- Luftfilter gehören zu den heißen Zankäpfeln in der Pandemie. Bei Schulen, Kitas und Kindern kochen die Emotionen besonders hoch.
- Wo es Missverständnisse gibt, wie viele Filter tatsächlich im Einsatz sind und was sie laut Experten bringen.
Der folgende Dialog ist typisch für die Debatte: "Was machen eigentlich die Luftfilter für Klassenräume? Mein Kind friert", schrieb ein Twitter-Nutzer vor wenigen Tagen. Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) Karin Prien (CDU) antwortete auf Twitter: "Und genau da liegt das Problem: Hat Ihnen tatsächlich jemand weiß gemacht, dass Luftfilter das Lüften ersetzen?"
Prien, die schleswig-holsteinische Bildungsministerin und diesjährige KMK-Präsidentin, und ihre Kolleginnen und Kollegen in den Ländern betonen immer wieder, dass es auf keinen Fall mehr zu großen Schulschließungen kommen soll. In der politischen Debatte wird ihnen dann aber vorgehalten, sie hätten Schulen für durchgehenden Präsenzunterricht nicht sicher genug gemacht. Ein immer wiederkehrender Vorwurf dabei: Es fehlen Luftfilter.
Vorwurf "Durchseuchung" aus verschiedenen Ecken
Schülervertreter hatten zuletzt mit einem offenen Beschwerdebrief im Netz unter dem Hashtag #WirWerdenlaut der Politik einen "Durchseuchungsplan" vorgeworfen. Auch in diesem Brief werden "Luftfilter für Klassen-, Fach- und Sanitärräume in allen Schulen" gefordert. TV-Satiriker
Filter ist nicht gleich Filter
Was dabei oft übersehen wird: "Den Luftfilter" gibt es nicht. Die politische Debatte dreht sich vor allem um mobile Geräte. Daneben gibt es "raumlufttechnische Anlagen (RLT)", wie es in der Fachsprache heißt. Das sind fest installierte Zu- und Abluftsysteme direkt in der Außenwand oder Decke oder zentrale Lüftungssysteme, die im ganzen Gebäude über Lüftungsschächte dauerhaft verbrauchte Luft nach außen und frische Luft nach innen leiten.
- Für den Neu- und Umbau solcher festen Anlagen in Schulen und Kitas stellte der Bund in der Corona-Pandemie nach Regierungsangaben gut eine Milliarde Euro Fördergelder bereit, die auch beantragt oder abgerufen wurden.
- Für die Anschaffung mobiler Geräte in Räumen, die sich schlecht lüften lassen, weil etwa Fenster nur angekippt werden können, wurden zusätzlich 200 Millionen Euro bereitgestellt.
Bayern mit meisten Luftreinigern, aber hoher Inzidenz
Hamburg schaffte nach eigenen Angaben mehr als 21.000 mobile Lüfter für 92 Prozent der Klassenräume im Wert von über 21 Millionen Euro an. In Bayern sind nach Angaben von Bildungsminister Michael Piazolo (Freie Wähler) mehr als 70 Prozent der Klassenräume damit ausgestattet. Der Freistaat habe im Vergleich zu anderen Bundesländern gegenwärtig die meisten Luftreinigungsgeräte.
Anderswo, wie in Mecklenburg-Vorpommern, verzichtete man auf große Kaufprogramme. Die Geräte seien zu laut, nicht nachhaltig und würden nach der Pandemie vermutlich nicht mehr benutzt, hatte es im Norden geheißen.
Vertreter der Kommunen sehen sich nun bestätigt. Der Einsatz der Geräte scheine keinen sehr großen Unterschied zu machen, sagte Arp Fittschen vom Städte- und Gemeindetag Mecklenburg-Vorpommern mit Blick auf die niedrigeren Corona-Zahlen bei Kindern und Jugendlichen in seinem Bundesland im Vergleich zu Hamburg. Und vergleicht man die Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen in Bayern, wo viele Geräte angeschafft wurden, mit den bundesweiten Zahlen, sind auch keine großen Unterschiede erkennbar.
Wenig Nutzen? Was die Experten sagen
Sind mobile Filter also eine Fehlinvestition? Aus Sicht von Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie in Bremen wäre das zu kurz gedacht. "Die Wirksamkeit mobiler Luftfilter ist nicht aus dem einfachen Blick auf die nun herrschenden Inzidenzen quer über Bundesländer abzuleiten, dazu sind gezielte Studien nötig." Die Geräte seien eine von vielen Maßnahmen in Schulen, die zur Sicherheit beitragen könnten. "Allerdings ist es durch die hohe Dynamik bei Omikron offensichtlich kaum mehr möglich, die Infektionshäufigkeiten bei Kindern und Jugendlichen auf niedrigem Niveau zu halten."
Die Aerosolforscherin Birgit Wehner vom Leibniz-Institut für Troposphärenforschung sagt: "Grundsätzlich helfen Luftfilter immer, das Infektionsrisiko zu senken. Allerdings werden sie ja normalerweise mit anderen Maßnahmen wie Masken und Lüften kombiniert und aus dieser Kombination ergibt sich das individuelle Risiko. Daher sind die Effekte einzelner Faktoren schwer nachzuweisen."
Frieren im Winter bleibt nicht erspart
Bildungspolitiker verweisen bei dem Thema auf die Einschätzungen des Umweltbundesamtes und auf die sogenannte S3-Leitlinie für Schulen. Darin bewerten verschiedene wissenschaftliche Fachgesellschaften bestimmte Corona-Maßnahmen. Bei mobilen Luftfiltern bleiben die Experten vage: "Insgesamt überwiegen (...) weder die positiven noch die negativen Wirkungen, so dass die Maßnahme erwogen werden kann", allerdings auch nur als "ergänzende Maßnahme" zum Lüften. Ein mobiler Luftfilter im Klassenzimmer würde demnach auch nicht verhindern, dass Kinder mit Daunenjacke im Klassenzimmer sitzen müssen.
Das Umweltbundesamt hält mobile Lüfter dort, wo Fenster nur gekippt werden können, für "sinnvoll", um während der Pandemie "die Wahrscheinlichkeit indirekter Infektionen zu minimieren".
Schrittweise empfiehlt das Amt allerdings, die Schulen im Land mit festen RLT-Anlagen auszustatten. Dies sei die "nachhaltigste Maßnahme zur Verbesserung der Innenraumlufthygiene" auch für die Zeit nach der Pandemie. Der Deutsche Lehrerverband fordert, solche Lösungen sollten bei Schulsanierungen und Schulhausneubauten der künftige Standard sein. (Jörg Ratzsch, dpa/af)
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