Die Entdeckung vermeintlicher Riesengalaxien aus der Frühzeit des Universums stellte im vergangenen Jahr das kosmologische Standardmodell infrage. Forscher bezeichneten es als eine "Krise der Kosmologie". Nun stellt sich heraus: Es handelte sich um eine optische Täuschung.

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Zu den Hauptaufgaben des James-Webb-Weltraumteleskops gehört die Entdeckung und Beobachtung der allerersten Galaxien, die sich nach dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren bildeten. Forscher hatten dabei eher kleine Galaxien erwartet und waren überrascht, als das Teleskop zahlreiche sehr große Galaxien in der kosmischen Frühzeit aufspürte. Denn ein so rasches Wachstum der Sternsysteme stand im Widerspruch zu den theoretischen Vorstellungen von unserem Universum, dem kosmologischen Standardmodell. Doch jetzt scheint die Welt der Himmelsforscher wieder im Lot zu sein: Wie ein internationales Team im Fachblatt "Astrophysical Journal" berichtet, sind die verdächtigen Galaxien viel kleiner als zunächst angenommen.

Es war eine kosmische optische Täuschung

"Wir sehen zwar immer noch mehr Galaxien als erwartet, aber keine von ihnen ist so groß, dass sie unser Modell des Kosmos zerstört", erläutert Katherine Chworowsky von der US-amerikanischen University of Texas. Die vermeintlichen Riesengalaxien entpuppten sich nämlich als optische Täuschung. Die Astrophysikerinnen und Astrophysiker hatten aus der Helligkeit der Galaxien auf die Anzahl ihrer Sterne und damit auf die Menge an Materie, die sie enthalten, geschlossen. Tatsächlich stammt ein Großteil des Lichts dieser Sternsysteme aber nicht von Sternen, sondern von Schwarzen Löchern.

Schon viele der ersten Galaxien haben offenbar ein großes Schwarzes Loch in ihrem Zentrum. Diese Schwarzen Löcher ziehen mit ihrer Schwerkraft Gas aus der Umgebung an. Das Gas sammelt sich, bevor es in die Schwarzen Löcher hineinfällt, in rotierenden Scheiben um die Schwarzen Löcher an und erhitzt sich durch Reibung auf bis zu einer Million Grad. Es ist das Licht dieser heißen Scheiben aus Gas, das die Galaxien so hell erscheinen lässt.

Doch keine "Krise der Kosmologie"

Im kosmologischen Standardmodell besteht das Universum nur zu einem kleinen Teil von etwa fünf Prozent aus sichtbarer Materie, also Sternen und Galaxien. Es sind hauptsächlich die mysteriöse Dunkle Materie und die Dunkle Energie, die über das Schicksal des Kosmos entscheiden.

Das Webb-Teleskop empfängt Licht, das bereits vor vielen Milliarden Jahren ausgesendet worden ist – deshalb erlaubt das Weltraumteleskop einen Blick zurück in die kosmische Vergangenheit. Die Beobachtungen von Chworowsky und ihren Kollegen bringen die kosmische Geschichte nun wieder in Einklang mit den Vorhersagen des Standardmodells.

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Zumindest so weit in Einklang, dass die Wissenschaftler nicht länger von einer "Krise der Kosmologie" sprechen, wie Steven Finkelstein, Leiter der Forschungsgruppe, betont. Gleichwohl zeigt das Webb-Teleskop im jungen Kosmos immer noch etwa doppelt so viele Galaxien wie erwartet. "Vielleicht konnten im jungen Kosmos Sterne leichter entstehen als im heutigen Kosmos", spekuliert Chworowsky. Dann wären die Galaxien heller und das Webb-Teleskop könnte sie leichter aufspüren – und deshalb auch mehr von ihnen finden. Folglich müsse nicht das theoretische Modell des Kosmos überarbeitet werden, sondern die Theorie der Sternentstehung im jungen Kosmos, so die Wissenschaftlerin. (dpa/bearbeitet von mak)

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