• Am Stadtrand von Madrid, wo früher Viehherden durchs Land getrieben wurden, leben heute insgesamt 20.000 Menschen in einer illegalen Wohnsiedlung.
  • Ein Sektor der Cañada Real gilt als der größte Slum der Europäischen Union.
  • Banden haben besondere Kontrolle über den 6. Sektor namens "Drogen-Supermarkt".

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Madrid erlebt diesen Winter Rekordschnee und eisige Temperaturen. Besonders hart trifft das die Menschen, die vor den Toren der spanischen Hauptstadt in der Cañada Real leben.

Sie haben seit Oktober, also seit mehr als vier Monaten, keinen Strom mehr und es sieht so aus, als würde das auch noch eine ganze Weile so bleiben. Denn Strom gibt es hier eigentlich nur illegal. Dafür werden meist Ampeln und Verteilerkästen angezapft oder Generatoren aufgestellt.

Illegale Marihuanaplantagen sollen dafür gesorgt haben, dass das "Stromnetz" in der Cañada Real zusammengebrochen ist. Aber wie hat sich die Cañada Real überhaupt entwickelt?

Canada Real in Madrid: Von der Schrebergartensiedlung zum illegalen Wohnviertel

Dort, wo heute die von Wissenschaftlern als "informelle Siedlung" bezeichnete Cañada Real liegt, verlief früher ein Viehtriebweg. Der erstreckte sich insgesamt über rund 500 Kilometer von La Rioja bis nach Ciudad Real in der autonomen Region Kastilien-La Mancha. In den 1960er Jahren fingen spanische Familien dann an, auf dem 14 Kilometer langen Stück vor den Toren Madrids ihre Gemüsegärten anzulegen. Irgendwann bauten sie auch Gartenlauben und später sogar Häuser auf dem dortigen Land – ohne erforderliche Erlaubnis. Denn der Grund dort ist unveräußerliches Land im Gemeinbesitz der Comunidad von Madrid.

Eigentum für die Menschen gibt es hier also nicht. Die Menschen, die die Häuser dort gebaut haben und darin leben, könnte man deshalb wohl sogar als "Landbesetzer" bezeichnen. Genau aus diesem Grund gibt es für die Menschen auch nach so vielen Jahren des Bestehens der Cañada Real noch immer keine offiziellen Verträge für Strom- oder Wasseranschlüsse. Auch nicht für diejenigen, die gerne dafür bezahlen würden - denn es fehlt die rechtliche Grundlage.

Über diese zehn Krisengebiete wurde im Jahr 2020 kaum berichtet

Die internationale Hilfsorganisation CARE hat zusammen mit dem Mediendienst Meltwater die zehn hilfsbedürftigsten Länder ermittelt, die im vergangenen Jahr medial kaum Beachtung fanden. (Foto: CARE / care.de)

Drogen, Banden und Armut beherrschen Sektor 6

Cañada Real ist in sechs Sektoren unterteilt. Aber nicht die ganze Cañada Real ist Slum-Gebiet. Die Sektoren 1 und 2 sind mittlerweile legalisierte Wohnviertel geworden. Der Sektor 6 ist der ärmste und am dichtesten besiedelte Teil des Slums. Der Sektor wird auch als "Drogen-Supermarkt" bezeichnet. Valdemingomez, ein Viertel im Zentrum der Cañada Real, wird von Drogengangs kontrolliert.

Im gesamten Sektor 6 beherrschen Wellblechhütten, Bretterverschläge und Zelte das Straßenbild. Vor allem Immigranten aus Nordafrika, Sinti und Roma und Spanier, die in eine prekäre Lage geraten sind, leben hier. Mittlerweile sind es mehr als 8.000 Menschen – beinahe 2.000 davon sind Kinder. Heizungen gibt es in den Hütten nicht. Genauso wenig wie fließendes Wasser. Und dazu die Sache mit dem Strom. Zwar wurde 2017 in einem Regionalpakt eine Art Aktionsplan zum weiteren Vorgehen festgelegt, aber umgesetzt wurde dieser bis heute noch nicht.

Der Plan sieht vor, die Menschen aus Sektor 6 in Wohnungen umzusiedeln. Dafür wurden rund 20 Millionen Euro bereitgestellt. Aber viele der Menschen wollen die Cañada Real gar nicht verlassen, um ihr soziales Umfeld nicht zu verlieren.

Die Caritas aus Madrid arbeitet vor Ort mit einigen Helfern daran, die Familien so gut es geht zu unterstützen – zum Beispiel mit Bildungs- und Freizeitangeboten. Es gibt eine mobile medizinische Versorgungsstation, die jeden Tag vor Ort ist und einen Bus, der die Kinder in die nahegelegenen Schulen fährt.

Das Problem mit der Stromversorgung ist momentan die wohl größte Sorge in der Cañada Real. Aber selbst eine Aufforderung von UNO-Menschenrechtsexperten an die spanische Regierung hat bisher keine Lösung gebracht.

Verwendete Quellen:

  • Elpaís: La Cañada Real, sin comisionado municipal tras la reforma del equipo de Almeida
  • NY Times: In Poor Madrid Neighborhood, Biggest Snowfall in Half Century Deepens Misery
  • Pastoral Social Madrid: Cañada REAL: CÁRITAS MADRID ACUDE A LA FISCALÍA GENERAL
  • Caritas Madrid Homepage
  • UN: España: Los cortes de electricidad ponen en peligro la vida de los niños en la Cañada Real, dicen expertos de la ONU
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