Bis zu 20 Meter lang soll das Ungeheuer von Loch Ness sein, es lebt angeblich versteckt in einem tiefen See in Schottland. Mehr als 1.000 Menschen wollen Nessie schon erspäht haben.
Eine riesige Seeschlange oder ein Nachfahre längst ausgestorbener Reptilien, ein Untier mit einem langen Hals oder doch mit elefantenartigen Füßen? Das Ungeheuer von Loch Ness ist eines der bekanntesten Mysterien der Menschheit, aber wie es aussieht, darüber scheiden sich die Geister. Lebt Nessie in einem schottischen See oder handelt es sich bei der Legende um ein bloßes Hirngespinst?
Mehr als 1.000-mal wurde die Kreatur angeblich schon gesichtet, es gibt Fotos und Videos mit unscharfen Aufnahmen. Es existiert ein regelrechter Nessie-Kult: Touristen pilgern zu Loch Ness in den schottischen Highlands, um nach dem Ungeheurer Ausschau zu halten.
Erste Sichtung im Jahr 565
Unzählige Hobbyforscher, Wissenschaftler und Journalisten suchten bereits nach dem Wesen. Auch Kryptozoologen haben ein besonderes Interesse an Nessie: Sie erforschen Tiere, für deren Existenz es kaum oder nur schwache Beweise gibt.
Die Legende lebt jedenfalls: Alle paar Monate tauchen neue Spekulationen und Fotos auf. Nessie ist und bleibt ein Mysterium, ähnlich wie der Yeti oder Bigfoot.
Der See in der Nähe der Stadt Inverness hat eine Besonderheit: Es ist mit 230 Metern sehr tief. Was genau sich weit unten befindet, weiß niemand. Das heizt natürlich die Spekulationen an.
Erstmals gesichtet wurde Nessie im Jahr 565. Der heilige Columban verscheuchte laut dem Bericht eines Abtes ein Untier im Fluss Ness und rettete damit einem Mann das Leben. Das Tier floh vor Angst, als der Heilige den Namen Gottes aussprach.
Mythen über Wassergeister gibt es in Schottland schon lange: Kelpies leben in fließenden Gewässern und versklaven Wanderer, die Wasserpferde Each Uisge hausen in Seen und im Meer.
1933 wird Nessie zum Star
1527 beobachtete angeblich ein Mann die Kreatur am Ufer des Sees. In einer Chronik aus dem 16. Jahrhundert ist darüber hinaus von einem riesigen Tier die Rede, das aus dem See stieg und drei Menschen erschlug. Mehrere weitere Sichtungen sind dokumentiert, unter anderem aus den Jahren 1872 und 1903.
Doch erst 1933 wurde Nessie zum Star. Der "Inverness Courir" erwähnte in einem Artikel ein riesiges Monster, das im See tauchte. Londoner Magazine wurden daraufhin auf Nessie aufmerksam, Reporter begannen, nach dem Wesen zu suchen. Damit war der Mythos geboren.
Zufällig wurde zu jener Zeit gerade eine Straße um den See herum gebaut, dazu mussten viele Bäume gefällt werden. Die Nessie-Jäger hatten nun freie Sicht auf den See. Immer mehr Menschen berichteten nun, sie hätten das Untier erspäht. Ein Zirkus bot sogar 20.000 Pfund Prämie, sollte jemand die Kreatur einfangen.
Eines der ersten Fotos von Nessie entstand im selben Jahr. Doch es wurde schnell als Fälschung enttarnt: Auf dem Bild war in Wahrheit der Labrador des Fotografen zu sehen, mit einem Stock im Maul.
Schwimmender Elefant oder U-Boot?
Eines der berühmtesten Bilder von Nessie nahm 1934 ein Chirurg auf. Zu sehen war ein sehr großes Tier mit einem langen Hals, das durchs Wasser gleitet. Fans und Medien waren elektrisiert. Doch auch dieses Bild war gefälscht. Das behauptete zumindest der Großwildjäger Marmaduke Wetherell: Er hatte das Monster nach eigener Aussage selbst gebaut, als Untersatz diente ein Spielzeug-U-Boot.
Doch auch zu der Aufnahme gibt es diverse Theorien: Ein Experte meint, auf dem Foto seien weder Nessie noch ein U-Boot zu sehen, sondern ein schwimmender Elefant.
Eine Forschergruppe untersuchte Loch Ness 1972 mit Hilfe von Sonartechnik. Dabei entstanden Unterwasserfotos von einem sieben bis zehn Meter langen Objekt. Auf einem Bild war eine Flosse zu sehen, auf einem weiteren die ganze Kreatur.
Namhafte Institute und Magazine waren sicher, dass diese Bilder Nessies Existenz beweisen. Doch dann wurde der Leiter der Forschergruppe beschuldigt, die Bilder manipuliert zu haben. Er dementierte zwar, aber auf anderen Unterwasserfotos war nichts mehr von dem Tier zu sehen.
Ein Team der BBC untersuchte den See im Jahr 2003 mit Sonarstrahlen, fand aber keine Spur von einem unterirdischen Monster. Der Sender erklärte deshalb, dass Nessie nicht existiere.
Hausboot wird bei Google Earth zum Ungeheuer
Viele angebliche Nessie-Bilder wurden später als falsch entlarvt. Einige waren Fotomontagen, andere zeigten verschwommene Baumstämme. Ein Mann wollte Nessie vor wenigen Jahren sogar auf einer Google-Earth-Aufnahme entdeckt haben. Doch wer genauer hinsieht, entdeckt, dass es sich um ein Hausboot handelt.
Wie soll ein gewaltiges Ungeheuer überhaupt in den schottischen See gelangen? Die Nessie-Anhänger sind sicher: Einst hatte Loch Ness eine unterirdische Verbindung zum Meer, und durch diese Höhle schwammen die Vorfahren der Kreatur in das Gewässer. Vielleicht gelangten sie auch über den Fluss Ness vom Meer zum See.
Falls Nessie tatsächlich in dem 37 Kilometer langen und 1,5 Kilometer breiten See haust, um welche Art von Kreatur handelt es sich dann? Selbst die Nessie-Gläubigen sind sich nicht einig. Angeblich ist es bis zu 20 Meter lang, hat Flossen und Höcker. Ist es ein urzeitliches Reptil, eine Seeschlange oder etwas ganz anderes?
Viele Berichte beschreiben ein Wesen, das dem Plesiosaurier ähnelt. Dieses Urzeitreptil lebte vor etwa 180 bis 70 Millionen Jahren. Dass Nessie ein Saurier ist, halten Wissenschaftler für sehr unwahrscheinlich. Warum sollte ausgerechnet in Loch Ness ein Exemplar einer ausgestorbenen Art überlebt haben – zumal das Wasser dort für diese Spezies zu kalt ist?
Es müsste mehrere Tiere geben, damit sie sich fortpflanzen können. Und woher sollten die riesigen Kreaturen in dem See ihre Nahrung bekommen? Außerdem müssten die Reptilien zum Luftholen auftauchen – doch dabei müssten sie schon mehr Zeugen beobachtet haben als "nur" 1.000 Nessie-Fans.
Seeschlangen, Riesenwelse und schwimmende Hirsche
Eine einzelne Seeschlange ist ebenso unwahrscheinlich. Auch hiervon müsste eine ganze Kolonie in Loch Ness leben, aber sie hätte das gleiche Futterproblem wie der Saurier.
Vielleicht ist das Ungeheuer ein ganz anderes Lebewesen: 1923 wurde es als dreieinhalb Meter langes Tier mit vier Elefantenfüßen beschrieben, das an Land herumlief. Andere Beobachter beschrieben ein pferdeartiges Tier.
Experten meinen, dass der See und das Wetter Sinnestäuschungen begünstigten. In der Region wurden schon sehr große Störe und Flusswelse gesichtet, die mehrere Meter lang werden können.
Auch Robben, schwimmende Hirsche oder Wasservögel könnten Beobachter aus der Ferne als Nessie interpretiert haben. Möglicherweise sorgen Spiegelungen in der Luft oder ungewöhnliche Wellenmuster für einen falschen Eindruck.
Nessie ist übrigens längst nicht das einzige mysteriöse Seeungeheuer auf der Welt: Auch in anderen Gewässern sollen unheimliche Kreaturen leben. Ein Riesenreptil wohnt angeblich im Champlainsee in US-Staat Vermont, ein anderes im Flatheadsee in Montana.
Das Monster Ogopogo haust im kanadischen Lake Okanagan. Und im schwedischen See Storsjön schwimmt angeblich seit 300 Jahren eine gigantische Wasserschlange. Weitere Fabelwesen wurden schon in Venezuela und Australien gesehen. So berühmt wie Nessie ist aber keines von ihnen.
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