- Nach dem Zweiten Weltkrieg lieferten sich die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion ein Wettrennen um die Erforschung des Weltraums.
- Dabei hatten beide Seiten konkrete Pläne entwickelt, um eine Atombombe ins Weltall zu bringen und auf dem Mond detonieren zu lassen.
- Über Jahrzehnte waren diese Vorhaben allerdings der Öffentlichkeit nicht bekannt.
- Wie kam es heraus und was hätte eine Umsetzung der Pläne für uns bedeutet?
Bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa machten sich die starken ideologischen Gräben zwischen den Westmächten und der Sowjetunion bemerkbar. Beide hielten das bei ihnen vorherrschende politische System für überlegen, und um diesen Anspruch zu untermauern, musste die Macht in der Praxis demonstriert werden. Dazu gehörte die Eroberung des Weltraums.
Dabei ging es aber nicht nur um Prestige, es waren auch strategische Überlegungen im Hintergrund: So stand etwa der Gedanke im Raum, auf dem Mond eine Militärbasis einzurichten – und damit eine Möglichkeit zu haben, den Feind vom Weltraum aus anzugreifen. Hier gab es schon in den 1940er Jahren Ängste, der Sowjetunion könnte dies gelingen.
Den Amerikanern kam dabei zugute, dass sie von den Deutschen während des Zweiten Weltkriegs betriebene Forschungen für sich nutzbar machen konnten. So waren es etwa Wissenschaftler wie Wernher von Braun, durch die die amerikanische Raketentechnik vorangetrieben wurde.
Dennoch mussten die Vereinigten Staaten 1957 einen großen Schlag hinnehmen: Der Sowjetunion gelang es, den Satelliten "Sputnik 1" in die Erdumlaufbahn zu bringen – etwas, das die Amerikaner bisher nicht geschafft hatten. Kurz danach wurde mit "Sputnik 2" ein Hund als Passagier in den Weltraum befördert – der nächste Schlag.
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Atombombe auf dem Mond
Bald kamen auch noch beunruhigende Gerüchte auf: Durch einen Insider hätte der amerikanische Geheimdienst erfahren, dass es sowjetische Planungen gebe, eine Wasserstoffbombe in den Weltraum zu schießen und auf der Oberfläche des Mondes explodieren zu lassen. Diese sollte, so hieß es, am Jahrestag der Oktoberrevolution gezündet werden.
Die Befürchtungen, dass dies stimmen könnte, veranlassten die Amerikaner, unter der Bezeichnung "Projekt A119" rasch ähnliche Planungen vorzunehmen. Dies geschah im Auftrag der amerikanischen Luftwaffe.
So liefen Forschungen hierzu ab Mai 1958 über die Armour Research Foundation in Chicago. Das Projekt trug dabei die unscheinbare Bezeichnung "A Study of Lunar Research Flights" – offiziell ging es um "Testflüge" zum Mond.
Ursprünglich war angedacht, eine Wasserstoffbombe zum Mond zu bringen. Deren Gewicht hätte den Transport schwierig gemacht, weshalb man bei den Planungen schließlich von einer Atombombe ausging. Die Sprengkraft sollte jedoch deutlich geringer sein als die jener Bombe, die auf Hiroshima abgeworfen worden war. Alles unterlag strengster Geheimhaltung.
Gänzlich neu waren solche Ideen in Amerika nicht: Schon im Februar 1957 hatte Edward Teller, der "Vater der Wasserstoffbombe", die Idee vertreten, mehrere Bomben auf dem Mond zu zünden, um zu beobachten, welche Auswirkungen dies bei einer geringeren Schwerkraft hätte.
Das Projekt wurde allerdings 1959 wieder eingestellt. Über die Gründe kann man nur mutmaßen. Vermutlich erschien das Unterfangen am Ende doch zu riskant. Vor allem muss man bedenken, dass eine Atombombe auf dem Mond zwar an sich ein Erfolg gewesen, aber die Wirkung insgesamt eher gering geblieben wäre: Die Explosion wäre von der Erde aus kaum zu sehen gewesen und das auch nur kurz.
Möglicherweise war man auch unsicher, was die Radioaktivität betraf und wollte das Ziel einer bemannten Landung auf dem Mond sowie eine mögliche Besiedlung nicht gefährden. Nicht zuletzt könnte zudem die Befürchtung im Raum gestanden haben, dass das Unternehmen bei der amerikanischen Bevölkerung negativ angekommen wäre. Jedenfalls trieben die Vereinigten Staaten fortan stattdessen das Unternehmen voran, Menschen auf den Mond zu schicken.
1963 kam es dann zur Unterzeichnung des Vertrags über das Verbot von Kernwaffenversuchen in der Atmosphäre, im Weltraum und unter Wasser, womit beide Seiten darauf verzichteten, derartiges in Zukunft zu versuchen. Zusätzlich gab es 1967 den Weltraumvertrag, der es untersagte, Kernwaffen in den Weltraum zu befördern.
Wie das Projekt versehentlich entdeckt wurde
Da das Projekt der Geheimhaltung unterlag, wusste die Öffentlichkeit nichts von den vorhandenen, wenn auch fallen gelassenen Plänen der Regierung. Dies kam erst in den 1990er Jahren ans Licht.
Es war der Buchautor Keay Davidson, dem dies zu verdanken ist. Er schrieb eine Biografie über den Wissenschaftler Carl Sagan. Dieser war 1996 gestorben und neben seiner wissenschaftlichen Karriere später auch als Fernsehmoderator und Romanautor bekannt geworden.
Er hatte sich 1959 um eine Stelle als Dozent an der University of California in Berkeley beworben. In seinen Bewerbungsunterlagen fanden sich Details, die auf das damalige Unternehmen hinwiesen. So hatte Sagan die Titel zweier mit dem Projekt verbundener Thesenpapiere namentlich genannt.
Dies hätte er aufgrund der Geheimhaltung nicht machen dürfen, seine Unachtsamkeit ließ Davidson jedoch erahnen, dass mehr dahinter stecken musste. Als im Magazin "Nature" über das Buch und diesen bisher gänzlich unbekannten Aspekt in Sagans Leben berichtet wurde, wandte sich schließlich der Physiker Leonard Reiffel an die Öffentlichkeit.
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Er gab zu, dass es ein solches Projekt gegeben hatte, bestätigte, dass Sagan daran mitgearbeitet hatte und dass er selbst damals der Leiter davon gewesen war. Von Reiffel stammen auch einige Details, durch die sich der Umfang des Projekts erahnen lässt.
Bislang wurde nur ein einziges Dokument, das zu "Projekt A119" gehörte, offiziell freigegeben. Es handelt sich dabei um das erste von mehreren Thesenpapieren, das auf den 19. Juni 1959 datiert ist.
Die Sowjetunion hatte ähnliche Pläne
Die damalige Angst, dass die Sowjetunion eine Bombe auf dem Mond zünden könnte, war mehr als nur ein Gerücht. Tatsächlich gab es in der Sowjetunion entsprechende Planungen. Auch diese unterlagen strengster Geheimhaltung, sodass nichts davon der Öffentlichkeit bekannt war.
Der sowjetische Deckname dafür lautete schlicht "E". Heute weiß man, dass das Projekt aus vier Phasen bestehen sollte, wobei die letzte dann die Herbeiführung einer nuklearen Explosion auf dem Mond gewesen wäre.
Auch im Falle der Sowjetunion war es ein Zufall, der die Sache ans Licht brachte. Im Zuge von Recherchen zum 60. Jubiläum von "Sputnik" stieß der Historiker Matthias Uhl vom Deutschen Historischen Institut in Moskau auf einen Befehl vom 6. September 1958. Mit diesem hatte das staatliche Komitee zur Verteidigungstechnik verschiedene Zuständigkeiten festgelegt.
So wurden mehrere damals führende sowjetische Wissenschaftler damit beauftragt, eine Rakete zu entwickeln, die in der Lage wäre, eine Atombombe zum Mond zu transportieren, und für das Unternehmen geeignete Atomsprengköpfe herzustellen. Bei den Gründen für die Pläne kann man wie bei den Amerikanern von einer Machtdemonstration gegenüber dem feindlichen Machtblock ausgehen.
Doch wie beim amerikanischen Projekt wurden die Pläne 1959 fallen gelassen. Auch hier lässt sich über die Gründe nur rätseln. Vielleicht war es der sowjetischen Führung allgemein zu riskant gewesen. Hierbei muss gesagt werden, dass Raketenstarts damals deutlich schwieriger waren und viele sowjetische Raketen bereits auf dem Startplatz explodiert waren.
Hinzu kommt, dass die Sowjetunion nur einen einzigen Startplatz für Interkontinentalraketen hatte – dessen Bestehen wollte man wohl nicht durch ein mögliches Unglück aufs Spiel setzen. Zudem hatte es zwei sowjetische Testflüge zum Mond gegeben, die beide gescheitert waren. Mutmaßlich sahen die Sowjets wie die Amerikaner ein, dass angesichts des hohen Aufwands der Effekt nicht sehr beeindruckend gewesen wäre.
Die Akten zum sowjetischen Projekt sind nach wie vor unter Verschluss. Von offizieller Seite hieß es, dass eine eigene Expertenkommission sich damit befasse; wann oder ob dazu eine Veröffentlichung erfolgen wird, ist nicht bekannt.
Was wäre im Falle eines Erfolgs geschehen?
Wäre es tatsächlich vonseiten einer der beiden Machtblöcke zu einer Bombenzündung auf den Mond gekommen, wären die Folgen weniger schwerwiegend gewesen. Der Mond hätte davon keinen dauerhaften Schaden genommen. Dass er gar zerstört worden wäre und große Trümmer auf die Erde niedergegangen wären oder sich die Umlaufbahn dauerhaft verschoben hätte, sind Szenarien, die es so nicht gegeben hatte.
Es wäre jedoch zu einem starken Beben gekommen und da der Mond im Gegensatz zur Erde keine Atmosphäre besitzt, wären kleinere Trümmer bis in die Atmosphäre gelangt, die dann zum Teil zur Erde gelangen hätten können. Der größere Teil wäre wohl wieder auf den Mond zurückgefallen. Dies hätte eine radioaktive Verseuchung auf der Oberfläche bedeutet; aufgrund der Bedingungen auf dem Mond wäre die Radioaktivität jedoch deutlich rascher wieder zerfallen – einer bemannten Mondmission hätte dies folglich nicht dauerhaft im Weg gestanden.
Der Erfolg des Projekts wäre somit Prestige gewesen, ein Anspruch auf militärische Überlegenheit. Der Effekt selbst wäre gering gewesen. Durch die fehlende Atmosphäre hätte es nicht einmal einen Atompilz auf dem Mond gegeben, sondern es hätte sich eine Glutwolke ausgebreitet, die man von der Erde aus kaum gesehen hätte.
Hingegen hätte jedoch durchaus eine Gefahr bestanden, wenn während der Ausführung etwas schiefgegangen wäre: Wenn etwa die Atomrakete einen Fehlstart gehabt hätte oder sie nicht auf dem Mond eingeschlagen, sondern zurück auf die Erde gelangt wäre.
Insgesamt muss betont werden, dass es sich sowohl beim amerikanischen als auch beim sowjetischen Projekt nicht um theoretische Überlieferungen von Wissenschaftlern handelte, sondern um ernsthaft vorangetriebene Projekte, die von höchsten Stellen genehmigt worden waren.
Sicher aber ist, dass der Erfolg einer der beiden Seiten das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen beiden Machtblöcken weiter verschärft hätte. Die sowjetische Stationierung von Raketen auf Kuba hätte 1962 beinahe einen weiteren Weltkrieg ausgelöst. Die technische Möglichkeit, Atomwaffen vom Weltraum aus auf Ziele auf die Erde abfeuern zu können, hätte das politische Klima vermutlich deutlich verschlechtert.
Wenn der Grund für die Einstellung des Projekts auf beiden Seiten tatsächlich gewesen sein sollte, dass eine Atombombe auf dem Mond schlicht zu unspektakulär gewesen wäre, gibt dies dennoch zu denken: Denn es würde zeigen, dass man damals bereit gewesen wäre, eine riskante Sache nur wegen der Wirkung auf den Gegner durchzuführen.
Verwendete Quellen:
- mdr.de : Sowjetunion wollte eine Atombombe auf dem Mond zünden
- futurezone.de: Geheimprojekt A119: Der Plan der USA, den Mond in die Luft zu jagen
- spiegel.de: Komm, wir bombardieren den Mond!
- zeit.de: Mit der Bombe zum Mond
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