obwohl auch viele hochrangige Journalisten dabei sind. Sie müssen sich allerdings verpflichten, nicht direkt zu berichten. All das finden viele Menschen irritierend: Setzt sich die Weltelite wirklich nur zwanglos zusammen und netzwerkt? Oder steckt doch mehr dahinter?
Die Bilderberger und ihre geheimen Pläne
In vielen Blogs werden die wildesten Spekulationen angestellt. Verschwörungstheoretiker sind sicher: Die Bilderberger beschließen etwas, das Geheimdienste und Regierungen dann umsetzen müssen. Die geheime Gruppe ist damit die eigentliche Regierung der Welt. Sie hat die Macht, so wird gemutmaßt, Unglaubliches durchzusetzen: Neben Mondlandung und Wiedervereinigung soll auch die Ölkrise von 1973 von ihnen initiiert worden sein. Das Ziel: Die Wirtschaft in den USA zu stützen.
Ihre Macht reicht angeblich sogar so weit, dass sie unliebsame Personen absetzen, ermorden und sogar grauenvolle Anschläge anordnen können. So hätten sie den deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder abgesägt. Auf ihr Konto, so die Verschwörungstheoretiker, sollen aber auch die Morde am schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme gehen sowie am Ex-Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen und an US-Präsident John F. Kennedy. Sogar die Anschläge vom 11. September 2001 sollen von ihnen initiiert worden sein.
Die Rothschilds und die angebliche Weltverschwörung
Aber die Bilderberger sind nicht die einzige Gruppe von Menschen, denen eine heimliche Weltregierung unterstellt wird. Dass sie im Hintergrund die Geschicke von Politik und Wirtschaft lenkt, glauben manche auch von der jüdischen Familie Rothschild. Ihre Mitglieder waren seit dem 18. Jahrhundert vorwiegend als Bankiers in Erscheinung getreten, sie besaßen die größte Bank der Welt. Ihr Stammhaus "Rothschild & Söhne" stand in Frankfurt am Main. Die Rothschilds waren wegen ihres Einflusses immer antisemitischer Hetze ausgesetzt.
Der beispiellose Aufstieg zu einer sehr wohlhabenden und einflussreichen Familie rief Neider auf den Plan. Bis heute gehen antisemitische Verschwörungstheoretiker davon aus, dass das von ihnen so bezeichnete "Weltjudentum" das internationale Finanzwesen lenkt – heimlich natürlich. Zum angeblichen Beweis nennen sie zwei Dokumente, die sich aber beide längst als Fälschungen herausgestellt haben.
Die sogenannten "Protokolle der Weisen von Zion" von Anfang des 20. Jahrhunderts sollen angeblich ein Treffen jüdischer Weltverschwörer belegen. Genau wie die "Rakowski-Protokolle": Vernehmungsprotokolle des bulgarischen Sozialisten Christian Georgijewitsch Rakowski sollen enthüllen, dass die Rothschilds sowohl Hitler als auch Lenin finanziert hätten.
Es gibt eine Verbindung zwischen den Rothschilds und den Bilderbergern, jedenfalls in den Köpfen der Verschwörungstheoretiker: In den entsprechenden Blogs heißt es zum Beispiel, dass die Bilderberger "Marionetten sind, die einen Plan für die Rothschild-Weltregierung durchsetzen". Andere meinen, dass an den Konferenzen nur diejenigen teilnehmen dürfen, die ihre Loyalität für die Rothschilds beteuern.
Experten glauben nicht an geheime Beschlüsse
Historiker und Ökonomen halten Spekulationen über die angebliche Macht von Bilderbergern und Rothschilds für Unfug. Das erkenne man auch an den Archiven der Bilderberger: Konferenz-Dokumente, die älter als 50 Jahre sind, können eingesehen werden. Darin finden sich keinerlei heimliche Absprachen.
Verschwörungstheoretiker suchen aber nach einfachen Erklärungen für komplexe Prozesse – und stellen oft direkte Verbindungen her, die es so überhaupt nicht gibt.
Darauf weist der Historiker Thomas W. Gijswijt in einem Interview hin: Wenn die Bilderberger etwa Anfang der 1990er-Jahre über eine Währungsunion gesprochen hätten, und ein zwei Jahre später werde diese beschlossen, dann sei das kein direkter Zusammenhang. Das Thema war lediglich eines, was die Mächtigen der Welt zu dieser Zeit beschäftigte.
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