Im Toten Meer ragen Salzsäulen empor, aus deren Spitzen eine schimmernde Flüssigkeit entweicht – dadurch entsteht der Eindrucke, es handle sich dabei um rauchende Schlote. Doch sie sind nicht nur visuell beeindruckend, sondern können auch dabei helfen, einsturzgefährdete Gebiete frühzeitig zu erkennen. Was steckt hinter dem Naturphänomen?

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Im Toten Meer an der Grenze zwischen Israel und Jordanien stehen zahlreiche Salzsäulen, die erst vor Kurzem entdeckt worden sind. An der Spitze dieser Säulen entweicht eine schimmernde Flüssigkeit, dadurch sieht es aus, als würden sie rauchen.

Wissenschaftler um Christian Siebert vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Halle/Saale fanden außerdem heraus, dass diese Schlote sich vor allem dort bilden, wo an Land immer wieder sogenannte Sinkholes (Einsturzkrater) entstehen.

Weiße und Schwarze Raucher

In einer Pressemitteilung des UFZ werden die entdeckten Schlote "Weiße Raucher" genannt - in Anlehnung an "Schwarze Raucher" in den Ozeanen. "Die Ähnlichkeit zu den 'Schwarzen Rauchern' in der Tiefsee ist frappierend, aber es handelt sich um ein gänzlich anderes System", erklärt Siebert.

Aus den "Schwarzen Rauchern" kommt bis zu mehrere 100 Grad heißes Wasser aus dem Magma-Untergrund. Durch Schwefel-Metall-Verbindungen und verschiedene Salze im heißen Wasser entsteht der optische Eindruck, es trete schwarzer Rauch aus. Bei einer anderen Mineralienzusammensetzung und niedrigeren Wassertemperaturen entwickelt sich weißer "Rauch".

Die Schlote im Toten Meer funktionieren anders. Der Eindruck, es trete Rauch aus den Salzschloten aus, entsteht durch Dichteunterschiede: Das einströmende Wasser hat eine geringere Dichte als das Wasser im Toten Meer - das Wasser aus dem Schlot ist also leichter und strömt deshalb nach oben.

Wachstum von mehreren Zentimetern pro Tag

Auch die Zusammensetzung des Salzes im einströmenden Wasser ist eine andere. Beim Kontakt mit dem Wasser im Toten Meer schlägt es sich nieder und bildet dadurch die Schlote. Siebert und Kollegen beobachteten dabei ein Wachstum der Schlote von mehreren Zentimetern pro Tag. Viele Schlote sind nur ein bis zwei Meter hoch und sehr schmal, aber es gibt auch welche mit sieben Metern Höhe und einem Durchmesser von bis zu drei Metern.

Eigentlich sind Siebert und sein Team seit Jahren damit beschäftigt, die Wasserverhältnisse im Toten Meer zu erkunden. Denn dessen Wasserspiegel sinkt etwa einen Meter pro Jahr und liegt jetzt etwa 438 Meter unter dem Meeresspiegel. Das hat auch Auswirkungen auf das Grundwasser in den umliegenden Bergländern von Jordanien, des Westjordanlandes und Israels.

"Das Tote Meer lädt nicht zum Tauchen ein, man braucht 100 Kilogramm Blei, um überhaupt unterzugehen", erläutert Siebert. Noch dazu dürfe das Wasser weder in die Augen noch an Schleimhäute gelangen. Diese Bedingungen hätten dazu geführt, dass die Unterwasserwelt des Toten Meeres bislang verborgen geblieben sei.

Die Forschenden fanden neben einer Vielzahl an Quellen im Strandbereich auch immer wieder Regionen mit Unterwasserquellen im Uferbereich und wollten wissen, ob die submarinen Quellen mit den landseitigen vergleichbar sind und was für eine Art von Grundwasser aus den unterseeischen Quellen strömt. Dabei entdeckten sie die Salzschlote. Nun wollten sie natürlich erfahren, woher das Salzwasser aus den Schloten kommt und begannen mit umfassenden Analysen.

Der Herkunft des Schlotwassers auf der Spur

Der inzwischen trocken gefallene Seeboden des Toten Meeres ist heute immer noch mit Salzwasser aus dem Toten Meer getränkt. Doch schon die geringere Dichte des einströmenden Wassers deutete darauf hin, dass es durch Süßwasser verdünnt ist. Auch wies die Zusammensetzung der Mineralien im Schlotwasser auf einen anderen Ursprung als das Tote Meer hin.

Eine Analyse der Mikroorganismen im Schlotwasser ergab, dass der überwiegende Teil von ihnen nicht in Salzwasser gedeihen, sie also aus Süßwasser stammen mussten. Über ein Computermodell berechneten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, dass in manchen Gebieten bis zu 42 Prozent des Schlotwassers aus Grundwasser stammen muss. Das übrige Wasser stammt aus dem salzigen Wasser im alten Seeboden.

Anhand der Computermodelle konnten die Forschenden auch die Herkunft des Schlotwassers rekonstruieren: Grundwasser strömt demnach in die Senke des Toten Meeres, wäscht dabei nach und nach Salzschichten im tieferen Untergrund aus, vermischt sich mit altem Salzwasser im Seeboden und strömt durch die Schlote ins Tote Meer.

Frühwarnung vor Einsturzkratern

Das hat auch einen ganz praktischen Nutzen: Die Salzschlote entstehen dort, wo unter dem Land in der Nähe des Toten Meeres unterirdische Salzlagerstätten allmählich aufgelöst werden, wodurch sich Hohlräume ergeben. Wenn man also beobachten würde, wo unter Wasser neue Schlote entstehen, könnte man die Umgebung als einsturzgefährdet einordnen und entsprechende Vorsichtsmaßnahmen treffen.

Und nicht nur am Toten Meer. Dieses hat einen durchschnittlichen Salzgehalt von 28 Prozent und liegt damit weit über dem Salzgehalt des Mittelmeers (3,8 Prozent). Doch es gibt Seen, die einen noch höheren Salzgehalt haben, bis hin zu 43 Prozent (See Gaet'ale in Äthiopien). Siebert hält es daher für denkbar, dass es Salzschlote nicht nur im Toten Meer, sondern auch in anderen Seen gibt.

Über den Gesprächspartner

  • Dr. Christian Siebert ist Hydrogeologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig im Bereich Catchment Hydrology.

Verwendete Quellen

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