- In einem Embryo haben Forscherinnen und Forscher menschliche Zellen mit denen von Affen vermengt.
- Solche Versuche sollen dabei helfen, einmal menschliche Organe in Tieren zu züchten.
- Bis es soweit ist, wird es allerdings noch dauern.
- Bis dahin beschäftigt Expertinnen und Experten die Frage: Dürfen wir das überhaupt?
Es ist ein ziemlich spektakuläres Experiment, von dem französische Forscherinnen und Forscher um die Entwicklungsbiologin Nicole Marthe Le Douarin 1988 im Fachmagazin "Science" berichten: Sie hatten embryonales Nervengewebe von Wachteln in gleichalte Hühnerembryos implantiert.
Die geschlüpften Hühner-Küken stießen daraufhin Wachtel-typische Rufe aus. Der Versuch hatte gezeigt, dass es möglich ist, durch die Schaffung von Mischwesen - Chimären - bestimmte Eigenschaften einer Tierart auf eine andere zu übertragen.
Le Douarins Experimente und die vieler anderer Forscher seit den 1970er Jahren dienten vor allem dazu, Aspekte der Entwicklungsbiologie in solchen Chimären zu untersuchen, also etwa wie sich einzelne Zelltypen entwickeln.
Zellen, Gewebe und Organe für den Menschen züchten
Heute ist das Ziel einiger Forscherinnen und Forscher - wenn es auch noch in weiter Ferne liegt - ein anderes: Sie wollen mit Hilfe der Mischwesen die Züchtung von Zellen, Geweben und Organen für den Menschen ermöglichen, um so etwa den Mangel an Spenderorganen zu begegnen.
Dazu vermengen sie auch menschliche Zellen mit tierischen - ein Ansatz, der bei Manchen ein Unwohlsein hervorrufen dürfte und zahlreiche ethische Fragen aufwirft.
In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Cell" berichtet ein internationales Forscherteam davon, Embryonen gezüchtet zu haben, die aus menschlichen Zellen und Zellen von Affen bestehen. Die Gruppe um
Ausgereifte Lebewesen gingen aus den Experimenten nicht hervor, die Wissenschaftler untersuchten die Entwicklung der Embryonen für rund 20 Tage im Labor.
Verfahren kann sich in späteren Lebensphasen als nützlich erweisen
"Da wir bestimmte Arten von Experimenten nicht am Menschen durchführen können, ist es wichtig, dass wir bessere Modelle haben, um die menschliche Biologie und Krankheit genauer zu untersuchen und zu verstehen", erläutert Studienleiter Izpisua Belmonte die zugrundeliegende Motivation.
Die chimärischen Verfahren könnten sich als sehr nützlich erweisen, nicht nur für die biomedizinische Erforschung der frühesten Lebensphase, sondern auch für spätere Lebensphasen.
Der Stammzellforscher Hans Schöler sieht die Studie als "spannende Grundlagenforschung". Die tatsächliche Züchtung von Organen in solchen Chimären sei jedoch noch "ganz ganz fern", so der Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster. Er war nicht an der Studie beteiligt.
Chimären sollen grundlegende Fragestellungen klären
Auch den Autoren der Studie zufolge sollen die Mensch-Makaken-Chimären nicht als Organ-Lieferanten dienen, sondern vielmehr dabei helfen, grundlegende Fragestellungen zu klären. Die Wissenschaftler verweisen auf eigene frühere Untersuchungen, bei denen menschliche Zellen mit denen von Schweinen vermengt worden waren - mit äußerst geringem Erfolg.
Nur wenige menschliche Zellen waren in das Gewebe der Schweine integriert, wie sie ebenfalls im Fachmagazin "Cell" berichtet hatten. Die Wissenschaftler führen die Schwierigkeiten vor allem auf die große evolutionäre Distanz zwischen Mensch und Schwein zurück. Der letzte gemeinsame Ahne beider Arten lebte vor über 90 Millionen Jahren.
Mit den Makaken, genauer gesagt waren es Javaneraffen (Macaca fascicularis), wählten sie nun einen engeren Verwandten des Menschen. "Die Schaffung einer Chimäre zwischen einem Menschen und einem nicht-menschlichen Primaten, einer Spezies, die mit dem Menschen auf der evolutionären Zeitachse näher verwandt ist als alle bisher verwendeten Spezies, wird es uns ermöglichen, einen besseren Einblick zu gewinnen, ob es evolutionär bedingte Barrieren für die Erzeugung von Chimären gibt und ob es Mittel gibt, mit denen wir diese überwinden können", erläutert Izpisua Belmonte.
Zahl der lebensfähigen Embryonen sank schnell
Er vergleicht den Versuch, verschiedene Arten miteinander zu verschmelzen, mit der Kommunikation in Fremdsprachen: Zellen von Schwein und Mensch zu vermengen sei etwa so, wie zu versuchen, die gemeinsame Ebene von Chinesisch und Französisch zu finden. Bei Mensch-Affen-Chimären operierten die Zellen eher wie eng verwandte Sprachen, etwa Französisch und Spanisch.
Tatsächlich entwickelten sich die Makaken-Blastozysten anfangs nur wenig langsamer als Makaken-Embryonen ohne menschliche Zellen. Zunächst wuchsen alle 132 Embryonen, nach zehn Tagen waren es noch 103. Danach sank die Zahl der lebensfähigen Embryonen schneller.
Am Ende der Studie - am Tag 19 nach der Befruchtung - lebten noch drei. Viel wichtiger aber: In vielen der Embryonen hatten sich die menschlichen Zellen erfolgreich vermehrt. Die Nähe der Arten könnte also tatsächlich zu besseren Ergebnissen geführt haben.
Solche Versuche sind außerordentlich schwierig
Während der Entwicklung analysierten die Forscher zu verschiedenen Zeitpunkten sowohl die räumliche Verteilung der farblich markierten menschlichen Zellen als auch die Genaktivitäten der Menschen- und Affen-Zellen. So wollen sie Grenzen und Möglichkeiten bei der Züchtung solcher Chimären aufzeigen.
"Die Publikation zeigt, wie außerordentlich schwierig solche Versuche sind", kommentiert Schöler die Studie. "Die menschlichen und tierischen Zellen beeinflussen sich gegenseitig und stehen mitunter auch miteinander im Wettbewerb."
Insofern könnten nur wenige Signale ausreichen, um das Gleichgewicht zwischen Zellverbänden zu stören. Dies hänge auch nicht nur von der evolutionären Distanz zweier Arten ab. "Auch einzelne Gene können einen Unterschied machen", sagt Schöler.
Bald auch Chimären von weniger eng verwandten Arten?
Die Erkenntnisse aus der Studie sollen den Forschern zufolge dazu beitragen, künftig auch Chimären von weniger eng verwandten Arten erzeugen zu können - etwa von Mensch und Schwein.
Die Nutzung von Schweinen sei aus mehreren Gründen, etwa wirtschaftlichen und ethischen - angemessener, wenn es darum gehe, Organe zu züchten, Krankheiten wie etwa Krebs zu erforschen und spezielle Therapien, etwa neue Arzneimittel, zu entwickeln.
Solche Möglichkeiten sieht Schöler noch in ferner Zukunft. Zwar könne man nicht ausschließen, dass ein wissenschaftlicher Durchbruch diese Entwicklungen beschleunige. "Aber diesen Durchbruch sehe ich momentan nicht."
Dass die medizinischen Möglichkeiten grundsätzlich gegeben sind, legen unter anderem die Arbeiten japanischer Forscher nahe. Sie hatten Stammzellen der Maus in Ratten-Embryonen übertragen und so eine funktionsfähige Bauchspeicheldrüse aus Zellen der Maus in den Chimären heranwachsen lassen.
Transplantierten sie das Gewebe auf Mäuse, die an Diabetes litten, regulierte es den Blutzuckerspiegel erfolgreich für mehr als ein Jahr. Ratten und Mäuse seien nur seit 21 Millionen Jahren getrennt, bemerkt die Gruppe um Izpisua Belmonte dazu in "Cell".
Besondere ethische Fragen
Der ethischen Tragweite ihrer Experimente sind sich die Forscher um Izpisua Belmonte bewusst. Sie betonen, diese seien mit größter Sorgfalt und in Abstimmung mit den regulatorischen Behörden geplant worden.
"Bei der Schaffung und Untersuchung embryonaler Mensch-Tier-Chimären sind ethische Fragestellungen wichtig, insbesondere wenn nicht-menschliche Primaten betroffen sind", schreiben sie. Auch deshalb habe man sich bei der Studie auf die Frühphase der Embryonalentwicklung beschränkt.
Gerade die Erzeugung chimärer Blastozysten mit menschlichen Zellen werfe besondere ethische Fragen auf, schreiben Henry Greely von der Stanford University und Nita Farahany von der Duke University in einem in "Cell" veröffentlichten Kommentar zu der Studie.
Schließlich könnten sich die menschlichen Zellen im sich entwickelnden Embryo ausbreiten und sich zu unterschiedlichen Zelltypen entwickeln. Entscheidend sei, dass die Embryonen in diesem Fall nicht etwa in eine Gebärmutter über- und dort ausgetragen wurden, letztlich also keine lebensfähigen Tiere entstanden.
Geburt von Mischwesen
Dennoch seien auch für diese Experimente Aspekte etwa zum Tierschutz oder dem Umgang mit menschlichen Spenderzellen kritisch zu prüfen. Zudem wiesen die Experimente darauf hin, dass auch weitergehende Versuche bis hin zur Geburt von Mischwesen wenigstens möglich erscheinen. "Wir müssen beginnen, über diese Möglichkeit nachzudenken", schreiben die Forscher.
Versuche wie die aktuell vorgestellten wären nach Ansicht deutscher Experten grundsätzlich auch hierzulande möglich. "Die aktuellen Experimente zu Tier-Mensch-Mischwesen werden mit tierischen Embryonen und menschlichen induzierten pluripotenten (Alleskönner-) Stammzellen durchgeführt", erläutert Rüdiger Behr vom Deutschen Primatenzentrum GmbH – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ) in Göttingen.
"Induzierte pluripotente Stammzellen werden zum Beispiel aus Hautzellen hergestellt und fallen weder unter das Embryonenschutzgesetz noch unter das Stammzellgesetz, das den Umgang mit aus menschlichen Embryonen gewonnenen Alleskönner-Stammzellen regelt."
Sind Mischwesen aus Mensch und Affe problematisch?
Der Forscher hält den Ansatz, Organe aus menschlichen Zellen in Chimären herzustellen, grundsätzlich für sinnvoll. "Allein in Deutschland sterben statistisch jeden Tag drei Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, aber keines bekommen, da keine Organe verfügbar sind." Insofern sei es ein hochrangiges Ziel, Alternativen zur klassischen Organspende zu erforschen und zu testen, ob sie praxistauglich seien.
Mischwesen aus Mensch und Affe hält er dabei aus ethischen Gründen für problematisch, Maus-Mensch oder Schwein-Mensch-Chimären müssten aber anders bewertet werden.
"In Schwein-Mensch-Mischwesen sehe ich gute Chancen, bei gleichzeitig sehr geringen Risiken, Organe für Transplantationen herzustellen. Ob diese Art der Herstellung von Ersatzorganen aus menschlichen Zellen und damit die vielleicht einmal möglich werdende Rettung von todkranken Menschen eine ausreichende Rechtfertigung für die Herstellung von Schwein-Mensch-Mischwesen ist, muss jeder einzelne für sich, die Gesellschaft als Ganzes und dann schließlich rechtlich verbindlich der Gesetzgeber für den Geltungsbereich seiner Gesetze entscheiden." (ff/dpa)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.