Kaufen, öffnen, wegwerfen: Die Deutschen sind in Europa Spitzenreiter im Produzieren von Verpackungsmüll. Laut Bundesumweltamt landen jedes Jahr rund 220 Kilogramm Verpackungsmüll pro Kopf in der Tonne. Zum Vergleich: Der europäische Durchschnitt liegt bei etwa 167 Kilogramm pro Kopf. Dass es auch anders geht, erklärt Nachhaltigkeitsexpertin Shia Su im Interview.

Ein Interview

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Die Bloggerin und Buchautorin Shia Su lebt seit Jahren konsequent müllfrei und gibt auf ihrem Blog "Wasteland Rebel" und in ihrem Buch "Zero Waste: Weniger Müll ist das neue Grün" zahlreiche Tipps und Anregungen, wie auch wir unseren Müllverbrauch reduzieren können. Denn insbesondere Plastikabfälle stellen für unser Ökosystem ein immer größeres Problem dar.

Plastikmüll - Gefahr für Mensch und Tier

Aus gutem Grund: Plastikmüll verschmutzt nicht nur Ozeane, Flüsse und Seen. Das so genannte Mikroplastik, also kleinste Kunststoffteilchen, gelangt über die Kläranlagen und Plastikverpackungen im Biomüll auf die Felder - und somit auf direktem Wege wieder zurück auf unsere Teller.

Mikroplastik wurde bereits in den Mägen verschiedener Meeresbewohner nachgewiesen, ist aber auch in Mineralwasser, Honig und Bier vorzufinden. Auch der Kot mancher Menschen weist Spuren von Mikroplastik auf. Somit ist davon auszugehen, dass viele von uns Plastik in sich tragen.

Mikroplastik kann Krankheiten hervorrufen

Und das hat Folgen: In Gewässern und Lebewesen gibt das Mikroplastik seine chemischen Inhaltsstoffe wie beispielsweise Bispheol A und Weichmacher frei. Diese wiederum können Krankheiten von Krebs bis Adipositas auslösen.

Größeres Plastik hingegen treibt in Gewässern und gefährdet ganze Arten. Generell lässt sich außerdem sagen, dass nur etwa 20 bis 50 Prozent der Kunststoffe überhaupt recycelt werden können.

Erschreckende Erkenntnisse, dabei lässt sich Verpackungsmüll eigentlich ganz leicht vermeiden. Wie das funktioniert, verrät Bloggerin Shia Su im Interview.

Shia, was können Verbraucher tun, um ihren Müll nachhaltig zu reduzieren?

Shia Su: Das meiste an Müll machen wir aus reiner Gedankenlosigkeit. Kennen wir ja alle. Den Stoffbeutel einstecken zum Beispiel. Weiß ja eigentlich jedes Kind. Loses Obst und Gemüse bevorzugen und ruhig mal lose aufs Band werfen, ist ja auch keine große neue Erkenntnis.

Dass Coffee-to-go-Becher absolut überflüssiger Umwelt-Murks sind, ist auch kein Geheimnis. Also holt euch euren Coffee-to-go entweder direkt im eigenen Becher oder gönnt euch mal eine Pause und schlürft das Käffchen einfach vor Ort aus einer richtigen Tasse.

Aber klar, den eigenen, unnötigen Konsum herunter zu schrauben ist wohl das Effizienteste. Das Coole daran ist, dass dabei keine Lebensqualität flöten geht, weil wir da ja nur das Zeug wegkürzen, das sowieso vollkommen überflüssig ist, den Ballast sozusagen. Darüber freut sich auch der Geldbeutel. Das Geheimnis: Einfach mal machen und den Anfang finden.

Mit welchen einfachen und im Alltag leicht umsetzbaren Tricks gelingt ein müllfreier oder müllreduzierter Haushalt?

Wenn Ihr mal in Eure Mülleimer und den Gelben Sack schaut, werdet Ihr wahrscheinlich hauptsächlich Lebensmittelverpackungen sehen. Dagegen kann ganz gezielt etwas gemacht werden.

Selbst in normalen Supermärkten lässt sich viel Plastikmüll vermeiden, indem man einfach mal zum losen statt zum vorverpackten Obst und Gemüse greift, Papierverpackungen den Vorzug gibt und schaut, was man aus dem Einkauf Nettes kochen kann.

Wobei ich mir lieber das Leben einfacher mache und direkt auf dem Wochenmarkt und im Unverpackt-Laden einkaufe. Was viele übrigens nicht wissen ist, dass es in den meisten Städten auch Wochenend- und Feierabend-Wochenmärkte gibt.

Ich gehe sogar viel seltener einkaufen als früher, weil ich jetzt gezielt einkaufe. Jeden Samstag holen wir frische Sachen vom Wochenmarkt und alle ein bis zwei Monate füllen wir unsere anderen Vorräte im Unverpackt-Laden auf. So geben wir zu zweit im Monat ungefähr 250 bis maximal 300 Euro für Lebensmittel aus - und wir kaufen nur Bio!

Welche Alternativen gibt zu den gängigen Plastikprodukten?

Einer der größten Anfängerfehler, den Leute machen, ist, Dinge eins-zu-eins zu ersetzen - sich also in unnötige Unkosten zu stürzen - und in Plastik-Panik zu verfallen. Es ist bis auf sehr wenige Ausnahmen immer nachhaltiger, erst einmal das aufzubrauchen, was man schon hat.

Erst wenn Dinge aufgebraucht oder kaputt sind, so dass sie ersetzt werden müssen, lohnt es sich, nach plastikfreien Alternativen zu schauen. Ja, einige Dinge können eins-zu-eins ersetzt werden wie zum Beispiel eine Bambuszahnbürste statt einer Plastikzahnbürste. Aber bei vielen anderen Dingen ist das vollkommen überflüssig.

Ganz in sind gerade Bienenwachstücher, die Frischhalte- und Alufolien ersetzen. Dabei tut's doch zum Abdecken ein einfacher Teller oder eine Schüssel. Und angeschnittenes Obst und Gemüse muss eigentlich gar nicht noch einmal eingewickelt werden.

Und wie vermeidet man Verpackungen?

Es wird viel mehr verpackungsfrei verkauft, als wir oft wahrnehmen. Als ich 2014 anfing mit der Müllvermeidung, gab es in ganz Deutschland gerade mal einen einzigen Unverpackt-Laden - und der war sieben Zugstunden entfernt. Nicht ganz so alltagstauglich...

Trotzdem habe ich auch damals enorm viel unverpackt einkaufen können - fast alles an Obst und Gemüse auf dem Wochenmarkt, im Bioladen oder dem türkischen Gemüseladen nebenan. Losen Tee gab es in jedem Teeladen und Kaffee beim Kaffeeröster. Ich bekam auch fast immer ein bisschen extra geschenkt, wenn ich mit meiner eigenen Dose ankam.

Statt Duschgel, Shampoo und Flüssigseife bin ich auf eine traditionelle Olivenölseife umgestiegen, die ich in arabischen Läden und im Bioladen kaufen konnte. Als Haarspülung gibt’s seitdem eine saure Rinse - einfach Apfelessig mit Wasser. Die Haare werden sofort richtig schön weich.

Ich fing außerdem an, mich mit Bio-Ölen aus der Küche einzucremen und mit Kaffeesatz zu peelen. Erst kam ich mir total bescheuert vor, aber ich blieb dabei, weil es dadurch meiner Neurodermitis-Haut noch nie besser ging.

Zu guter Letzt, welche Einsteigertipps gibt es?

Einfach mal bei einzelnen Dingen anfangen, die dir gerade machbar erscheinen. Wir brauchen keine Handvoll Menschen, die komplett müllfrei leben. Wir brauchen ganz viele Menschen, die alle ein bisschen etwas machen.

Shia Su ist Bloggerin und Nachhaltigkeitsexpertin.

Verwendete Quellen:

  • Spiegel Online: Deutsche verbrauchen im Jahr rund 220 Kilo Verpackungen pro Kopf
  • Bund: Mikroplastik und andere Kunststoffe - eine große Gefahr für unsere Umwelt
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