- Mehrere neue Befragungen zeigen, dass sich viele junge Menschen Sorgen um ihre Zukunft machen und an psychischen Belastungen leiden.
- Als Gründe gelten demnach unter anderem Angst wegen des Kriegs in der Ukraine, die Klimakrise sowie die Corona-Pandemie.
- Themen, die junge Leute beschäftigen, sind beispielsweise aber auch Ausbildungschancen und Altersarmut.
Einer repräsentativen Befragung von 14- bis 29-Jährigen zufolge belasten verschiedene Krisen die psychische Gesundheit von immer mehr jungen Menschen in Deutschland. Wie die Autoren der halbjährlich erscheinenden Untersuchung mit dem Titel "Jugend in Deutschland" schreiben, geht es dabei vor allem um den Krieg in der Ukraine, den Klimawandel sowie die Corona-Pandemie.
"Nach zwei Jahren Einschränkungen ihres privaten und schulisch beruflichen Alltags durch die Pandemie sind viele von ihnen psychisch angespannt, die Bedrohung durch einen Krieg in Europa drückt als eine weitere schwere emotionale Last auf ihre Stimmung", so Klaus Hurrelmann, Professor für Gesundheit und Bildung an der Hertie School in Berlin.
Hurrelmann war unter anderem bereits an mehreren Ausgaben der "Shell Jugendstudie" beteiligt, die zuletzt 2019 erschien und damals Umweltverschmutzung als größte Sorge identifizierte. Die letzte "Jugend in Deutschland"-Erhebung kam wiederum zum Schluss, dass eine Mehrheit trotzdem nicht auf Flugreisen, Fleischkonsum und Autofahren verzichten möchte. In der aktuellen Ausgabe nannten die 1.021 zwischen dem 9. und dem 21. März online befragten Personen Stress (45 Prozent), Antriebslosigkeit (35 Prozent) und Erschöpfung (32 Prozent) als häufigste psychische Belastungen.
Psychische Belastungen als großes Problem
Mehr als ein Viertel berichtete außerdem von einer Depression, 13 Prozent von "Hilflosigkeit" und sieben Prozent von Suizidgedanken. Viele wünschen sich den Angaben zufolge "mehr professionelle Unterstützung und Hilfe zur Stressbewältigung, auch direkt im schulischen Raum". Die konkret gestellten Fragen waren unter anderem "Welche wirtschaftlich-gesellschaftlichen Themen bereiten dir Sorge?", "Wie hat die Corona-Krise dein Leben verändert?" und "Erlebst du aktuell psychische Belastungen?".
Die meisten würden für sich persönlich trotz aller Belastungen aber eine gute Zukunft erwarten, heißt es. "Obwohl sich die meisten zutrauen, trotz widriger Umstände das eigene Leben in den Griff zu bekommen, sehen sie im Blick auf die wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Entwicklung Deutschlands erhebliche Probleme", schränken die Studienautoren diesen Befund aber ein und und sprechen von einem "Dauerkrisen-Modus". Sie verwiesen auf eine festgestellte niedrige Zufriedenheit nicht nur mit der eigenen finanziellen Situation, sondern auch der psychischen Gesundheit - Letzteres "sowohl aktuell als auch im Blick auf die Zukunft in zwei Jahren".
"Jugendrat" fordert politische Konsequenzen
Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine gaben 58 Prozent den Angaben nach zum Zeitpunkt der Befragung an, "umfassende Sanktionen" gegen Russland zu befürworten, die geplante Erhöhung von Militärausgaben durch die Bundesregierung begrüßten demnach 43 Prozent und Waffenlieferungen an die Ukraine 37 Prozent. "Die jungen Menschen in Deutschland sind nicht im Geringsten auf eine kriegerische Auseinandersetzung vorbereitet und stehen auch einer Wiedereinführung des Wehrdienstes sehr zurückhaltend gegenüber", sagte Ko-Autor Hurrelmann, der auch als wissenschaftlicher Berater fungierte, einer Mitteilung zufolge.
Der sogenannte Jugendrat der als gemeinnützig eingestuften Generationen Stiftung forderte in einer Reaktion politische Konsequenzen. Die Ergebnisse würden deutlich zeigen, dass Krisen wie der Krieg in der Ukraine und die - Zitat - "Klimakatastrophe" die mentale Gesundheit junger Menschen besonders stark belasten, sagte Sofia Tahri, eines von 15 Mitgliedern des Rats: "Die Politik muss jetzt handeln und die Sorgen von Jugendlichen endlich ernst nehmen. Wir können es uns nicht erlauben, dass unsere Lebensgrundlagen weiter zerstört werden."
Der Jugendrat besteht aus Aktivistinnen und Aktivisten, die sich "für das Überleben kommender Generationen und den Schutz unserer Demokratie" einsetzen und mit generationenübergreifenden Kampagnen "die Mächtigen in Haftung nehmen und für ein anderes System kämpfen" wollen.
Jugendstudie: Viele sorgen sich um Altersarmut
Um die Interessen junger Menschen geht es auch in einer weiteren Erhebung, an der Forscher Klaus Hurrelmann beteiligt ist war: In der "Jugendstudie 2022" von MetallRente, eines Versorgungswerks unter anderem der Metall- und Elektroindustrie, stimmen rund 80 Prozent der Aussage "Ich habe Angst davor, im Alter nur eine niedrige Rente zu bekommen und arm zu sein" entweder "voll und ganz" oder "eher" zu. Befragt wurden hierbei rund 2.500 junge Menschen zwischen 17 und 27.
"Wir haben jetzt zum ersten Mal eine Studie, in der ein Viertel der jungen Erwachsenen sagt, sie wissen nicht, ob sie es sich finanziell leisten können, eine eigene Familie zu gründen", teilte Hurrelmann mit. Das habe es in diesem Ausmaß bei der alle drei Jahre erscheinenden Untersuchung nicht gegeben. Ihren Grundoptimismus als junge Generation würden sie sich aber nicht nehmen lassen wollen, so der Forscher. Nur gut jede und jeder Fünfte wäre der Erhebung nach außerdem bereit, länger als bis zum 67. Lebensjahr zu arbeiten, "wenn dies der langfristigen Sicherung der Renten diente". Der Aussage "Wenn die Politik es wirklich will, kann es auch in Zukunft eine gute staatliche Rente geben", stimmen wiederum rund 90 Prozent zu.
Ausbildung: Jugendliche fordern mehr Unterstützung
Mehr Unterstützung von der Politik fordern Jugendliche laut einer anderen repräsentativen Umfrage auch beim Thema Ausbildung. In einer von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebenen Erhebung kritisieren mehr als 40 Prozent der 1.666 Befragten zwischen 14 und 20, die Politik tue "eher wenig oder gar nichts" für Suchende. Fast die Hälfte meint zwar, es gebe genügend Ausbildungsplätze. Von Jugendlichen mit "niedrigen Schulabschlüssen" (maximal Hauptschulabschluss beziehungsweise Erster Allgemeiner Schulabschluss) beispielsweise geben aber 49 Prozent an, die Zahl der Stellen reiche ihrem Eindruck nach nicht aus.
"Diese Einschätzung ist nicht verwunderlich: Trotz vieler unbesetzter Ausbildungsstellen bleiben laut Statistik mehr als ein Drittel der Personen mit Hauptschulabschluss zwischen 20 und 34 Jahren ohne Ausbildung", so die Stiftung. Mehr als jeder und jede zweite befragte Jugendliche ging zudem davon aus, dass sich die Ausbildungschancen wegen der Folgen der Corona-Pandemie verschlechtert hätten. Die Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP spricht sich in ihrem Koalitionsvertrag für eine sogenannte Ausbildungsgarantie aus, die "den Jugendlichen einen Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung ermöglicht, stets vorrangig im Betrieb".
Wenn Sie oder eine Ihnen nahestehende Person von Suizid-Gedanken betroffen sind, wenden Sie sich bitte an die Telefon-Seelsorge unter der Telefonnummer 08 00/ 11 10 - 111 (Deutschland), 142 (Österreich), 143 (Schweiz).
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