- Ende Januar hatte der neue Ermittler an der Seite des Polizeiruf 110 Kommissars Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) seinen ersten Auftritt
- Kriminalkommissaranwärter Vincent Ross (André Kaczmarczyk) war in Kilt und mit schwarzem Eyeliner zu sehen – und ist damit der erste genderfluide Ermittler in einer Serie der ARD.
- Doch was genau steckt hinter diesem Begriff?
Mann oder Frau? Oder doch Mann?
Für viele Menschen gibt es eine klare Trennlinie zwischen den beiden Geschlechtern "männlich“ und "weiblich“. Für Menschen, die sich als genderfluid identifizieren, gilt das nicht: Sie schreiben sich selbst keinem starren Geschlecht zu, sondern sind mal männlich, mal weiblich und manchmal auch geschlechtsneutral. Hagen Löwenberg, Facharzt für Psychotherapie und -analyse erklärt im Gespräch mit unserer Redaktion: "'Genderfluid' ist eine Form der Nicht-Binarität und meint als Oberbegriff geschlechtliche Identitäten, die auf die eine oder andere Weise zwischen weiblich und männlich switchen.“ Es handele sich dabei um eine Selbstbezeichnung, und nicht um eine Zuschreibung von außen.
"Sie kann sich im realen Leben auf ganz unterschiedliche Weise äußern“, so Löwenberg. "Das abwechselnde Bedienen von weiblichen und männlichen Klischees steht dabei eher nicht im Vordergrund.“ Der Prozess des Wechsels zwischen den Geschlechtern ist also vor allem ein interner – unabhängig von Äußerlichkeiten, Geschlechtsteilen und Sexualität. Zwischen einem Wechsel können Jahre, Monate oder aber auch nur Tage vergehen. Auch Wechsel abhängig von Ort oder Person sind möglich.
Genderfluid oder Nicht-Binär – Was ist der Unterschied?
Genderfluidität und Nicht-Binarität sind eng miteinander verwandt, meinen aber nicht genau dasselbe. Doch worin genau liegt der Unterschied? Eine Person, die sich als nicht-binär identifiziert fühlt sich explizit nicht dem männlichen oder weiblichen Geschlecht zugehörig. Obwohl diese beiden die wohl bekanntesten Geschlechter sind, gibt es noch viele weitere. Etwa androgyn, bigender, geschlechtslos, trans oder Zwitter. Zwischen 60 verschiedenen Optionen können deutsche Nutzer auf Facebook wählen.
Diese Liste hat Facebook in Zusammenarbeit mit dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) erarbeitet. Genderfluide Personen hingegen können sich auch als weiblich oder männlich identifizieren. Sie haben jedoch kein statisches Geschlecht. Sie bewegen sich zwischen den binären Polen Mann und Frau hin und her oder sogar zwischen drei und mehr Geschlechtern. Anders als bei Transgender-Menschen wird die Verwandlung von Mann nach Frau oder Frau nach Mann aber nicht angestrebt.
Immer mehr Celebrities outen sich als nicht-binär
Im gleichen Maße, in dem nicht-binär als Geschlechtsbezeichnung an Popularität gewinnt, outen sich auch Celebrities. Model Cara Delevingne, Sängerin Miley Cyrus, Queer-Eye Star Jonathan van Ness und Songwriter
Auch Demi Lovato gab 2021 auf Twitter in einem emotionalen Post bekannt, dass sie sich als nichtbinär identifiziert. "Jeden Tag wachen wir auf und bekommen eine neue Möglichkeit zu sein, wer wir sein wollen. Die längste Zeit meines Lebens bin ich vor euch allen gewachsen. Ihr habt das Gute, das Schlechte und alles was dazwischen liegt gesehen“, so wendet sich die Schauspielerin und Sängerin an ihre Fans. "Ich werde meine Pronomen offiziell zu they/them ändern. Das repräsentiert am besten den Fluss, den ich im Ausdruck meines Geschlechts verspüre und erlaubt es mir mich der Person, die ich bereits kenne und immer noch entdecke, nah zu fühlen“, gibt sie in dem geteilten Video bekannt.
Er/Sie oder They/Them – was genau heißt das?
Mit der Erkenntnis, sich nicht nur einem Geschlecht zugehörig zu fühlen, geht auch oft ein Wechsel der Pronomen einher. Die Pronomen "er“ und "sie“ sind in der deutschen Sprache geschlechtsbezogen. Daher ist es unter genderfluiden Personen populär, in der E-Mail-Signatur oder auf Instagram die Pronomen, mit denen sie gerne adressiert werden, in Klammern hinter den eigenen Namen zu schreiben. Sie/Er ist eine beliebte Option im Deutschen. Im angelsächsischen Sprachraum ist die Verwendung von they/them am verbreitetsten, was in etwa der Höflichkeitsform "Sie“ im Deutschen entspricht aber nicht wörtlich übersetzt werden kann.
Geschlecht ist nicht immer binär
Die meisten Menschen wurden und werden mit einem binären Verständnis von Geschlecht sozialisiert. Die Idee von Genderfluidität und Pronomen, die wechseln können, wirkt daher für die meisten erst einmal fremd und neu. "Die größte Schwierigkeit, mit denen sich nicht-binäre oder genderfluide Menschen konfrontiert sehen, ist in der Regel, sich ständig erklären und rechtfertigen zu müssen“, so Löwenberg. Doch nicht überall herrscht ein binäres Verständnis von Geschlecht vor. In Thailand zum Beispiel ist die Einteilung in Mann, Frau und Kathoey verbreitet. Kathoey, die auch einen Auftritt in der Komödie "Hangover 3“ genossen, würde man hier als transsexuell bezeichnen. In westlichen Gesellschaften erst seit relativ kurzer Zeit sichtbar, sind Transsexuelle in Thailand viel weiter verbreitet und akzeptiert.
Verwendete Quellen:
- Expertengespräch mit Hagen Löwenberg, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalyse
- Faz.net: Geschlechter bei Facebook.Von androgyn bis Zwitter
- iheart.com: Celebs With Nonbinary, Genderfluid Identities (And Their Pronouns)
- nzz.ch: Kaleidoskop der Geschlechter
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