Von Kriegsbemalung hat wahrscheinlich jeder schon einmal gehört, aber von Kriegsschiffsbemalung? Tatsächlich wurden früher einige Handels- und Militärschiffe bunt bemalt. Was hat es damit auf sich?
Vor etwa 100 Jahren, kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs, kam der britische Künstler Norman Wilkinson auf die Idee, Schiffe der Royal Navy vor den Angriffen deutscher U-Boote zu schützen - mit einer völlig verrückten Bemalung.
Schiffe auf See durch schlichtes Einfärben zu verstecken, ist beinahe unmöglich. Egal wie gut die Tarnfarbe sich an Meer- und Himmelsfärbung anpasst, diese Umgebung ändert die Farbe je nach Tageszeit und Wetterlage: von grauem zu blauem zu nächtlich schwarzem Himmel.
Passt sich die Schiffsbemalung an eine dieser Farben an, ist sie vor dem jeweils anders gefärbten Hintergrund umso leichter zu erkennen. Außerdem war dem Rauch aus den Schiffsschornsteinen mit keiner Tarnung beizukommen.
"Dazzle"-Tarnung sollte Verwirrung stiften
Wenn das Verstecken auf dem Meer nicht möglich ist, dachte sich Wilkinson, dann lässt sich der Gegner vielleicht wenigstens verwirren. Die damaligen U-Boote hatten technisch noch keine andere Möglichkeit als das Periskop, um feindliche Schiffe anzupeilen. Sie schossen ihre Torpedos sozusagen auf Sicht ab.
Die neue Art der Schiffsbemalung, ein wildes Wirrwarr aus Farben und Mustern, zielte deshalb darauf ab, dass Entfernungen zum Schiff, Proportionen und sogar Fahrtrichtung des Schiffs kaum noch zuverlässig auszumachen waren.
Ungefähr 4.000 britische Handelsschiffe und 400 Kriegsschiffe der Royal Navy wurden bis zum Ende des Ersten Weltkriegs mit der sogenannten Dazzle-Schiffstarnung bepinselt - "to dazzle" bedeutet: blenden. Eine vollkommen neue Taktik. Ob sie aber tatsächlich Wirkung zeigte, ist umstritten.
Glaube an Tarnung hebt die Moral
Zwar meldeten bei erster Erprobung der Tarnung viele Seeleute verblüffende Sichtungen von seltsam verzerrten Phantomschiffen, deren jeweilige Bewegungsrichtung im Unklaren blieb, aber eine statistische Erhebung durch die britische Admiralität konnte nicht bestätigen, dass die Bemalung einen Vorteil hatte: Auch die scheinbaren Phantome wurden weiterhin von U-Booten versenkt.
Einen Vorteil schien die kunstvolle Tarnung allerdings zu haben: Ohne viele Kosten zu verursachen, hob die bunte Bemalung die Moral der Besatzung. Allein der Glaube, dass "Dazzle" Schutz bot, besserte die Stimmung an Bord. Auch deshalb wurde das System beibehalten. Sogar Versicherungsunternehmen waren so überzeugt vom Nutzen der Tarnung, dass sie ihre Prämien senkten.
Spätestens im Zweiten Weltkrieg waren auch diese Effekte dahin. Technische Entwicklungen wie das Sonar eröffneten U-Booten neue Methoden des Anpeilens gegnerischer Kriegsschiffe. Zurecht glaubte niemand mehr daran, dass optische Illusionen gegen die neue Technik ankamen, und bald lief kein buntes Kunstwerk mehr vom Stapel.
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