Ein gigantischer Trabant begleitet schon seit Ewigkeiten unsere Milchstraße. Doch trotz seiner enormen Größe blieb er Wissenschaftlern bis zum vergangenen Jahr verborgen. Die sogenannte "Geistergalaxie" verblüfft Astronomen aber auch aus anderen Gründen.
So, wie manche Planeten von Monden umkreist werden und die Planeten wiederum ihre Bahnen um Sterne ziehen, können auch ganze Galaxien kleinere Satellitengalaxien haben, die sie umzirkeln.
Um unsere Milchstraße schwirren ebenfalls mehrere solcher Begleiter. Im vergangenen Jahr fanden Astronomen einen bislang unbekannten Trabanten der Milchstraße, der in mehrerlei Hinsicht erstaunlich ist.
Die Gaia-Mission der europäischen Raumfahrtorganisation ESA hat das Ziel, unsere Galaxie zu kartographieren und Erkenntnisse über ihre Entstehung zu gewinnen. Dazu hat die Gaia-Sonde riesige Datenmengen über die Milchstraße und ihre Umgebung gesammelt, die nach und nach ausgewertet werden.
In einem dieser Datensätze entdeckten die Forscher die Zwerggalaxie und nannten sie "Antlia 2". Ihre Existenz ist an sich nicht ungewöhnlich. Erst beim zweiten Hinsehen wurde den Wissenschaftlern bewusst, dass sie eine besondere Entdeckung gemacht hatten.
Versteckter Gigant
Zunächst einmal ist die neu entdeckte Zwerggalaxie mit etwa einem Drittel der Dimensionen der Milchstraße sehr groß. Sie hat ungefähr die Ausmaße eines der bekanntesten Trabanten unserer Galaxie, der Großen Magellanschen Wolke, die so enorm ist, dass wir sie von der Erde aus mit bloßem Auge sehen können.
Trotzdem blieb Antlia 2 den Menschen bis vor kurzem verborgen. Denn sie liegt aus unserer Perspektive gut versteckt hinter der Sternenscheibe der Milchstraße.
Es gibt jedoch einen weiteren Grund, warum die Zwerggalaxie schwer zu entdecken war: Sie hat eine erstaunlich geringe Dichte und ist sehr dunkel. Sie leuchtet sogar hundertmal schwächer als die sogenannten ultra-diffusen Galaxien, die sehr wenig Licht abgeben.
Eine Galaxie mit so geringer Lichtabgabe wie Antlia 2 war zuvor nicht bekannt. Dieser Umstand verleitete ihre Entdecker dazu, von einer "Geistergalaxie" zu sprechen.
Antlia 2: Sonderling unter den Galaxien
Antlia 2 hat nicht nur eine ungewöhnliche Erscheinung, die Galaxie verhält sich auch auf unerwartete Weise. Die Satellitengalaxien verlieren über die Zeit immer wieder Sterne an die Milchstraße, die eine stärkere Anziehungskraft hat. Dadurch schrumpfen Zwerggalaxien über die Zeit.
Die Wissenschaftler können sich daher die enorme Größe einer Satellitengalaxie mit der geringen Dichte von Antlia 2 so nah an der Milchstraße nicht erklären. Die Daten passen nicht zu den bisherigen Modellen über die Entwicklung von Galaxien.
"Verglichen mit den übrigen rund 60 Milchstraßen-Satelliten ist Antlia 2 ein echter Sonderling", sagte einer ihrer Entdecker, Matthew Walker, laut einer Mitteilung der Universität von Cambridge.
Nach der Entdeckung der Geistergalaxie müssen demnach gängige Theorien über die Entstehung von Galaxien überdacht werden. Die Astronomen wollen auch herausfinden, ob Antlia 2 tatsächlich einzigartig ist: "Wir fragen uns, ob diese Galaxie nur die Spitze des Eisbergs ist und die Milchstraße von einer großen Anzahl an unsichtbaren Zwergen wie diesem umgeben ist", wird Walker weiter zitiert.
Ist Antlia 2 mit Milchstraße kollidiert?
Und noch ein Mysterium könnte sich hinter Antlia 2 verbergen. Denn laut aktuellen Erkenntnissen des Rochester Institute of Technology könnte die Geistergalaxie vor Hunderten von Millionen Jahren mit unserer Galaxie kollidiert sein – und so der Milchstraße ihre charakteristische, wellenartige Form der äußeren Scheibe verliehen haben.
Verwendete Quellen:
- Gabriel Torrealba et al.: The hidden giant: discovery of an enormous Galactic dwarf satellite in Gaia DR2
- Mitteilung der University of Cambridge: Gaia spots a 'ghost' galaxy next door
- European Space Agency: Gaia
- Mitteilung des RIT: New evidence shows crash with Antlia 2 gave the Milky Way the ripples in its outer disc
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