Eine vierspurige Autobahnbrücke in Genua stürzt teilweise ein. Für Autofahrer ist das eine schreckliche Vorstellung. In welchem Zustand sind die Brücken in Deutschland und wie werden die Bauwerke kontrolliert?

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Nach dem Einsturz einer Autobahnbrücke im Genua stellt sich hierzulande die Frage, in welchem Zustand die Brücken in Deutschland sind. Nach jüngsten Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) gibt es fast 40.000 Brücken an Bundesfernstraßen - das heißt Autobahnbrücken und Brücken an Bundesstraßen mit Ortsdurchfahrten.

Nach Angaben der BASt ist der Zustand der Brückenflächen bei über 12 Prozent "sehr gut" oder "gut", bei etwa 75 Prozent "befriedigend" oder "ausreichend". Bei fast elf Prozent ist der Zustand "nicht ausreichend", bei knapp zwei Prozent gar "ungenügend".

Einen Brückenabsturz wie in Italien hat es laut der BASt in Deutschland bisher noch nicht gegeben. Doch wie werden die Bauwerke überwacht?

Keine Sperrung trotz schlechter Note

Brücken werden in Deutschland regelmäßig nach der Norm DIN 1.076 geprüft. Sie ist das "grundlegende technische Regelwerk für die Erfassung des Zustandes" von unter anderem Brücken. Das erklärt die BASt.

Aus dem Regelwerk geht hervor, dass solche Bauwerke nach zwei anfänglichen Hauptprüfungen jedes Jahr zumindest besichtigt werden müssen. Alle drei Jahre werden die Brücken einer einfachen Prüfung unterzogen, alle sechs Jahre folgt eine Hauptprüfung. Im letzten Fall rücken Ingenieure mit Besichtigungsgeräten an und prüfen jede Schutzhülle und jede Schachtabdeckung. Zur Prüfung zählen unter anderem:

  • Abklopfen von Betonflächen zur Feststellung von Hohlräumen
  • Messen von Rissen und Vergleich der Ergebnisse mit Vorläufermessungen
  • Kontrolle des festen Sitzes von Verbindungsmitteln (Schrauben, Bolzen)
  • Messen von Verformungen (Durchbiegung) für mögliche Rückschlüsse auf Tragfähigkeitsverluste
  • Prüfung der Betonfestigkeit mittels Rückprallhammer oder durch Bohrkernentnahme und anschließende labortechnische Untersuchung

So haben Ingenieure den Zustand der Bauwerke fortlaufend im Blick und decken Mängel rechtzeitig auf. Schäden werden unter anderem in Hinblick auf ihre Auswirkungen auf die Stand- und Verkehrssicherheit bewertet. Danach werden auch die Noten für die jeweiligen Bauwerke vergeben.

Diese sind die Grundlage für weitere Planungen. Besonders schlechte Noten unterstreichen die Dringlichkeit notwendiger Maßnahmen. Eine Brücke mit einer Note zwischen 3,0 und 3,4 zeigt den Ingenieuren beispielsweise, dass hier bald Instandsetzungsmaßnahmen geplant werden müssen. Eine Zustandsnote "nicht ausreichend" bedeutet aber nicht zwangsläufig eine Nutzungseinschränkung des Bauwerks.

Ein "ungenügender" Zustand kann beispielsweise auch auf Schäden an den Gitterstäben des Geländers zurückzuführen sein. Wenn bei der Bauwerksprüfung eine Sicherheitsbeeinträchtigung festgestellt wird, so werden der BASt zufolge sofort entsprechende Maßnahmen getroffen, um die erforderliche Sicherheit weiterhin zu gewährleisten.

Der Zustand von Brücken muss in Deutschland allerdings nicht nur aufgrund ihres Alters verbessert werden. Darauf weist die BASt hin. Sie müssen auch in Hinblick auf den steigenden Schwerverkehr angepasst werden. So ist beispielsweise eine Verbesserung ihrer Tragfähigkeit erforderlich. Brücken müssen in dem Fall entweder verstärkt oder komplett neu gebaut werden.

ADAC-Test zeichnet anderes Bild

Neben der BASt prüft auch der ADAC alle paar Jahre die kommunalen Brücken in Deutschland. Der letzte Test erfolgte im Jahr 2014. Das Fazit: Die Brücken in Deutschland sind in einem schlechten Zustand. Von den geprüften 30 Brücken in zehn deutschen Städten sind laut dem ADAC sieben durchgefallen.

Die Bauwerke wurden nach den vier Kriterien Bauwerkszustand, Sanierungsmanagement, Verwaltungsmanagement und Ausstattung des Verkehrsraumes bewertet. Zu diesem Zweck wurde folgendes geprüft:

  • Massive Bauteile wie Mauerwerk, Beton-, Stahlbeton- und Spannbetonteile
  • Stahl- und andere Metallkonstruktionen
  • Lager, Gelenke sowie Übergänge von der normalen Straße zur Brücke
  • Schutzvorrichtungen wie zum Beispiel Schutzplanken und Geländer
  • Fahrbahn-, Geh- und Radwegbeläge sowie Brückenentwässerung
  • Versorgungsleitungen
  • Brückenmaße
  • Ordnungsgemäße Beschilderung

Drei Brücken in Lübeck (Rehder-, Sandberg- und Hüxtertorbrücke) schnitten im Jahr 2014 mit "mangelhaft" ab. Sie fielen alle in der Kategorie Bauwerkszustand durch.

Die häufigsten Mängel waren schadhafte oder undichte Fugen. Dadurch gelangt Feuchtigkeit in die Bauwerke. An anderen Brücken fand der ADAC Rost an tragenden Teilen der Konstruktion. Das kann die Standsicherheit beeinträchtigen.

Aber warum werden solche Mängel nicht behoben? Obwohl den meisten Städten Schäden an den Bauwerken bekannt sind, leiten sie laut dem ADAC daraus häufig nicht die erforderlichen Maßnahmen ab. Außerdem verfügen einige Kommunen nicht über die Mittel und in manchen Fällen auch nicht über das Personal.

Viele Kommunen haben für Brücken zwar ein eigenes Budget, es reiche aber nicht für die Instantsetzung aus. Dadurch werden Schäden jahrelang nicht behoben. Dennoch war das Ergebnis des Tests im Jahr 2014 besser als im ADAC Brückentest aus dem Jahr 2007. Damals gab es bei rund 40 Prozent der Bauwerke Probleme.

Am Mittwoch ging die Suche nach der Ursache des Brückeneinsturzes von Genua weiter.

Verwendete Quellen:

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