Jesus ist eine der berühmtesten Personen der Welt. Doch was wissen wir wirklich über ihn, über den Mann aus Nazareth? Und was ist reiner Mythos?
Was wir heute vom historischen Jesus aus Nazareth wissen, ist nicht sehr viel. Zu spärlich und lückenhaft sind die Quellen, und das meiste bezieht sich mehr auf die christliche Lehre als auf das tatsächliche Leben des Zimmermanns und Wanderpredigers.
"Man muss damit rechnen, dass viele durchaus wichtige Fakten des Lebens Jesu nie mehr zu rekonstruieren sein werden, weil die damaligen christlichen Autoren nur an Aspekten interessiert waren, die Jesus als heilsbedeutsam erscheinen ließen", so Karl-Heinz Ohlig, Professor für Religionswissenschaft und Geschichte.
Es ist also kein Wunder, dass sich um die Person Jesus zahlreiche Mythen und Geheimnisse ranken.
Mythos 1: Jesus wurde am 24. Dezember im Jahr 0 in Bethlehem geboren
Um es kurz zu machen: Das ist wohl der größte Mythos. Alles, was wir an Weihnachten feiern, hat so höchstwahrscheinlich nie stattgefunden. Es gab wohl keine Volkszählung, keinen Stall in Bethlehem, keine Hirten und Könige aus dem Morgenland.
Die historische Person Jesus hat es nach heutigem Forschungsstand zwar gegeben, denn nicht nur die Evangelien, sondern auch jüdische und römische Dokumente berichten von seiner Existenz. Geboren wurde er allerdings in Nazareth. "Darin sind sich mit Ausnahme der Kindheitserzählungen alle Traditionsstränge einig", so die Deutsche Bibelgesellschaft.
Die Geschichte, dass Jesus in Bethlehem geboren wurde, sollte vermutlich seine Rolle als Messias untermauern: Als Messias erwartete man nämlich einen Nachkommen Davids, und der wiederum stammte aus Bethlehem.
Beim Geburtsjahr gibt es verschiedene Theorien, ganz sicher aber ist Jesus einige Jahre vor Beginn der Christlichen Zeitrechnung zur Welt gekommen.
"Matthäus und Lukas berichten übereinstimmend, dass Jesus in den Tagen des Königs Herodes geboren wurde. Wenn dies zutrifft, muss er spätestens im Jahre 4 vor Beginn unserer Zeitrechnung geboren sein", stellt Karl-Heinz Ohlig, Professor für Religionswissenschaft und Geschichte, in einer wissenschaftlichen Arbeit zum historischen Jesus fest.
Auch war der 24. Dezember (beziehungsweise die Nacht zum 25.) nicht sein wirklicher Geburtstag. Einige Historiker gehen davon aus, dass er vielmehr im April oder Sommer geboren wurde.
Das Datum, an dem wir heute Weihnachten feiern, wurde erst einige Jahrhunderte nach Jesus' Tod festgelegt – vermutlich, weil der 25. Dezember als Tag der Wintersonnenwende ohnehin schon einen symbolischen Charakter hatte.
Mythos 2: Jesus ist am Kreuz gestorben
Anfang der Achtziger Jahre machte eine gewagte These die Runde: Der Religionslehrer Holger Kersten veröffentlichte ein Buch, demzufolge Jesus gar nicht am Kreuz gestorben ist.
Stattdessen soll er sich nach seiner Genesung nach Indien abgesetzt haben und dort erst im Alter von 100 Jahren gestorben sein.
Sein Leichnam soll sich im Grab des Yuz Asaf im nordindischen Srinagar befinden, denn Einkerbungen auf der Grabplatte erinnern Kerstens Meinung nach an die Kreuzigungswundmale an Jesus' Händen und Füßen.
Als Beweise für seine Theorie nannte der Religionslehrer unter anderem, dass es sehr seltsam gewesen sei, dass Jesus schon nach wenigen Stunden am Kreuz für tot erklärt wurde.
Üblicherweise dauerte das Martyrium einer Kreuzigung mehrere Tage. Jesus aber wurde der Überlieferung zufolge schon früher wieder vom Kreuz abgenommen und in ein Felsengrab gebracht – und Holger Kersten war der Ansicht, man habe ihn dort gesund gepflegt und anschließend fortgeschafft.
Als Beleg für seine Indien-Theorie führte er auch das Turiner Grabtuch an. Kersten sagte, die Blutflecken auf dem Grabtuch hätten gar nicht erst entstehen können, wenn Jesus schon tot gewesen wäre – denn Tote bluten nicht.
Allerdings wird die historische Echtheit des Turiner Grabtuchs stark angezweifelt (siehe Mythos 3), und auch sonst halten Holger Kerstens Beweise kaum einer empirischen und logischen Prüfung stand.
Weil mehrere Quellen, darunter auch nicht-christliche, einheitlich von Jesus' Tod am Kreuz berichten und auch ein recht konkretes Datum nennen, gehen viele Forscher heute davon aus, dass der Mann aus Nazareth am Freitag, den 7. April im Jahr 30 unserer Zeitrechnung gestorben ist.
Mythos 3: Das Turiner Grabtuch zeigt ein Abbild von Jesus
Ein bisschen Gänsehaut bekommt man schon, wenn man ein Foto des Turiner Grabtuchs betrachtet. Darauf sieht man die Silhouette eines toten Mannes, der unseren Vorstellungen von Jesus ziemlich ähnlich sieht.
Und tatsächlich ist die Frage, woher das Leinentuch kommt, noch immer nicht abschließend geklärt – trotz zahlreicher Untersuchungen. Vor allem die Frage, wie das Abbild des Mannes auf den Stoff kam, ist den Historikern noch immer ein Rätsel.
Ziemlich sicher ist sich die Wissenschaft aber in Bezug auf die Entstehungszeit des Tuchs. Drei Forschungsinstitute untersuchten unabhängig voneinander einen Teils des Stoffs mittels Radiokarbondatierung, alle drei kamen zu dem Ergebnis, dass das Tuch aus dem Mittelalter stammen muss. Demnach ist es unmöglich, dass Jesus aus Nazareth das Leichentuch je berührt hat.
Mythos 4: Jesus und Maria Magdalena waren ein Liebespaar
Spätestens seit Dan Browns "Sakrileg" ist die These, dass Jesus und Maria Magdalena eine Liebesbeziehung hatten, äußerst populär geworden. 2012 stellten Forscher der Harvard-Universität außerdem ein Papyrusfragment vor, das vermutlich aus dem 4. Jahrhundert stammt. Auf ihm ist in Bezug auf eine Maria zu lesen: "Jesus sagte zu ihnen, 'meine Frau'…". Waren die beiden also ein Paar?
Da gehen die Meinungen auseinander – und es ist unwahrscheinlich, dass diese Frage jemals endgültig geklärt werden kann.
Weitgehend sicher ist, dass Maria Magdalena eine große Bedeutung für Jesus hatte. "Fragt man nun nach den Namen dieser Jüngerinnen Jesu, so stößt man in den synoptischen Evangelien auf mehrere Listen mit Frauennamen, an erster Stelle steht dort regelmäßig Maria aus Magdala", erklärt Silke Petersen, Bibelforscherin an der Universität Hamburg. "Daraus lässt sich schließen, dass sie die wichtigste der Jüngerinnen Jesu gewesen ist."
In den Apokryphen, den "geheimen" Schriften, wird Maria im Evangelium nach Philippus als "Gefährtin" des Erlösers bezeichnet, außerdem habe Jesus sie "oftmals auf den Mund geküsst".
"Allerdings ist der Text an dieser Stelle ausgesprochen lückenhaft, so handelt es sich unter anderem bei dem Wort "Mund" um eine Ergänzung", wirft Silke Petersen ein. "Es geht in diesen Texten um die geistige Beziehung von Jesus und Maria – und nicht, wie neuerdings in populärer Literatur propagiert, um Maria als Ehefrau Jesu und Mutter seiner Nachkommenschaft", meint die Bibelforscherin.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.