• Das Auftreten von Mutationen kommt durch Fehler in der Vermehrung eines Virus zustande, sie entstehen vollkommen zufällig.
  • Es können dabei sowohl Mutationen entstehen, die sich weniger ausbreiten, als auch solche, die ansteckender sind.
  • Ob Omikron eine Variante ist, die noch ansteckender ist als Delta und sich somit durchsetzen wird, ist noch nicht klar, wie Sebastian Ulbert, Leiter der Abteilung Impfstoffe und Infektionsmodelle und Stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig, im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt.
Ein Interview

Sowohl in Europa als auch in Südafrika war die Delta-Variante des Coronavirus in den letzten Monaten vorherrschend. Aktuell breitet sich vor allem im südlichen Afrika eine neue Varianten aus, die sogar noch ansteckender sein könnte als die Delta-Variante, und zwar B.1.1.529, genannt Omikron. In weltweit mehr als zehn Ländern wurde die Variante in einzelnen Fällen bereits nachgewiesen, hauptsächlich bei Reiserückkehrern aus Afrika.

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Herr Ulbert, aktuell wurde mit Omikron wieder eine neue Variante des Coronavirus entdeckt. Wie kommt es überhaupt zu der Mutation eines Virus?

Sebastian Ulbert: Die Entstehung von Varianten ist etwas vollkommen Normales. Ein Virus muss sich in den Zellen vermehren und dabei vermehrt es auch seine genetische Information. Gerade bei Viren wie Sars-Cov-2 findet dieser Vermehrungsvorgang aber nicht immer hundertprozentig korrekt statt, sondern es treten immer wieder Fehler auf. Dabei entstehen ganz automatisch und zufällig Veränderungen am Genom. So kommt es zu Mutationen.

Hinsichtlich SARS-CoV-2 kam es beispielsweise mit der Delta-Variante und jetzt mit Omikron zu Varianten, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als "besorgniserregend" eingestuft werden. Sind Mutationen also immer ansteckender und gefährlicher?

Wir erleben gerade, dass sich ein Virus unglaublich oft und in unglaublich vielen Menschen vermehrt, und zwar auf der ganzen Welt. Je mehr sich ein Virus vermehrt, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass Mutationen entstehen.

Generell ist es so, dass die meisten dieser Mutationen gar nicht auffallen oder sie, anders gesagt, für das Virus eher hinderlich sind, so dass gar keine neue Virus-Variante entsteht. Das sind Mutationen, die man nie feststellen wird, weil sie sich eben nicht durchsetzen und vermehren. Dann gibt es Mutationen, die sich zwar ausbilden, aber keinerlei Einfluss haben, das Virus also nicht merklich verändern. Und zu guter Letzt gibt es Mutationen, die bestimmte Eigenschaften zum Vorteil des Virus verändern, zum Beispiel es ansteckender machen. Diese Varianten setzen sich dann durch und fallen dadurch auf. Die Chance für das Auftreten einer solchen Variante ist extrem gering, so dass das nur sporadisch in einigen wenigen Fällen weltweit passiert. Je nach epidemiologischer Lage breitet sich diese neue Variante dann schnell oder langsam aus.

Es können also auch Varianten entstehen, die weniger ansteckend sind und sozusagen für uns eher vorteilhaft wären, weil sie nur milde oder gar keine Symptome hervorrufen?

Ja, das kann passieren, aber diese Varianten fallen eben nicht so schnell auf. Eine Mutation, die sich schneller ausbreitet, wird natürlich schneller bemerkt, als eine Variante, die möglicherweise weniger krank macht. Eine hohe Ansteckungswahrscheinlichkeit bedeutet aber nicht automatisch, dass sie auch schwerer krank macht.

Es breiten sich immer die Mutationen aus, die einen Vorteil für das Virus haben. Für das Virus wären Vorteile, wenn es ansteckender ist, also biologisch betrachtet vom Wirt aus schneller in die menschlichen Zellen gelangt oder aber auch, wenn es weniger krank macht. Denn je weniger ein Virus für Krankheitssymptome sorgt, umso mehr kann es sich ausbreiten. Eine Virus-Variante, die schnell schwere Symptome hervorruft, schwächt den Wirt und dieser kann dann nicht mehr so viele Menschen anstecken. Insofern könnte man durchaus auch erwarten, dass sich irgendwann Varianten durchsetzen, die uns weniger krank machen.

Wie fällt denn überhaupt auf, dass sich eine neue beobachtungswürdige Mutation gebildet hat?

Das ist ganz unterschiedlich. Bei Omikron war es scheinbar so, dass es plötzlich in einer bestimmten Gegend einen starken Anstieg von Infektionen gegeben hat. Eine Sequenzierung, also die Aufschlüsselung des Virus-Genoms, einiger Proben zeigte dann, dass es sich um eine neue Variante handelt. Es kann aber auch sein, dass Proben grundsätzlich stichprobenartig sequenziert werden und dabei plötzlich bemerkt wird, dass eine neue Varianten vorliegen muss, weil die Sequenzen anders sind als bei bisherigen Untersuchungen.

Dabei kann man jetzt auch bei der Omikron-Variante ausgehen?

Ja, bei einer Virus-Variante, welche die anderen verdrängt, kann man davon ausgehen, dass sie einen sogenannten Selektionsvorteil hat und sich besser verbreitet. Das wiederum liegt wahrscheinlich daran, dass sie ansteckender ist, so war das zumindest im letzten Jahr auch mit der Delta-Variante. Allerdings ist es aktuell noch zu früh zu sagen, dass Omikron tatsächlich die anderen Varianten verdrängen könnte. Ob sie sich durchsetzen wird, ist aktuell noch nicht klar.

Aber sollte sie sich durchsetzen, dann kann man davon ausgehen, dass die Omikron-Variante ansteckender ist als andere Varianten. Dafür muss sie auch nicht viel ansteckender sein, da reicht schon ein kleines bisschen.

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Haben neue Varianten möglicherweise auch Einfluss auf die Wirksamkeit der Impfstoffe?

Impfstoffe werden generell dazu entwickelt, vor schweren Krankheitsverläufen zu schützen. Das heißt, wenn man geimpft ist, ist man vor einem schweren Krankheitsverlauf geschützt. Und das tun die Impfstoffe auch gegen Delta und andere Varianten, die man bisher kennt. Aktuell gibt es keinen Grund anzunehmen, dass der Schutz bei Omikron deutlich geringer ausfallen würde. Ich gehe, wie viele andere Experten auch, davon aus, dass der Schutz nach wie vor gegeben sein wird.

Eine andere Frage ist der Schutz vor einer Ansteckung, der nimmt mit der Zeit ab und wir haben diesbezüglich auch Unterschiede bei den bisherigen Varianten festgestellt. Das ist aber bei den bisherigen Impfstoffen ein generelles Phänomen, auch unabhängig von Varianten. Aber nochmal, das heißt nicht automatisch, dass der Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf geringer wird. Verbindliche Aussagen dazu zu treffen, ist aktuell jedoch noch nicht möglich, diese Untersuchungen laufen noch.

Erhöht denn eine geringe Impfquote innerhalb einer Bevölkerung die Wahrscheinlichkeit von Mutationen?

Je höher die Immunität in der Bevölkerung insgesamt ist, desto weniger zirkuliert das Virus, desto weniger vermehrt sich das Virus und folglich entstehen auch weniger Mutationen.
Die Impfstoffe verringern die Zirkulation des Virus ganz klar, insofern sinkt natürlich mit jeder Impfungen auch die Chance, dass neue Mutationen entstehen.

Solange die Impfquote in Ländern wie zum Beispiel in Osteuropa oder Afrika so gering ist, bleibt die weltweite Zirkulation immer noch zu hoch und das Virus hat genug Möglichkeiten neue Mutationen zu bilden, die dann wiederum zu uns gelangen können. Genau das haben wir bei Delta gesehen und sehen es jetzt bei Omikron. Wir müssen also dafür Sorge tragen, dass die Bevölkerung weltweit schnell Zugang zu Impfstoffen hat. Diese Pandemie können wir nur global lösen.

Über den Experten: PD Dr. Sebastian Ulbert ist Leiter der Abteilung Impfstoffe und Infektionsmodelle und Stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie in Leipzig. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Entwicklung von Impfstoffen und dem Aufstellen von Präventionsstrategien gegen neu auftretende Virusinfektionen.

Verwendete Quellen:

  • Interview mit PD Dr. Sebastian Ulbert
  • Robert Koch Institut: Information des RKI zur neuen besorgniserregenden Virusvariante Omikron (B.1.1.529) vom 29.11.2021
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