Das neue Jahr steht vor der Tür und damit verbunden auch neue Ziele, Wünsche und Hoffnungen. Neujahrsvorsätze setzen erfahrungsgemäß die wenigsten um – zumindest nicht das komplette Jahr über. Abhilfe soll hierfür nun ein Social-Media-Trend schaffen. Worum es dabei geht und wie realistisch das Erreichen der eigenen Ziele damit tatsächlich ist.
Auf TikTok und Instagram ploppen gefühlt stündlich neue Trends auf – manche von ihnen halten sich länger, andere nicht und manche von ihnen sind sinnvoll, andere nicht. Derzeit gibt es einen neuen, alten Trend: Visionboards. Sie sind quasi der Ersatz für Neujahrsvorsätze und sollen angeblich wirklich dazu beitragen, dass sich Wünsche und Ziele im neuen Jahr erfüllen. Doch wie realistisch ist das?
Was genau ist ein Visionboard eigentlich?
Ein Visionboard ist zu Beginn erst einmal eine weiße Fläche, die befüllt wird mit Ideen, Wünschen, Zielen – Visionen eben. Das ganze lässt sich digital oder auch in Papierform oder auf einer Leinwand gestalten. Generell werden Visionboards nicht nur für private, sondern gerne auch für berufliche Zwecke genutzt, wo sie dann natürlich anders gestaltet werden.
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Für den privaten Gebrauch suchen sich die meisten Bilder und Inspiration aus dem Netz, oft von Pinterest. Möchte man beispielsweise im kommenden Jahr einen Hund adoptieren, sucht man sich ein Foto eines niedlichen Hundes raus und klebt es auf die Leinwand. Nimmt man sich vor, nach Griechenland zu reisen, sucht man sich ein Bild von Griechenland heraus. Und so befüllt man Stück für Stück seine leere Leinwand, bis sie voll mit den eigenen Zielen für das nächste Jahr ist.
Am besten ist es laut einer TikTok-Userin, wenn man darauf achtet, dass abgebildete Personen auf den Fotos einem selbst tatsächlich ähneln. Das soll helfen, die Vision realistisch wirken zu lassen. Vorschläge zur Gestaltung gibt es auf sozialen Plattformen unzählige, wie das Ganze am Ende aussehen kann, zeigt auch eine Userin auf Instagram.
Nun soll das fertige Visionboard so platziert werden, dass man es täglich sieht. Das heißt: Hat man es digital gestaltet, könnte man es als Desktophintergrund einrichten. Ist es haptisch, hängt man es sich an einem Ort auf, wo man täglich (am besten mehrmals) hinsieht.
Bringen Visionboards wirklich mehr als Neujahrsvorsätze?
Durch das Gestalten des Visionboards, das Aufschreiben und das tägliche Ansehen und "daran erinnert werden", setzen wir unsere Ziele und Wünsche wohl eher um als Neujahrsvorsätze, die wir uns nur in unseren Gedanken überlegt haben – so lautet zumindest die Theorie auf TikTok und Co. Doch was sagt die Wissenschaft dazu?
Vielleicht haben Sie schon einmal von der Harvard- bzw. Yale-Studie gehört, die belegen soll, dass Personen, die sich ihre beruflichen Ziele konkret und detailliert aufgeschrieben haben, später zehnmal so viel Geld verdienten wie andere. Das Problem dabei: Die Studie scheint nicht zu existieren und reiner Mythos zu sein. Daher haben sich in den vergangenen Jahren verschiedene Wissenschaftler mit der Frage beschäftigt, ob die Ergebnisse der vermeintlichen Studie realistisch sind.
Eine von ihnen ist Gail Matthews, Psychologin und Professorin an der Dominikanischen Universität von Kalifornien. Sie konnte in einer Studie beweisen, dass die Wahrscheinlichkeit ein Ziel zu erreichen, tatsächlich höher ist, wenn der- oder diejenige es detailliert aufschreibt. Die Wahrscheinlichkeit ist zusätzlich höher, wenn die Person Zwischenberichte in der Zielerreichung formuliert und diese jemandem zeigt – wie eine Art Update, wie und woran man bisher schon gearbeitet hat.
Desto detaillierter, desto besser
Auch der deutsche Motivationspsychologe Peter Gollwitzer kommt durch verschiedene Studien zu dem Ergebnis, dass sobald Menschen Umsetzungsabsichten gebildet haben, automatisch zielgerichtetes Verhalten ausgelöst wird. Dabei ist es jedoch wichtig, sich nicht nur sein Ziel, sondern auch den Weg zum Ziel klar zu überlegen, zu definieren und festzuhalten.
In seiner Arbeit geht der Psychologe dabei auch gezielt auf Neujahrsvorsätze ein, da bereits die Intention etwas zu tun das Verhalten nachweislich verändert. Um die Intention zu verstärken und die Wahrscheinlichkeit für eine Umsetzung zu erhöhen, sollte das Ziel spezifisch, nah und realistisch sein.
Auch ein Experiment von Gollwitzer (1996), bei dem Studenten nach ihren Projekten für die Weihnachtsferien befragt wurden, zeigt, dass Details zur Umsetzung beitragen: Die eine Hälfte der Studenten wurde aufgefordert, das eigene Vorgehen bei der Verwirklichung der Projekte genauer zu planen; von der anderen Hälfte wurde das nicht verlangt. Am Ende haben zwei Drittel der Experimentalgruppe ihr Vorhaben auch durchgeführt, in der Kontrollgruppe war es nur ein Viertel.
Das Ausformulieren und Festmachen von Details (wann und wie Ziele umgesetzt werden), hilft folglich bei dem Erreichen von Zielen. Inwiefern das Visualisieren der Ziele durch Bilder hierbei hilft, wurde dabei nicht explizit erforscht. Doch da mehr Details von Vorteil sind, kann es den Studienergebnissen nach wohl nur nützlich sein, möglichst detaillierte Bilder für Visionboards auszuwählen. Möchte man sich also einen Hund zulegen, sollte das ausgedruckte Foto nicht nur irgendeinen Hund zeigen, sondern beispielsweise die exakte Rasse und möglicherweise noch das Tierheim, aus dem man ihn adoptieren möchte.
Inwiefern hilft das Visualisieren der Ziele durch Bilder?
Visualisierung durch Bilder kommt vermehrt als mentale Technik zum Einsatz – beispielsweise unter Sportlern. Dabei wird jedoch in der Regel nicht nur ein Bild, sondern auch ein Gefühl und oft auch ein Geruch mental visualisiert. Beispielsweise soll es Marathonläufern helfen, wenn sie sich während des Trainings detailliert vorstellen, wie ihnen ihre Familie beim Überqueren der Ziellinie zujubelt, wie es dort riecht, was sie hören und wie sie sich in diesem Moment fühlen werden.
Denn "durch eine intensive Vorstellung entsteht Motivation zur Durchführung bzw. zum Erleben des Vorstellungsinhaltes", schreibt die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Das Designen eines Visionboards entspricht also einem Teil dessen, was zur Visualisierung eines Ziels beiträgt. Möchten Sie auf Nummer sicher gehen, empfiehlt es sich daher zusätzlich zu den möglichst detailgetreuen Bildern noch weitere Details, wie die erhofften Gefühle bei der Zielerreichung, in das Visionboard einzuarbeiten oder sich zumindest vorzustellen.
Verwendete Quellen
- Recherche auf TikTok und Instagram
- Gail Matthews (Dominican University of California), 2015: Goals Research Summary (PDF zum Download, englisch)
- Peter M. Gollwitzer (Universität Konstanz), 1999: Implementation Intentions. Strong Effects of Simple Plans (PDF zum Download, englisch)
- Gollwitzer, Bayer und Lengfelder: Von der Intention zum Handeln (PDF zum Download)
- Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften: Visualisieren
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